Vor knapp acht Wochen wähnte sich Timo Hildebrand kurz vor dem Ziel. Nach vier Monaten Arbeitslosigkeit und einem missglückten Portugal-Abenteuer sah sich der Ex-Nationaltorwart bei Schalke 04 "zurück in der Bundesliga".
Doch der 32-Jährige hatte sich zu früh gefreut. Training, Regionalliga, Nachwuchsrunde - das Programm sah ganz anders aus als erwartet. Nur weil die Königsblauen in der Europa League schon vorzeitig die K.o.-Runde erreicht haben, steht Hildebrand vor seinem Comeback in einem Profi-Team - 419 Tage nach seinem letzten Einsatz im Trikot von Sporting Lissabon.
Acht Siege in elf Spielen mit Unnerstall
"Ich bin froh, dass Schalke mir diese Chance gibt", sagte der WM-Dritte von 2006 vor dem unbedeutenden Vorrundenabschluss bei Maccabi Haifa. Doch er weiß auch: Nach dem Spiel in Israel muss er wieder raus aus dem Schalker Tor. Denn einer, den kaum jemand auf der Rechnung hatte, hat ihm den Platz weggenommen: der 21-jährige Lars Unnerstall.
Der Münsterländer, der zuvor in der Regionalliga regelmäßige Patzer eingestreut hatte, überraschte nach der Verletzung von Stammtorwart Ralf Fährmann alle auf Schalke: Seit er die Nummer eins ist, hat der DFB-Pokalsieger acht von elf Pflichtspielen gewonnen. Nur acht Gegentore sprechen ebenso für sich wie seine überraschende Souveränität und die sehr geringe Fehlerquote. "Mit der aktuellen Entwicklung haben nicht viele gerechnet", meinte Unnerstall.
"Timo gibt Gas"
Am wenigsten wohl Hildebrand, der statt in der Bundesliga beim U23-Team in der Regionalliga zwischen den Pfosten stehen musste. Als er sich im Gastspiel bei Rot-Weiss Essen Schmähgesänge ("Vierte Liga, Timo ist dabei") anhören musste, ließ er zum ersten Mal seinen Frust erkennen. "Fest steht, dass mich diese Situation langsam nervt", sagte er: "Mein Ziel ist natürlich nicht der Regionalliga-Fußball."
Doch solange Unnerstall konstant gut spielt, gibt es für Trainer Huub Stevens keinen Grund zu wechseln. Die Leistungen seines elf Jahre jüngeren Konkurrenten lobte Hildebrand, prompt mutmaßten einige, er gebe bereits auf. "Ist Fairness gegenüber Mannschaftskameraden tatsächlich ein Zeichen von Schwäche? Darf ich einen Mitspieler nicht loben, weil ich mir selber damit schade? Ich finde nicht", konterte Hildebrand, und auch Stevens bescheinigte ihm: "Wenn er Verständnis zeigt, heißt das nicht, dass er sich mit seiner Situation zufrieden gibt. Timo gibt Gas."
Noch Luft nach oben in allen Bereichen
Das musste in den vergangenen Jahren auch Unnerstall. Als er 2008 als A-Jugend-Spieler von Preußen Münster nach Schalke kam, wurde ihm gleich gesagt, "dass ich stark an mir arbeiten muss" - vor allem "an meiner Kraft und Dynamik". Dennoch war er, wie er selbst sagt, "immer noch ein großes, langes Elend". Im vergangenen Jahr unter Torwarttrainer Bernd Dreher machte er den größten Sprung, sieht aber "noch in allen Bereichen Luft nach oben".
Derzeit sieht es so aus, als würde der 21-Jährige aus dem münsterländischen 600-Einwohner-Dorf Uffeln den international erfahrenen Hildebrand um dessen Chance auf Schalke bringen. Sein Vertrag wurde im Oktober bis 2013 verlängert, Hildebrand muss wohl schon Ende der Saison gehen.