Wir schreiben das Jahr 1985. Genauer gesagt den 11. Oktober 1985. Freitagspiel, der VfL Bochum empfängt unter Flutlicht den FC Bayern München. Die Rollen sind klar verteilt, doch am Ende jubelt der Underdog. Die Punkte blieben an der Castroper Straße. Mann des Tages: Stefan Kuntz, der den Rekordmeister im Alleingang abschoss.
Der aktuelle Nationaltrainer der Türkei traf in Minute zehn, 80 und 90. Ein denkwürdiger Abend. Vor dem Duell der Bochumer gegen die Bayern haben wir mit Kuntz gesprochen.
Stefan Kuntz, was macht der türkische Nationaltrainer in diesen Tagen?
Wir haben mit dem Trainerteam zusammengesessen und die Analyse für das Spiel gegen Portugal vorbereitet. Dabei wurde auch besprochen, welche Führungsspieler wir in den kommenden Tagen besuchen. Ich habe zuletzt das Spiel Getafe gegen Levante gesehen. Bald steht ein Besuch in Metz an, wenn Marseille dort spielt. In der Champions League bin ich dann bei Inter Mailand gegen Liverpool und besuche Hakan Calhanoglu. Bei Chelsea gegen Lille bin ich auch vor Ort, weil dort ebenfalls mehrere Nationalspieler von mir spielen.
Der ganze Fokus liegt in diesen Tagen auf der WM-Qualifikation, bleibt da noch Zeit für einen Blick auf die Bundesliga?
Die Bundesliga rückt tatsächlich gerade etwas in den Hintergrund, weil keine türkischen Nationalspieler dort aktiv sind. Daher liegt mein Augenmerk auf der türkischen Liga, dazu Italien, Frankreich, England, Spanien. Mit unserem Trainerteam haben wir schon über 50 Partien live gesehen in der Türkei.
VfL: Zumdick, Kree, Woelk, Benatelli, Lameck, Oswald, Tenhagen, Schulz, Wegmann (78. Kühn), Kuntz, Leifeld (88. Knappheide) - Trainer Rolf Schafstall
Bayern: Pfaff, Beierlorzer, Eder, Pflügler, Winklhofer, Lerby, Nachtweih, Schwabl (66. Willmer), Hartmann, Dieter Hoeneß (46. Mathy), Kögl - Trainer Udo Lattek
Wie sehen Sie die Entwicklung Ihres ehemaligen Klubs unter Trainer Thoms Reis?
Es ist kein Geheimnis, dass der VfL neben dem 1. FC Kaiserslautern mein Herzensverein ist. Daher freue ich mich riesig, vor allem da mit Sebastian Schindzielorz und Thomas Reis zwei ehemalige Mitspieler dort sehr viel Erfolg haben. Ich finde es cool, dass man zwischen den vermeintlich großen Ruhrpottvereinen wieder eine eigene Marke ist. Die Mannschaft hat einen eigenen Stil und ich freue mich besonders, wenn bald die Bochumer Fans ihre Mannschaft wieder volle Lotte anfeuern können. Denn das wird nochmal ein paar Bonuspunkte bringen.
Immer wenn es zum Aufeinandertreffen zwischen Bochum und Bayern kommt, dann fällt Ihr Name, Ihre drei Treffer gegen den FCB haben Kult-Status an der Castroper! Sie haben im Fußball so viel gewonnen, hat dieses Spiel in Ihrem Kopf überhaupt noch einen Stellenwert und an was erinnern Sie sich speziell?
Natürlich erinnere ich mich an die Begegnung, weil sie sehr viel Renommee eingebracht hat. Ich weiß aber auch, dass Jean-Marie Pfaff an dem Tag die falschen Handschuhe anhatte. Trotzdem sind so Tage natürlich die Highlights in einer langen Bundesligakarriere. Mich hat es damals gefreut, weil wir die Punkte holen konnten und der VfL auch bundesweit mal etwas bekannter werden konnte.
Im Hinspiel kassierte der VfL beim 0:7 die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte, welchen Rat würden Sie dem Team für Samstag mit auf den Weg geben?
Thomas und sein Team brauchen keinen Rat, denn er kennt die Mannschaft am besten. Wenn alle Bayern-Spieler Normalform haben, ist der Qualitätsunterschied auf jeden Fall da. Als Trainer sagt man dann immer: Wenn die Bayern die Tür ein bisschen aufmachen, dann muss man bereit sein, den Fuß reinstellen. Taktische Disziplin, läuferisches Vermögen und unheimlich viel Mut sind an solchen Tagen gefragt. Vieles findet im Kopf statt, wenn man mit zu viel Respekt aufläuft, dann hat der VfL keine Chance. gp / cb