Es gießt wie aus Eimern. Ganz klar, was gleich passiert. Ich zähle die Minuten. Komm Bela, sag´s doch endlich! Und da ist sie, die Wasserschlacht! Zunächst nicht die berühmte, nein, lediglich nur eine Wasserschlacht. Doch spricht einer von Wasserschlacht, fließen die Begriffe wie „Frankfurt“, „WM74“ oder „Waldparkstadion“ so selbstverständlich wie die Regentropfen an Bela Rethys Folienmantel. Ein Wort ergibt das andere, da mögen die Unterlagen auch bis nach Georgien vom Winde verweht sein. Die berühmte Wasserschlacht von Frankfurt, Deutschland gegen Polen, ist in Donezk angekommen.
Obwohl sie mich manchmal verführen, gleich mal vorweg: ich bin kein großer Freund martialischer Entgleisungen beim Fußball. Schlachten, Kriege und diese „Sieg“-Rufe, die einen irgendwie übel aufstoßen. Und die furchtbaren Schlagzeilen diese Woche: „Russland oder Tod“, „Schlacht um Warschau 2012“, vom „Fußballkrieg“ war die Rede, „um die Ehre Polens“ ging es dabei. Schlagzeilen, mit denen sich einige Idioten dazu berechtigt fühlten, Krawalle zu machen. Schlimm. Dass Fußball nicht für den Friedensnobelpreis taugt, stellte Frank Hellmann (FAZ) schon 2001 fest.
Wie man sieht, löst die Wasserschlacht von Frankfurt bei mir bereits im verbalen Bereich Unbehagen aus. Sie verfolgt einen und grüßt täglich wie das Murmeltier. Dieses Spiel ist ein Mythos, eine polnische Legende, ein weiteres Kapitel einer langen Leidensgeschichte Polens. Die Helden von 1974 wären doch sicher Weltmeister geworden, hätten die Deutschen damals nicht den „Dodole“, den Regentanz gemacht. Ich habe es so oft gehört, so oft gesehen, inzwischen glaube ich, damals selbst in Stadion gewesen zu sein. Dabei war ich dort erst vor wenigen Wochen zum allerersten Mal. Unsere Veranstaltung zu Europameisterschaft, Commerzbank Arena, Talk mit dem Ehrengast Bernd Hölzenbein, das Thema? Dreimal dürfen Sie raten...
Am Samstag ist damit Schluss. Schluss mit der Wasserschlacht, mit dem Regen von Frankfurt. Ich will endlich eine moderne polnische Fußballgeschichte erleben. Ich bin im Jahre 1980 geboren, ich habe die Polen noch nie (bewusst) die Gruppenphase eines Turniers überstehen sehen. Da war ich 1982 und 1986 einfach noch zu klein. Danach gab es 16 Jahre lang Fußballdürre, anschließend 10 Jahre der traurigen polnischen Turnierarithmetik. Die Zeit ist reif für den nächsten Schritt. Am Samstag beginnen die Jahre des Erfolgs. Creating history together.
Heute ein Traum, morgen Realität?
Am Samstag müssen und werden wir gewinnen. Mir egal, ob die Zeitungen danach schreiben, dass „Tyton das Tor zur Festung Breslau machte“ und „die Bruderschlacht an der Oder gewonnen wurde“. Mir egal, dass danach neben Manchester, Chelsea, Real, Bayern und selbst meiner Tante, noch mehr scharf auf Lewandowski werden. Gänzlich egal, dass Jan Tomaszewski, einer der Helden der Frankfurter Wasserschlacht, dann vor Wut kocht. Schließlich kündigte er an, die Polen nicht zu unterstützen. Alles egal, ich will die Polen live im Viertelfinale sehen. Selbst wenn oder gerade weil dies einen ewigen Klassiker bedeuten könnte. Polen gegen Deutschland. Mit oder ohne Regen. Heute noch ein Traum, morgen Realität?
Am Samstag schreiben wir Geschichte, am Sonntag beginnt meine lange Fußballreise durch Polen und die Ukraine. Ich kann es kaum abwarten, ich will die einmalige Atmosphäre erleben. Die Atmosphäre, wie wir sie unter anderem den tollen irischen Fans verdanken. Bisher haben sie mich tief beeindruckt, nicht nur des Gesangs wegen. Sie lieben ihre Mannschaft, das polnische Bier und die kroatischen Brüste. Kein Wunder also, dass die Posener bereits angekündigt haben, sie beim letzten Gruppenspiel zu unterstützen. Football connects people. It always does.