Kaum hatte die aktuelle Vereinsführung von Schalke 04 den sportlichen Absturz wirtschaftlich schöngerechnet, meldete sich die alte zu Wort - mit harscher Kritik. Eigentlich wollte der langjährige Klubboss Clemens Tönnies „kein Öl ins Feuer gießen“, wie er auf dem Roten Teppich bei der Premiere des Dokumentarfilms über Christoph Daum betonte. Doch dann schoss der ehemalige Aufsichtsratschef scharf und warf seinen Nachfolgern Misswirtschaft vor.
„Ich kann keine der im Klub getroffenen Entscheidungen der letzten drei Jahre nachvollziehen“, sagte Tönnies dem Express: „Es wirkt fast, als ob sie den Verein absichtlich über die Klippe schubsen wollen.“ Nur wenige Stunden zuvor hatte Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers erstmals seit 2018 wieder schwarze Zahlen verkündet: einen Gewinn im ersten Halbjahr 2023 von 9,3 Millionen Euro und eine Verringerung der enormen Verbindlichkeiten um 15 Millionen Euro.
Die leicht positive wirtschaftliche Entwicklung nach rigorosem Sparkurs geht aber einher mit einem dramatischen sportlichen Niedergang, der den siebenmaligen deutschen Meister in seiner Existenz gefährdet.
Denn nach dem katastrophalen Fehlstart nach dem erneuten Bundesliga-Abstieg mit einer deutlich abgespeckten Mannschaft droht die 3. Liga. Vor dem Heimspiel am Samstag (13.00 Uhr/Sky) gegen Hannover 96 ist der Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz schon auf fünf Punkte angewachsen.
Es wirkt fast, als ob sie den Verein absichtlich über die Klippe schubsen wollen
Clemens Tönnies
Der „Durchmarsch“ in die Drittklassigkeit wäre auch wirtschaftlich ein Horrorszenario - „nicht das Standardszenario, mit dem wir geplant haben“, wie Rühl-Hamers dem SID sagte: „Aber natürlich beschäftigen wir uns mit der Situation, schauen sie uns an und berechnen ganz seriös, was das für Schalke bedeuten würde.“
Tönnies, der 2020 nach rassistischen Äußerungen und einem Corona-Ausbruch in seinem Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück auf Druck zahlreicher Fans zurückgetreten war, erklärte: „Ich kann die Dinge nicht nachvollziehen. Fußball ist Geschäft, Business, Fußball ist Professionalität.“
Als der stets umstrittene Klubboss abtrat, stand Schalke noch im Bundesliga-Mittelfeld; in seiner Zeit als Aufsichtsratschef spielten die Königsblauen elfmal im Europacup, davon achtmal in der Champions League, gewannen zweimal den DFB-Pokal und wurden viermal Vizemeister. Allerdings häuften sie unter seine Ägide auch Verbindlichkeiten von über 200 Millionen Euro an.
Mit diesen Altlasten kämpft die neue Führung, die zwei Abstiege in drei Jahren zu verantworten hat und im Gegensatz zu Tönnies vor allem durch ihre Nähe zur organisierten Fanszene, vor allem den Ultras, auffällt.
Nicht zuletzt deshalb sind eine Ausgliederung der Profiabteilung und eine Öffnung für mögliche Investoren trotz der weiter enormen Verschuldung auf Schalke ein Tabu. Laut Tönnies wurden seine Angebote, dem Klub zu helfen, abgelehnt oder gar nicht beantwortet.
Jahrhunderttrainer Huub Stevens sieht diese Entwicklung mit Sorge. „Ich finde es nicht gut, dass die Ultras so viel Macht haben im Moment“, sagte der Ex-Coach in der „ran Bundesliga Webshow“.