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1860: Einmal Chaos, immer Chaos?
"Wenn hier einer das Sagen hat, bin ich es"

1860: Einmal Chaos, immer Chaos?
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In München wurden die Karten wieder neu verteilt: Das fünfte 1860-Präsidium in vier Jahren will den Klub befrieden, der wegen einer Privatfehde zwischen Präsident von Linde und Geschäftsführer Ziffzer 15 Monate führungslos dahinschlingerte.

Der Clash ließ nicht lange auf sich warten. Das im Mai 2006 neu formierte »Pro-1860«-Fanlager hatte in der Delegiertenversammlung die Mehrheit im Aufsichtsrat erhalten und konnte über die Nachfolger des scheidenden Präsidenten Lehner bestimmen. Im März 2007 schlugen vier Aufsichtsräte von »Pro 1860« also den Bayernliga-Meistertrainer der Löwen, den »König von Giesing«, Karsten Wettberg, vor. Als Symbolfigur für die Rückkehr der Sechz‘ger in den bezahlten Fußball 1991 besaß Wettberg bei vielen Fans immer noch hohes Ansehen. Den Geschäftsleuten und Politikern, die in den Führungsetagen des Klubs die Strippen zogen, aber war der schmächtige Sportsmann suspekt. Hinter vorgehaltener Hand wurde der Ex-Coach als »Postbote« und »Gartenzwerg« verlacht. Als ruchbar wurde, dass Wettberg auf dem besten Weg war, zum Oberlöwen zu avancieren, warnte Ziffzer im Kollektiv mit Stefan Reuter vor dieser Lösung. Wettberg sei den potenten Sponsoren, auf die der klamme Klub dringend angewiesen sei, nicht vermittelbar. Ziffzer: »Die Reaktionen auf die Nominierung waren unbeschreiblich. Unsere Hausbank drohte uns, die Kreditlinie von drei Millionen zu kündigen, wenn Wettberg den Vorsitz übernimmt.« Viele im Umfeld des Klubs glauben nach wie vor, Ziffzer habe damals auf die Stellungnahme der Bank gedrungen, weil er fürchtete, der Kult-Trainer würde ihm als starken Mann des Vereins den Rang ablaufen. Ziffzer erklärt dazu, er habe diese Einschätzung von der Bremer NF-Bank schriftlich bekommen.

Der Verein geriet durch diese Personalfrage in Schieflage. Der Aufsichtsrat einigte sich auf eine Kompromisslösung, indem der ursprüngliche Schatzmeister im Wettberg-Kabinett, Albrecht von Linde, für den Job des Präsidenten vorgeschlagen wurde. Der zweite Mann auf der »Pro-1860«-Liste sollte eineinhalb Jahre den Sitz im Präsidium innehaben, ehe er die Amtsgeschäfte an den 2. Vorsitzenden, den Münchner Medienhändler Otto Steiner, übergab, der von den Vertretern des Fan-Dachverbands Arge im Aufsichtsrat favorisiert wurde. Auch Ziffzer hielt den gediegenen von Linde zunächst für eine weitaus passendere Lösung als den unrepräsentativen Wettberg. Doch der feingliedrige Starnberger, dessen Großvater ein erfolgreicher Leichtathlet bei 1860 war und den Verein nach dem Krieg mit Finanzspritzen unterstützte, nahm nicht nur seine Aufgaben bei der Sanierung des e.V., der mit 150.000 Euro gnadenlos überschuldet war, bitter ernst. Fortan mischte sich von Linde auch öfter in die Kostenstruktur der KGaA ein. Ein Affront gegen Ziffzer und seinen Ruf als kühler Rechner. Während die Geschäftsführung weiterhin beim Jahresetat mit einem Minus von drei Millionen Euro kalkulierte, forderte der Präsident (Zitat: »Die Fußballabteilung ist unsere Tochter«) einen ausgeglichenen Haushalt. Von Linde: »Kein Wunder, dass Ziffzer ein Problem hatte. Schließlich hatte er bis dahin unter einem Präsidenten gewirkt, der de facto nicht vorhanden war.«

Der Hobby-Leichtathlet und Freiberufler mit dickem Festgeldkonto war plötzlich omnipräsent. Das Problem der Sechz‘ger meinte der Unternehmensberater schon bald lokalisiert zu haben: Während sich die Kosten für Miete und Betrieb in der Allianz Arena (rund 6 Millionen) sowie für den Spielerkader (mit 6,5 Millionen der zweitniedrigste im bezahlten deutschen Fußball) im Rahmen hielten, drückte vor allem der horrende Verwaltungs- und Betriebsapparat auf das Portemonnaie des Traditionsvereins: Mehr als 11 Millionen Euro errechnete von Linde – unter anderem für rund 40 fest angestellte Mitarbeiter. Doch ein eigens gegründeter Finanzausschuss konnte kein Einsparpotenzial feststellen. Also machte der eifrige, aber uncharismatische Präses (über den Franz Maget sagt: »Ich würde ihn nicht gerade als fußballaffin bezeichnen«) eigene Vorschläge zur Kostensenkung.

Zum Beispiel: Die veranschlagten 500.000 Euro für die Beobachtung und Beratung von Spielern sollten zukünftig über ehrenamtliche Tätigkeiten in diesem Bereich gespart werden. Ziffzer (Maget: »Im Sozialverhalten eher schwach«) wies den Fußball-Laien zurecht, welcher Berater wohl seinen Spieler ohne Honorar zum Wechsel nach Giesing überreden würde? Von Linde schlug vor, in Jahren, in denen der Verein keinen Gewinn mache, kein Weihnachtsgeld an die Mitarbeiter auszuzahlen. Ziffzer warnte vor der schlechten Presse, die Einsparungen von maximal 25.000 Euro wohl kaum aufwiegen würden. Schließlich erkundigte sich der Präsident, ob Reuter und Ziffzer ihre Q7-Audis als Dienstwagen beim Sponsor nicht in den kleineren A6 umtauschen könnten, um weniger Sprit zu verbrauchen. Sogar Vizepräsident Karsten Wettberg gibt zu: »Es kann sein, dass von Linde in einigen Dingen etwas realitätsfremd agierte.« Einen ausgeprägten Verdrängungsmechanismus hatte sich der glücklose Präsident ohnehin schon angeeignet.

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