Sein Handy klingelt, es ist der Mannschaftsarzt. Klopp schluckt hörbar, lächelt und lässt den Anruf zunächst unbeantwortet. „Ich habe schon lange keine guten Nachrichten mehr aus dieser Abteilung erhalten“, sagt der BVB-Trainer vor dem fünften Bundesligaspiel der Saison gegen den Tabellenletzten VfB Stuttgart (Mittwoch, 20 Uhr/im Live-Ticker), vor dem sich der Trainer erneut fragen muss, welche Teile seines Personals aus medizinischer Sicht überhaupt für einen Kampf-Einsatz in Frage kommen. „Ich glaube nicht, dass das ein Spiel wird: Frühe Führung, ausbauen, Abfahrt. Das wird harte Arbeit.“
Die schwarz-gelben Angestellten haben derzeit einen fast schon unübersichtlich hohen Krankenstand. Mittelfeldspieler Henrikh Mkhitaryan gesellte sich jüngst hinzu, was den Trainer nicht amüsiert. „Dass ein weiterer Kreativspieler ausfällt, ist so ziemlich das Ungünstigste, was passieren konnte“, meint er und widmet sich dem Rest seiner Humpel-Fußballer.
Abwehrchef Mats Hummels? Trainiert ohne Probleme und könnte zu seinem ersten Saisoneinsatz kommen.
Neven Subotic? Kehrt wohl zurück in die Startelf.
Sebastian Kehl? Ist weiterhin verletzt.
Bei Gündogan fehlt noch die Substanz Und Ilkay Gündogan? Leidet an muskulären Problemen und nach 14 Monaten Verletzungspause an fehlender Substanz. Er sei zwar ebenso wie Dong-Won Ji „ein Kandidat für den Kader“, sagt Klopp, glaubt aber, „dass Ilkay nicht dabei sein wird. Wir müssen versuchen, bei aller personeller Not keine Hektik aufkommen zu lassen.“
Doch die vielen Verletzten zerren an der Gemütslage in Dortmund. An Zufall oder Pech mag zumindest der Trainer nicht mehr glauben. Er hat längst die vielen Spiele der Stars als Ursache des Problems ausgemacht. „Wir sind bei den Spitzenspielern schon längst über den Bereich hinaus, in dem es vertretbar ist“, sagt er und erzielt damit seltene Einigkeit mit dem FC Bayern München, wo sich in den vergangenen Tagen sowohl Vereins-Boss Karl-Heinz Rummenigge als auch Trainer Pep Guardiola ähnlich äußerten. Tenor: Zu viele Spiele für die Stars. „Alle Trainer machen sich darüber Gedanken. Vielleicht werden wir irgendwann Kader mit 30 oder 35 Profis haben“, sagt Klopp. Womit Felix Magath fast schon wieder als Visionär durchgeht. Fast.
Klopps Kritik an den Test-Länderspielen Doch zum Scherzen ist Klopp bei dem Thema nicht zumute. Über die Sinnhaftigkeit der vor gar nicht langer Zeit eingeführten Test-Länderspiele nach dem ersten Spieltag hat er sich schon zu genüge ausgelassen. Im vergangenen Jahr verletzte sich Ilkay Gündogan bei genau dieser Veranstaltung. Seither hat er kein Spiel mehr bestritten. „Ich glaube nicht, dass sich das Rad zurückdrehen lässt“, sagt Klopp. Im Gegenteil: An Europameisterschaften nahmen bisher 16 Mannschaften teil, ab dem Turnier in zwei Jahren in Frankreich werden es 24 Teilnehmerländer sein. Mehr Länder, mehr Spiele, mehr Belastung.
Resignation macht sich breit trotz einer möglichen mächtigen Allianz mit den Bayern vor den Interessen der noch viel mächtigeren Verbände, die Spiele ansetzen, wo Pausen nötig wären. Protest? Zwecklos. „Das kannst du auch deiner Mikrowelle erzählen.“ Aber bevor der Coach mit seinen Haushaltsgeräten in Kontakt tritt, wäre da zunächst noch ein Anruf beim Mannschaftsarzt angebracht. Vielleicht hat er ja doch noch ein paar gute Nachrichten.