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RW Ahlen: Thamm
"Ich bin in ein ganz tiefes Loch gefallen"

RW Ahlen: Thamm sucht einen Neuanfang
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Die Jahre zwischen 28 und 32 sind die besten im Leben eines Fußballers. Das sagte einst niemand Geringeres als Ex-Profi Ansgar Brinkmann.

Alexander Thamm, damals gerade 23 und Teamkollege des „Weißen Brasilianers“ in Münster ist das im Gedächtnis geblieben. Die Rollenfindung als „Best Ager“ gestaltete sich jedoch grausig. Als Publikumsliebling und Leistungsträger führte er Rot-Weiss Essen zurück in Liga vier. Doch dort plante der Klub ohne ihn. Für Thamm war plötzlich kein Platz mehr. „Ich habe mich gefühlt, als ob ich auf meiner Hochzeit bin und die Braut nicht auftaucht“, skizzierte der gerade 28-Jährige.

Nicht ganz zufällig, denn die Innigkeit der Beziehung ging über das nüchterne Verhältnis eines Arbeitnehmers zu seinem Brötchengeber hinaus. „RWE war ganz klar das geilste Jahr in meiner Karriere“, bekennt Thamm freimütig. Und fast wie bei einer Verflossenen betrauerte der 1,91-Meter-Mann die Trennung. „Ich hatte meine Phasen. Da habe ich mir alte Videos angeschaut und an die Zeit in Essen gedacht.“ Doch der Wehmut sollte nicht sein größtes Problem bleiben. Die Traufe wartete schon.

„Einige sprachen schon von Burnout“

Der gebürtige Hattinger entschied sich für Rot-Weiss Ahlen. Der beschauliche Ort im Münsterland schien Thamm das geeignete Umfeld für einen persönlichen Neustart. „Die Bedingungen sind bei einem Klub, der vor Kurzem noch 2. Liga gespielt hat, natürlich top.“ Alles andere dafür Flop, möchte man ergänzen. Spott und Häme ist Thamm aber gewohnt. Das Unheil nahm in der ersten Runde des DFB-Pokals bereits kräftig Anlauf. Während RWE einen triumphalen Sieg über Union Berlin feierte, ging in Ahlen die Fußballwelt unter. Mit 0:10 unterlag der NRW-Ligist dem SC Paderborn. Leider kein Ausrutscher, das Niveau des Klubs pendelte sich zwischen unterirdisch und grottenschlecht ein. 17 Spiele, 13:44 Tore, 6 Punkte. Die Bilanz einer Halbserie. „Das ist schlecht“, gesteht Thamm. „Ich habe mich geschämt, wenn ich montags auf die Arbeit gehen musste und gefragt wurde: wie viel habt ihr jetzt schon wieder bekommen?!“

Eine Erklärung, wie ein Verein mit konkurrenzfähiger Papierform derart abstürzen kann, fällt auch dem schwer, der im Mittelpunkt des Geschehens stand. „Es hat vieles nicht gepasst, es gab finanzielle Probleme. Die Leistungsdichte war vielleicht auch nicht so gegeben, doch ich habe 15 von 17 Spielen gemacht, da nehme ich mich ganz klar in die Pflicht.“

Allerdings hatte Thamm auch mit sich selbst zu kämpfen. „Mir hat die Eigenmotivation gefehlt. Ich wollte anfangs einfach nicht akzeptieren, dass ich nicht mehr für den geilsten Amateurklub spielen darf.“ Es gab Situationen, in denen Thamm sogar befürchten musste, es mit einem viel gefährlicheren Gegner zu tun zu haben. „Einige mutmaßten schon, ob das nicht schon in Richtung Burnout gehen würde, weil ich so leer war. Aber dafür spielt sich das Ganze doch auf zu niedrigem Niveau ab. Ich bin einfach in ein ganz, ganz tiefes Loch gefallen.“ Aus dem hat sich der Geschäftsstellenmitarbeiter des VfL Bochum aber allmählich wieder herausgearbeitet. Beim Derby gegen Schalke II betrat der einst gefeierte Aufstiegsheld sogar beinahe schmerzfrei wieder seine alte Arena und sah einen 1:0-Sieg seines Ex-Klubs.

„Leider scheint die Distanz zwischen Fans und Mannschaft größer geworden zu sein“

Doch Thamm fremdelte mit dem einst so vertrauten Milieu. „Mich hat gewundert, dass die Leute aus der Kurve nach Spielende abgehauen sind. Da war nur noch der Pulk in der Mitte. Leider scheint die Distanz zwischen Fans und Mannschaft wieder etwas größer geworden zu sein“, sagt einer, der selbst in vorderster Front die Kurve dirigierte. Doch das ist Geschichte. Auch wenn Thamm das ein oder andere zu beklagen hätte, will er das Kapitel RWE zuklappen. „Ich weiß nicht, ob es mir wesentlich besser gehen würde, wenn ich jetzt nachkarten würde.“

Was zählt, ist die Zukunft. Der Auflösungsvertrag mit RW Ahlen liegt bereits vor. Die Vereinssuche läuft. „Ich hatte nicht die beste Presse. Klar, dass die Leute nicht Schlange stehen und sagen: ‚Den Thamm brauchen wir!‘“ Lieber will der torgefährliche Innenverteidiger wieder Taten sprechen lassen. Am liebsten in der NRW-Liga, der Klasse, in der er sein bestes Jahr erlebt hat. „In erster Linie will ich wieder erfolgreicher spielen als in Ahlen, aber ich bin für vieles offen.“ Denn die besten Jahre dürften mit 28 1/2 nun langsam anfangen.

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