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Schalke: Helmut Schulte wird 50 - Geburtstag hat er zwei Mal
"Man denkt nie, dass einem selbst so etwas passiert"

Schalke: Helmut Schulte wird 50 - Geburtstag hat er zwei Mal

Wer Helmut Schulte in diesen Tagen auf Schalke trifft, der mag kaum glauben, dass der Mann, der einem da in seiner stattlichen Größe begegnet, vor nicht ganz neun Monaten dem Tod nur ganz knapp von der Schippe gesprungen ist. Es war der 18. Januar dieses Jahres, als der Orkan Kyrill durch Deutschland und dem Sportlichen Leiter der S04-Nachwuchsabteilung einen riesigen Baum aufs Autodach fegte. Als ihn die örtliche Feuerwehr in einer dramatischen Rettungsaktion aus seinem Mercedes holte, war Schulte mehr tot als lebendig. Kein Wunder, dass der frühere Profi und Trainer der Königsblauen, der am morgigen Freitag 50 Jahre alt wird, von zwei Geburtstagen in seinem Leben spricht.

Herr Schulte, wie normal ist Ihr Dasein inzwischen wieder, neun Monate nach dem schlimmsten Tag in Ihrem Leben?

Es wird jeden Tag besser. Natürlich vergeht kein Tag, in dem man nicht mit der Geschichte in Berührung kommt. Allein durch die Frage: 'Wie geht's dir?', wenn man Leute trifft. Aber am Ende des Jahres möchte ich das so weit durchgestanden haben, denn es ist ja nicht nur ein körperliches, sondern auch sehr emotionales Thema. Schließlich war die Chance größer, das man keinen Geburtstag mehr feiert. Ich habe einfach mehr Glück als Verstand gehabt.

Anders herum gefragt: Wie sehr hat sich Ihr Leben verändert?

Ich bin zu kurz im real life, dass ich es richtig beschreiben könnte. Aber die Dinge, die passieren, nimmt man bewusster wahr. Gerade auf Schalke und vor allem im Nachwuchsbereich geht alles sehr rasch. Ich realisiere, dass es ganz schnell vorbei sein kann. Das bedeutet, dass man nicht mehr ganz so viele Kompromisse macht, mehr an sich denkt und sich mehr auf das Hier und Jetzt konzentriert.

Wie hilft da die Tätigkeit auf Schalke?

Sehr! Hier wirst du ständig mit neuen Dingen konfrontiert, musst Lösungen suchen. Und parallel zu meiner Arbeit, die ich Anfang August aufgenommne habe, mache ich noch zweimal die Woche Reha im medic.os. Im Bereich der Halswirbelsäule fehlt noch die Flexibilität. Bei dem Unfall sind schließlich vier Wirbel in Mitleidenschaft gezogen, zwei Bandscheiben knöchern ersetzt worden. Der zweite Halswirbel war gebrochen, daher hatte ich drei Monate lang diesen Halofixateur auf dem Kopf.

Wie oft werden Sie nachts noch wach und träumen, wie der Baum aufs Autodach kracht?

Das passiert schon ab und zu, aber nicht mehr so oft. Zehn Tage nach dem Unfall hatte ich einen Flashback und die Vorstellung, wie ich im Auto wach geworden bin und Hilfe gerufen habe. Selbst habe ich keine Erinnerungen an den Unfall, sondern weiß das meiste darüber durch Erzählungen der Polizisten und Feuerwehrleute, die mich da raus geholt haben. Einige von ihnen habe ich einige Monate nach dem Ereignis zu mir nach Hause eingeladen, die haben mir erzählt, was da los war. Die Geschichte hatte drei Etappen: Nach dem Unfall war relativ schnell die Polizei vor Ort. Die konnte aber kaum noch sehen, dass da noch ein Auto, geschweige denn, ob noch jemand drin ist. Dann musste der Baum runter. Zufällig hatte die Freiwillige Feuerwehr Heisingen in der Nähe eine Übung und hat rasch den Baum klein gesägt. Als der Baum runter war, kam die Berufsfeuerwehr und hat das Blech aufgeschnitten. Dann ging's ins Krankenhaus, wo ich sieben Tage lang im künstlichen Koma lag. Als ich danach wach geworden bin, hat mich eine Schwester gefragt: Herr Schulte, wissen Sie wo Sie sind? Meine Antwort war: Nein!

Hätten Sie auch in einem kleineren, weniger robust gebauten Auto als einem Mercedes eine Chance zum Überleben gehabt?

Definitiv nicht!

Sie wohnen im Essener Süden, der Unfall ist auf der Ruhrallee passiert. Meiden Sie seitdem diese Straße?

Nein, ich fahre weiterhin jeden Tag dorther. Es bringt auch nichts, diese Strecke zu umkurven, denn so etwas kann überall passieren. Nur wenn es richtig windig ist, dann bekomme ich schon ein anderes Gefühl, aber das hat mit dem Ort des Unfalls an sich nichts zu tun. Ich war an diesem Tag auf einer DFB-Tagung in Frankfurt, morgens um sechs Uhr mit dem Zug hin und nachmittags zurück. Ich wusste von der Orkanwarnung, habe aber nichts von der Stärke mitbekommen, da ich mich die ganze Zeit in geschlossenen Räumen aufgehalten habe. Selbst als ich am Essener Hauptbahnhof ankam und zum Parkhaus ging, wo mein Auto stand, hatte ich nie das Gefühl, dass es so gefährlich war. Man denkt schließlich nie daran, dass so etwas einem selbst passiert und liest es in der Zeitung nur von anderen, nie von sich selbst.

Wer hat Ihnen in der Zeit danach am meisten geholfen?

Meine Frau, meine Kinder und die engsten Freunde. Da braucht man schon etwas Unterstützung.

Zum Geburtstag wünschen Sie sich dann wohl nicht allzu viel, oder?

Nur Gesundheit! Am besten für alle Menschen dieser Welt, aber das bleibt wohl ein frommer Wunsch. Durch die Vorkommnisse Anfang des Jahres werde ich den 50. nicht ausufern lassen, sondern nur im engsten Familienkreis feiern. Es ist nicht die Zeit für Festivitäten.

Interview: Heiko Buschmann

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