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Interview: Jupp Tenhagen über seine Zeit beim VfL Bochum
„Für den VfL war es fünf vor zwölf, für mich fünf vor zwei!“

Interview: Jupp Tenhagen über seine Zeit beim VfL Bochum
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Emmerich, eine kleine Stadt im Kreis Kleve, ist im Ruhrgebiet vor allem als Ausgangspunkt für die Wochenendausflüge mit dem Fahrrad nach Holland bekannt. Dabei lohnt es sich durchaus, in der niederrheinischen Stadt zu verweilen. Inmitten der schmucken Fußgängerzone liegt das Sportgeschäft „Tenhagen“.

Welche Rolle spielte die Person Ottokar Wüst?

Jupp Tenhagen vor seinem Sportgeschäft in Emmerich, April 2008.

Wüst war wie ein Vater für uns. Ich würde ihn nicht als Patriarchen bezeichnen, da er sehr demokratisch und kooperativ war. Er wirkte rhetorisch sehr geschult und strahlte nach außen einfach etwas aus. Als ich damals noch zu Oberhausener Zeiten vor dem Wechsel stand, war mir nach dem ersten Gespräch mit ihm klar, dass ich zum VfL gehen würde. Wüst war eine Vaterfigur, der man trauen konnte.

Vertrauen und eine Art von Beständigkeit spielten für Sie also eine Rolle.

Das gehört zu meinem Charakter. Ich bin sehr Heimat verbunden und bodenständig. Nicht umsonst war Uwe Seeler mein großes Vorbild. Mein Vater war einfacher Postangestellter und meine Mutter Hausfrau, wie es eben früher üblich war. Ich habe eine ältere Schwester und hatte einen älteren Bruder, der allerdings mit 16 Jahren tödlich verunglückt ist. Mit einer Kreidler, frontal vor den Baum, doppelter Schädelbasisbruch. Damals gab es noch keine Helmpflicht. Ich war zwölf Jahre, als es passierte, und habe natürlich alles mitbekommen. (Pause.) Es war am Abend des 17. Juli. So etwas kann man nicht vergessen. (Pause.) Auch er war ein guter Fußballer und so mancher in unserem Heimatverein Fortuna Millingen sagte: „Der Herbert hatte sogar noch mehr Talent als der Jupp.“

War der familiäre Charakter Bochums strategisches Plus in der Konkurrenz zu anderen Vereinen?

Mit Sicherheit. Ata Lameck, Dieter Bast, Jochen Abel, Lothar Woelk, Walter Oswald und wie sie alle heißen. Jeder hat sich mit dem Verein hundertprozentig identifiziert. Dadurch entstand ein unglaublicher Zusammenhalt in der Mannschaft. Es gab Konkurrenz untereinander, aber keinen Neid. Jeder wollte spielen, aber es haben auch diejenigen mitgefiebert, die auf der Bank gesessen haben, was im heutigen Profigeschäft nicht immer der Fall ist. Nur so und mit den Leuten und Charakteren konnte der Mythos der „Unabsteigbaren“ entstehen – und er hat so lange gehalten, wie wir gespielt haben.

Allein die Kameradschaft reichte dennoch nicht aus, um den Verein in der Bundesliga zu halten.

Nein, es gab auch immer wieder Notverkäufe, damit der VfL überleben konnte. Es fing an mit Hans Walitza, Werner Eggeling und schließlich kam auch ich dran. An die Umstände kann ich mich genau erinnern: Es war 1981. Ich hatte gerade beim VfL Bochum verlängert und feierte die Eröffnung des Ladens hier in Emmerich. Werner Altegoer kam zu mir und sagte, dass man mich verkaufen müsste. Es läge ein Angebot von Borussia Dortmund vor, und den VfL drückten mal wieder die Auflagen des DFB. An meinem Verkauf hing plötzlich die Bundesligalizenz. Um 14 Uhr musste die Bestätigung des Transfers beim DFB in Frankfurt sein, und fünf Minuten vor zwei, also quasi fünf vor zwölf für den VfL, unterschrieb ich den Auflösungsvertrag. Mit der Million aus Dortmund war ein weiteres Jahr Bundesliga an der Castroper Straße gesichert, und ich fuhr fortan die B1 ein Stückchen weiter bis zum Dortmunder Westfalenstadion. Ich wollte nicht wechseln, und es war wirklicher ein schwerer Schritt, den ich nur angesichts der großen Krise des VfL gemacht habe. Im Nachhinein habe ich es nicht bereut, denn die drei Jahre in Dortmund haben mir noch einmal einen Einblick in einen anderen Verein und andere Strukturen gegeben. Außerdem habe ich in drei Jahre Dortmund mehr Trainer kennen gelernt als in zwölf Jahren in Bochum.

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