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"Mr. Fallrückzieher" Klaus Fischer im Interview
„Fußball ist ein einfacher Sport“

Klaus Fischer (Foto: firo).
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Herr Fischer, wer ist Ihrer Meinung nach der beste Stürmer aller Zeiten?Das ist für mich Pelé, weil er alles konnte: Er war beidfüßig, er war schnell, technisch versiert und hatte ein gutes Kopfballspiel. Wenn man dagegen nur nach Toren geht, kommt natürlich keiner an Gerd Müller vorbei. Ganz allgemein gibt es verschiedene Arten von Stürmern, und jeder hat seine Qualitäten.

Kann ein Stürmer ein Spiel tatsächlich allein entscheiden?

Ganz allein entscheiden kann er es nicht. Dann müsste er sich ja den Ball von hinten holen, über das ganze Spielfeld laufen, vorne das Tor machen, und das Spiel wird nach dem 1:0 abgepfiffen. Ein Stürmer ist immer auf gute Pässe von Mitspielern angewiesen. Fußball ist ein Mannschaftsspiel, und deswegen tragen immer mehrere Leute dazu bei, ein Tor zu machen.

Arsenals Mittelfeldmann Cesc Fabregas begrüßte Henrys Abgang, da dieser die Mannschaft »eingeschüchtert« habe. Kann ein überragender Stürmer seiner Mannschaft in diesem Sinne schaden?

Klaus Fischer (Foto: firo).

Nein. Ein jeder Spieler muss froh sein, einen Fußballer wie Henry in der Mannschaft zu haben. Und den Erfolg der ganzen Mannschaft muss man bei Arsenal mit Henry in Verbindung bringen, weil er viele Spiele durch seine herausragende Vorbereitungen und Tore vorentschieden hat. Davon profitieren dann auch alle Spieler. Aber natürlich ist jeder auf seiner Position wichtig, und man gewinnt nur, wenn absolut jeder, egal wie er heißt, das Optimale aus sich herausholt.

Sind Defensivspieler trotzdem manchmal eifersüchtig auf die Stürmer?

Dass manche Verteidiger eifersüchtig sind, kann schon sein. Aber in meinem Fall hatte ich nie das Gefühl, dass mir die Tore nicht gegönnt werden. Andere Spieler hatten eben einfach andere Aufgaben und haben diese dann erfüllt, wie z.B. bei Libuda über außen zu kommen und zu flanken. Wenn er eifersüchtig gewesen wäre, dass er nur flankt und ich das Tor machen darf, hätten wir keinen Erfolg gehabt. Genauso darf auch ein Stürmer nicht auf seinen Sturmkollegen eifersüchtig sein, weil der 20 Tore macht und er nur zehn. Das beste Beispiel ist Miroslav Klose: Der beste Stürmer Deutschlands, aber wenn Toni frei steht, spielt er ab, und Toni muss ihn nur noch reinschieben. Kloses Vorarbeiten sind unheimlich wichtig, und das wissen die Trainer und Mitspieler auch zu schätzen. Nur so kommt im Mannschaftsspiel Fußball auch der Erfolg.

Gibt es wirklich dieses »blindes Verständnis«?

Wenn Klose nach innen passt, weiß er meistens, ob Toni da ist. Das kommt durch eine lange Eingespieltheit und das Absprechen untereinander, auch von bestimmten Situationen. So spielen zum Beispiel Mittelfeldspieler oft den Ball in die Tiefe, ohne zu wissen, wo sich der Stürmer genau befindet, wie bei Schalke früher Lincoln auf Aílton. Ein guter Stürmer braucht sowohl Routine und Athletik. Im Laufe der Karriere nimmt das eine zu, das andere ab. Wann ist der Stürmer auf seinem Zenit?

Ein Stürmer ist ungefähr fünf Jahre, nachdem er in der Bundesliga angefangen hat, also mit 25 Jahren, im richtigen Alter. Er muss vorher noch sehr viele Dinge lernen, aber auch später immer weiter an sich arbeiten. Ein gutes Beispiel ist das Kopfballspiel: Wenn man das mal über fünf, sechs Wochen nicht geübt hat, braucht man eine ganze Zeit, bis man wieder drin ist. Deswegen muss man im Fußball trainieren, trainieren, trainieren. Wie kann man das Verhältnis zwischen Stürmern und ihren Gegenspielern beschreiben?

Man lernt die Gegenspieler mit der Zeit kennen und weiß ihre Stärken und Schwächen einzuschätzen. Auf dem Platz fällt auch mal das ein oder andere Wort, besonders wenn es hart zur Sache geht. Aber je mehr man sich aufregt und beim Schiedsrichter beschwert, desto weniger pfeift er für einen. Wenn man aber auch mal etwas hinnimmt – der Schiedsrichter kann ja auch nicht alles pfeifen –, bekommt der Gegenspieler irgendwann eine gelbe Karte. Und wenn er erstmal eine Karte hat, kann er nicht mehr allzu viel machen.

Dann haben Sie natürlich leichteres Spiel.

Dafür muss man sich aber vor dem Spiel mit seinen Gegenspielern beschäftigen. Ich wusste, was auf mich zukommt, wenn ich gegen Beckenbauer, Förster oder Brehme gespielt habe.

Wie stehen Sie zu Schwalben? Sind sie unter dem Stichwort »ausgleichende Gerechtigkeit« im moralischen Gleichgewicht zwischen Stürmer und Verteidiger manchmal gerechtfertigt?

Ich selbst wollte immer das Tor machen. Und wenn ich mal lag, dann war es auch ein Foul – das weiß ich mit hundertprozentiger Sicherheit. Heute fallen Spieler im Strafraum über ihre eigenen Beine und wollen dafür einen Elfmeter haben. Das ist für mich eine Frechheit, und da sollte knallhart durchgegriffen werden.

Verliert man nach vielen Fouls nicht auch manchmal die Lust, wieder aufzustehen?

Man muss einfach immer wiederkommen. Wenn du aufhörst, bist du fehl am Platze. Natürlich gibt es in jedem Spiel Fouls, die nicht gepfiffen werden, aber dann kann man trotzdem nicht liegen bleiben. Ein Spiel dauert 90 Minuten, und man bekommt immer wieder die Möglichkeit ein Tor zu machen und sich auf diese Weise beim Gegenspieler zu revanchieren. Zu unserer Zeit wurde man bei Auswärtsspielen in Offenbach oder Kaiserslautern auch ständig umgetreten. Aber wenn du dann aufhörst zu spielen, kannst du gleich zu Hause bleiben.

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