Nicht immer lassen sich Karrieren genau vorhersagen. Das zeigt das Beispiel von EM-Held Robin Gosens. Und es gibt auch umgekehrte Fälle, wo sich hohe Erwartungen nicht erfüllen. Bereits mit 13 wechselte der gebürtige Stralsunder Nils Quaschner zum FC Hansa Rostock, wurde schnell zum Junioren-Nationalspieler. Das damalige Toptalent schlug Angebote aus Dortmund und aus Wolfsburg aus, um die Red-Bull-Schule zu durchlaufen. 2016 ließ Quaschner sich von RB Leipzig zum VfL Bochum ausleihen, sammelte dort Spielpraxis. Anschließend wollte er beim damaligen Zweitligisten Arminia Bielefeld den Durchbruch schaffen.
Doch der Weg nach ganz oben blieb ihm versagt. Nach Knorpel- und Meniskusschäden in beiden Knien und drei Operationen beendete der Offensivmann mit nur 26 Jahren die Laufbahn. Heute spielt Fußball für den inzwischen 27-Jährigen längst nicht mehr die Hauptrolle. Parallel zu einem Sportmanagement-Studium am IST Studieninstitut Düsseldorf befindet er sich in einer Ausbildung zum professionellen Golflehrer (PGA-Golfprofessional). Sein Tagesablauf ist klar strukturiert. Vormittags sitzt Quaschner, der mit seiner Freundin in Bielefeld wohnt, am Schreibtisch und büffelt für sein Studium. Gegen Nachmittag geht es dann Richtung „Golfclub Teutoburger Wald“ in Halle/Westfalen, wo er im Rahmen seines Studiums noch ein zusätzliches Praktikum absolviert.
„Durch das Golfen habe ich mir eine andere Perspektive eröffnet“, erklärt der frühre Rangnick-Schützling seinen ungewöhnlichen Weg im Gespräch. „Der Sport hat mich schon immer begeistert. Es war mein Wunsch, eine professionelle Basis zu schaffen und an Turnieren teilnehmen zu können.“ Erstmals zum Schläger griff er, als ihn zu seiner Arminia-Zeit seine damaligen Mitspieler Stephan Salger und Stefan Ortega zu einer Einheit mitnahmen. „Am Anfang war ich etwas skeptisch. Aber als Sportler kann man sich schnell mit den Techniken vertraut machen. Daher hat es bei mir sehr schnell klick gemacht“, erinnert er sich. Die Faszination liege für den Ex-Bochumer vor allem darin, dass man stets hochkonzentriert sein müsse: „Wenn man den Ball auch nur einen Millimeter anders trifft, als beim vorherigen Schlag, ändert er komplett seine Flugbahn.“
Von Außen betrachtet könnte man meinen, dass Golf entspannender sei als Fußball. Quaschner sieht das anders: „Ein Profi-Golfer hat einen tausendmal höheren Druck, da man viel mehr Zeit zum Überlegen hat. Beim Fußball trifft man die Entscheidungen impulsiver.“ Auch wenn er heute Fußball im Fernsehen schaue, dann bleibe er dabei eher sachlich und analytisch. Emotionen empfinde er nur, wenn die Spiele des VfL Bochum laufen. „Das war für mich die intensivste Zeit“, erinnert er sich. „Ich komme ja eher aus einer Arbeiterregion und bin mit der Mentalität schnell klargekommen.“
Wehmut angesichts der jüngsten Erfolge seiner früheren Kollegen verspüre er nicht. „Weil ich nie der hundertprozentige Fußballer war und mich immer für andere Dinge interessiert habe“, sei ihm der Abschied leichter gefallen als es bei anderen in ähnlicher Lage der Fall gewesen wäre. Dennoch macht er keinen Hehl daraus, dass ihn die etwa zweijährige Phase des Bangens um die Karriere-Fortsetzung an seine psychischen Grenzen gebracht habe. „Damals bin ich in ein richtiges Loch gefallen, da ich zunächst überhaupt nicht wusste, wie es weitergeht und welche Möglichkeiten mir offenstehen.“
Die naheliegende Frage, ob er sich langfristig eher im Golf oder im Fußball-Business sieht, „möchte ich aktuell noch gar nicht entscheiden“. Denn: „Dazu ist es noch viel zu früh. Ich kann mir zum Beispiel auch sehr gut vorstellen, im Bereich des Fußball-Managements eine Aufgabe zu übernehmen.“ Über ein Praktikum schnupperte er bereits bei „Sports360“ (vorher „SportsTotal“) in das Fußballmanagement rein. Die Agentur beriet ihn schon zu seiner Spielerzeit. „Dort habe ich viele interessante Einblicke gesammelt“, sagt Quaschner, der immer noch Kontakt zu früheren VfL-Teamkollegen wie Patrick Fabian und Felix Dornebusch (jetzt Fortuna Sittard) hält.
Autor: Jörn Duddeck