Im Sommer wird der Vorstand mit Ihnen, Thorsten Binder und Herbert Jöring seine Arbeit beenden. Verspüren Sie schon etwas Wehmut? Nein, bisher nicht. Wehmut kommt nicht auf, die Hektik ist so groß hier, da bleibt keine Zeit.
Was macht denn die Suche nach einem neuen Vorstand? Laut unserer Satzung müssen wir bis zum 1. März eine Nachfolge präsentieren. Ich bin guten Mutes, dass es Leute geben wird, die weitermachen werden. Derzeit sind wir auf der Suche nach Personen, die Lust haben, einen unglaublich geilen Viertligisten zu führen.
In der Regionalliga gibt es aktuell große Probleme. Herkenrath, Wuppertal und Wattenscheid haben finanzielle Schwierigkeiten. Wie bewerten Sie das aus der Ferne? Als 60-jähriger Ruhrgebietler bekomme ich erstmal Pipi in den Augen. Ich bin zu alt, um mich nicht daran erinnern zu können, dass [article=405783]Wuppertal[/article] und Wattenscheid mal großes Kino gespielt haben – wie wir übrigens auch. Damals, als Fußball noch Fußball war. Ich kann es nachvollziehen, dass die drei Vereine sich so verhalten wie sie es derzeit tun. Ich behaupte, dass bis auf zwei oder drei Vereine in der vierten Liga alle anderen auch nicht besser dastehen. Die Regionalliga liegt irgendwo zwischen dem Profi- und dem Amateurbereich. Wenn das so weiter geht, ist es der Tod der vierten Liga.
Ein Risiko mit Maß muss man eingehen, um in dieser Liga ambitioniert spielen zu können, oder? Ich behaupte, dass wir alle ein Risiko eingehen. Die Aufsteiger, die in der Liga bleiben wollen und die Teams, die oben mitspielen müssen, solange wie möglich, um für die Zuschauer überhaupt noch interessant zu sein. Unter normalen Bedingungen würden wir alle solch ein Risiko nicht eingehen.
Also sprechen wir über ein generelles Strukturproblem der vierten Liga? Ja, die Aufstiegsregelung, bei der man als Meister in eine Relegation muss, ist nur ein Teil des Problems. Das Problem ist doch das: Es gibt immer ein oder zwei Vereine, die gesund sind und ein Risiko eingehen können – ohne sich direkt selber von hinten zu erschießen. Für den Rest ist meistens in der Winterpause klar – das war es, es geht nur noch um die goldene Ananas. Wir haben aktuell das Glück, dass wir auf Platz drei sind und theoretisch noch eine Chance haben oben anzugreifen. Vermutlich wird sich das gleich im ersten Spiel gegen Viktoria Köln entscheiden, ob das weiter so sein wird.
Was bedeutet das im Klartext? So geht es nicht. Wattenscheid hat schon länger Probleme. Jetzt Wuppertal. Vielleicht kann man in dieser Liga vier Jahre ambitioniert überleben. Aber irgendwann ist es gut.
Wird es dann irgendwann ein abgestuftes Niveau geben, wo man viertklassig einen Boden findet? Das wird nicht gehen, wenn ein Klub die Ambitionen hat aufzusteigen. Gleichzeitig gibt es Zweitvertretungen der Profiklubs – das sind Millionentruppen – die aufsteigen dürfen. Das geht einfach nicht. Diese Liga ist das Niemandsland zwischen Geld und kompletter Armut.
Ab Sommer sind Sie nicht mehr in der Verantwortung. Was trauen Sie RWO unter den aktuellen Bedingungen zukünftig zu? Wir haben zuletzt etwas abgespeckt. Der Etat der ersten Mannschaft ist in diesem Jahr geringer als in der letzten Spielzeit. Es wird immer wieder den Versuch geben, dauerhaft etwas aufzubauen, um oben anzuklopfen. Aber es ist frustrierend, wenn immer früh in einer Saison klar ist, es gibt nichts mehr zu holen. Es gibt auch keinen Trostpreis, wenn man Zweiter geworden ist, der dann die Leute noch ins Stadion lockt.
Fazit: Es ist nicht einfach.
Es ist immer schwieriger geworden, es wird weiter schwieriger werden. Es gibt Ende Januar erneut eine Zusammenkunft zum Thema Zukunft des Amateurfußballs und der Regionalliga-Reform. Wir sind gespannt. Es ist doch so. Wird dort nichts für die vierte Liga geschafft, wie zum Beispiel ein irgendwie geartetes Bonbon für den Zweiten und Dritten, dann ist die Messe gelesen. Wir haben es letztes Jahr erlebt. Wir hatten die Stimmung hochgehalten durch die Pokalhoffnungen. Die finanzielle Situation, die man derzeit beim WSV oder in Wattenscheid erlebt, betrifft 80 Prozent der Liga. Die Klubs sind nicht pleite, aber alle kommen nur mit Hängen und Würgen durch.
Autor: Christian Brausch