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Fortuna Köln
Vor dem Pokal: Erinnerungen an das Jahr 1983

Fortuna Köln: In Erinnerungen schwelgen
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In der Saison 1982/83 erreichte Fortuna Köln das Pokal-Finale und musste gegen den Stadtrivalen 1. FC ran. Fortuna verlor, fühlte sich aber trotzdem als Sieger.

Zwei Jahrzehnte lang hing im „Bacchus“ ein Schild auf dem stand: „Moralischer Pokalsieger 1983: Fortuna Köln“. Mit stolz geschwellter Brust hatte Präsident Jean Löring es nach der 0:1-Finalniederlage vor 61.000 Zuschauern im ausverkauften Müngersdorfer Stadion im legendären Vereinslokal der Südstädter anbringen lassen. Kapitän Gerd Strack musste bei der Übergabe des Pokals an diesem 11. Juni ein gellendes Pfeifkonzert über sich ergehen lassen, während die Spieler des unterlegenen Zweitligisten eine Ehrenrunde auf der Tartanbahn drehten.

Gefunden auf …

Nicht mit auf die Runde ging der damals 33 Jahre alte Hannes Linßen, heute 344-maliger Fortuna-Spieler, langjähriger Trainer der Südstädter und unumstrittenes Vereins-Idol. „Ich war trotz allem sehr enttäuscht. Ich fand es doof, dass meine Mitspieler das gemacht haben. Eine Ehrenrunde ist nur etwas für Sieger.“ Der Mittelfeldspieler stapfte gleich nach Abpfiff in die Kabine, verpasste die Siegerehrung und die Überreichung der Medaillen, was ihn heute noch wurmt. „1991 stand ich dann als Co-Trainer des FC wieder mit im Finale und da hab ich dran gedacht. Dieses Mal holst du dir die Medaille ab, sagte ich mir vorher.“

After-Show-Party am Ascheplatz

Und auch bei der anschließenden Feier lief nicht alles nach Wunsch für Linßen. „Der Schäng (Löring, d. Red.) wollte nicht so eine elitäre Veranstaltung haben, wie sie der FC zeitgleich abhielt. Stattdessen gab es auf dem Ascheplatz am Südstadion Stände mit Würstchen und Getränken. An dem Tag war es sehr heiß, wir kamen dahin und es waren 5.000 Fans vor Ort. Wir kamen gar nicht zu den Buden durch. Zum Glück hatten ein paar Fans Mitleid mit uns und brachten uns ein paar Kölsch mit.“

Bis zum heutigen Zeitpunkt hat es kein stadtinternes Duell mehr im Endspiel des DFB-Pokals gegeben. Für den FC war es der allerletzte Titel. Auch 30 Jahre später bezeichnet Linßen den Finaleinzug noch „als unglaublichen Erfolg“. Für ihn sei die Elf um Torwart Bernd Helmschrot, Mittelfeldstratege Jürgen Gede und Torjäger Dieter Schatzschneider die beste Fortuna-Mannschaft aller Zeiten gewesen. „Auch wenn unser damaliger Trainer Martin Luppen der Meinung ist, es war die Elf, die 1973 in die Bundesliga aufstieg.“

Aufeinandertreffen mit Jogi Löw auf dem Weg zum Finale

Drei Erstligisten räumte die Fortuna mit Eintracht Braunschweig, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund bis zum Finale aus dem Weg. In der ersten Runde trafen Florian Hinterberger und Bernd Vittinghoff zum 2:0 gegen den SC Freiburg. Auf Seiten der Gäste wirkten Frank Wormuth, mittlerweile Leiter der Fußballlehrerausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie des Deutschen Fußball-Bundes, und Joachim Löw mit. „Er war ein sehr guter, torgefährlicher Fußballer“, so Linßen über den aktuellen Bundestrainer.

Statistik zum Pokalfinale am 11.6.1983: 1. FC Köln: Toni Schumacher, Harald Konopka (81. Holger Willmer), Dieter Prestin, Paul Steiner, Gerd Strack, Stephan Engels, Pierre Littbarski, Herbert Neumann, Klaus Allofs (90. Frank Hartmann), Klaus Fischer, Herbert Zimmermann. Trainer: Rinus Michels Fortuna Köln: Bernd Helmschrot, Jürgen Baier, Dieter Finkler, Hans-Jürgen Gede, Bernd Grabosch, Florian Hinterberger, Michael Kuntze, Hannes Linßen, Herrmann-Josef Werres (71. Robert Hanschitz), Dieter Lemke, Dieter Schatzschneider. Trainer: Martin Luppen Tor: 1:0 Littbarski (68.). Zuschauer: 61.000 (ausverkauft). Schiedsrichter: Werner Engel

Ausgerechnet am Amateuroberligisten SSV Ulm wäre die Fortuna in Runde zwei beinahe gescheitert. 0:0 hieß es nach Verlängerung im ersten Spiel. Im Wiederholungsspiel trafen dann Jürgen Baier, Florian Hinterberger und Hermann-Josef Werres zum 3:0. In der Runde der letzten 16 mussten die Kölner dann nach Braunschweig. „Das war eine Erstliga-Elf mit Potenzial, die um Platz fünf mitspielte. Im Eintracht-Stadion war zu der Zeit kaum zu gewinnen“, erinnert sich Linßen. Die Fortuna kehrte dennoch mit einem 2:1-Erfolg im Gepäck zurück. Nationalspieler Ronald Worm gelang nach den Toren von Dieter Schatzschneider und Gerd Zimmermann nur noch der Anschlusstreffer für den Favoriten. Kurioserweise musste die Partie vorverlegt werden. Mit dem Erreichen des Achtelfinales hatte bei der Fortuna keiner gerechnet. Stattdessen war für die Profis als Weihnachtsgeschenk eine Woche Gran Canaria gebucht worden.

„Löring hat sich nie in die Aufstellung eingemischt, dafür war er viel zu schlau“

Auch im Viertelfinale hatte die Losfee Berti Vogts nichts für die Fortuna übrig. Es ging an den Bökelberg am Karnevalssamstag auf schneebedecktem Boden. Und alles sah nach Endstation Sehnsucht aus. Frank Mill brachte die von Jupp Heynckes trainierte Fohlen-Elf mit 2:0 in Führung. Doch nach dem Wechsel glichen Gerd Zimmermann und Bernd Grabosch aus. Die Entscheidung wurde vertagt. Und Jean Löring freute sich wie ein Schneekönig über 13.500 Zuschauer beim Wiederholungsspiel. „Der Schäng hat sich übrigens entgegen der landläufigen Meinung nie in die Aufstellung eingemischt. Dafür war er viel zu schlau. Dann hätte man ihm ja vorwerfen können, was er da für einen Mist gemacht hätte. Andererseits waren wir froh, wenn er mal als Interimstrainer fungierte, denn bei Siegen gab es dann immer die doppelte Prämie“, plaudert Linßen aus dem Nähkästchen.

Im Wiederholungsspiel traf dann Dieter Schatzschneider per Kopf und vom Elfmeterpunkt aus zum 2:1-Sieg. Lothar Matthäus glückte nur der zwischenzeitliche Ausgleich, ebenfalls per Strafstoß, für die Gladbacher. Und das, obwohl bei der Fortuna mit Gerd Zimmermann, Dieter Finkler und Hans-Jürgen Scheinert drei Abwehrspieler verletzt ausfielen.

Jürgen Grabowski erfüllte der Fortuna dann den Wunsch eines Heimspiels im Halbfinale. Am Ostermontag empfingen die Kölner im mit 14.500 Zuschauern ausverkauften Südstadion Borussia Dortmund. „Einen Tag vorher hatte der FC den VfB Stuttgart besiegt, und wir haben uns das vor Ort angesehen. Das war das i-Tüpfelchen an Motivation für uns. Wir wollten unbedingt dieses kölsche Finale“, sagt Linßen. Großen Respekt hatte die Fortuna vor der Beton-Abwehr des Gegners um Torwart Eike Immel, Rolf Rüssmann, Lothar Huber und Franz-Josef Tenhagen. Aber durch Tore von Dieter Schatzschneider, Dieter Lemke und Jürgen Baier stand es schon nach 33 Minuten 3:0 für den Außenseiter. „Nach der Pause hat Bernd Helmschrot sensationell gehalten. Zwei, drei unhaltbare hat er abgewehrt“, so Linßen. Dieter Schatzschneider und Hermann-Josef Werres erhöhten in den letzten fünf Minuten auf 5:0.

Streit um die Siegprämie vor dem kölschen Pokalfinale

Ausgerechnet im letzten Zweitligaspiel der Saison in Freiburg zog sich Linßen dann eine Wadenzerrung zu. „Das war es mit dem Finale“, sagte er damals zu seiner Frau, die sich eigentlich noch nie für Fußball interessierte. Das wollte sie aber nicht einfach so hinnehmen: „Das versteh ich nicht, du erzählst mir seit Wochen von diesem Spiel und jetzt willst du das einfach so aufgeben.“ Und Linßen, der nach der Saison seine aktive Laufbahn beendete, versuchte fortan, sich mit allen erdenklichen Mitteln fit zu bekommen. „Ich habe alles gemacht, mehr ging nicht. Ich war ständig beim Masseur. Trainer Martin Luppen sagte zu mir: du musst nicht trainieren. Wenn du mir Samstag sagst, es geht, dann spielst du auch. Das nahm den Druck von mir.“

Für deutlich mehr Unruhe sorgte auf Seiten der Fortuna vor dem Finale ein Streit um die Siegprämie. Jean Löring hatte einen Igel in der Tasche. Während die FC-Spieler 15.000 Mark kassieren sollten, gab der Präsident nur 2.000 Mark als Belohnung aus. „Das hielt ich für falsch. Es ging um eine Anerkennung unserer Leistung. Und das Geld hätte der Schäng ja durch einen Sieg auch wieder eingenommen. Damals warst du noch für den Europapokal der Pokalsieger qualifiziert“, erzählt Linßen, der auch gleich mit einer weiteren Mär mal aufräumen will: „Früher hieß es immer, die Fortuna will gar nicht aufsteigen. Das war der größte Blödsinn überhaupt. Da hätten wir Gegner wie Bayern München oder Schalke 04 gehabt. So doof kann man gar nicht sein.“

Trainer Luppen in der Halbzeit: "Wir wollen den Pokal und sonst gar nichts"

Der Rest ist ein großes Stück Kölner Stadtgeschichte. Fortuna Köln, der Zweitligist und krasse Außenseiter spielte sich an jenem 11. Juni rasch in die Herzen des Müngersdorfer Publikums. Bernd Grabosch vertändelte in der ersten Halbzeit die erste große Chance im Strafraum, Hans-Jürgen Gede traf wenig später aus 25-Metern nur die Latte. Der große FC wirkte eingeschüchtert und rettete nur mit Glück das 0:0 in die Kabine. Dort redete Fortunas Trainer Martin Luppen (vor laufender ZDF-Kamera) gebetsmühlenartig auf seine Mannschaft ein – er wollte das trügerische Gefühl in den Köpfen der Spieler austreiben, bereits etwas erreicht zu haben: „Wir wollen uns nicht gut aus der Affäre ziehen. Wir wollen den Pokal und sonst gar nichts“, rief er seiner Mannschaft zu.

Es half bekanntermaßen nichts. Die Fortuna bestimmte die Partie zwar weiterhin, doch Dieter Schatzschneider mit einem Fallrückzieher und Paul Steiner per Hackentrick verpassten den Führungstreffer. Und mit einem Mal war der ganze Aufwand wertlos: Nach 68 Minuten bekam Klaus Allofs einen Pass von Pierre Littbarski in die Gasse und flankte in den Strafraum. Fortuna-Keeper Bernd Helmschrot ließ den Ball fallen und der eingerückte Littbarski beendete die Titelträume der Fortuna.

Die Fortuna resignierte und der FC holte den Pokal, jubelte jedoch verhalten. Denn beim Geißbockclub wusste jeder: Der moralische Pokalsieger hieß Fortuna Köln.

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