Acht Tage vor der Feuerprobe gegen den Weltmeister in München bezwang die Auswahl von Joachim Löw Außenseiter Lettland locker-lässig mit 7:1 (5:0) - der schwache Fußball-Zwerg war in Düsseldorf aber nicht annähernd ein Prüfstein.
Dennoch gewann Löw beim 100. Länderspiel von Kapitän Manuel Neuer eine wichtige Erkenntnis: Seine vermeintliche Turnier-Elf mit Joshua Kimmich auf der rechten Seite vor der Dreierkette funktioniert. Ob die Formation identisch sein wird mit derjenigen, die Wunderknabe Kylian Mbappe und Co. stoppen soll? „Das weiß ich noch nicht“, behauptete Löw, „es kann durchaus sein, dass der ein oder andere noch in die Mannschaft kommt.“
Robin Gosens (19.) und Ilkay Gündogan (21.) sorgten nach einigen vergebenen Chancen per Doppelschlag binnen 86 Sekunden für einen guten Start. Rückkehrer Thomas Müller (27.), ein Eigentor von Lettlands Torwart Roberts Ozols (39.) und Serge Gnabry (45.) erhöhten vor der Pause für die „Titeljäger“, wie die schwarz-rot-goldene Choreographie die Nationalelf taufte.
Joker Timo Werner (50.) erhöhte in der von zahlreichen Wechseln geprägten zweiten Halbzeit, ehe ein Traumtor von Aleksejs Saveljevs (75.) Torwart Neuer das Jubiläum trübte. Der ebenfalls eingewechselte Leroy Sane (76.) sorgte für den Endstand.
Löw brachte gegen die Nummer 138 der Weltrangliste im Vergleich zum 1:1 im ersten EM-Test gegen Dänemark vier Neue: Die Champions-League-Finalisten Antonio Rüdiger, Gündogan und der herausragende Kai Havertz rückten ebenso ins Team wie Toni Kroos nach seiner COVID-19-Erkrankung. Die vielleicht wichtigste Änderung aber war: Er stellte Kimmich erstmals seit dem Confed-Cup-Sieg 2017 für den angeschlagenen Lukas Klostermann auf die rechte Seite.
„Jo hat das Format Philipp Lahm, der konnte alle Positionen ohne Trainingseinheiten besetzen“, sagte der Bundestrainer bei RTL. Wie Gosens links sollte Kimmich „Druck erzeugen, Tempo reinbringen, spielerische Akzente setzen“. Das gelang - seinem Partner auf der anderen Seite aber sogar noch überzeugender. Italien-Legionär Gosens besorgte nach Doppelpass mit Havertz die Führung, sein erstes Länderspieltor.
Havertz leitete auch Gündogans 2:0 ein, sein Treffer zum 4:0 wurde von der UEFA letztlich als Eigentor gewertet. „Kai ist von einer Euphoriewelle getragen“, sagte Löw schon vor dem Anpfiff über den Siegtorschützen des Champions-League-Endspiels. Nach einem Pfostenschuss des aufgerückten Kimmich (26.) „müllerte“ es erstmals seit März 2018 wieder in der DFB-Elf. Damals war der Bayern-Profi gegen Spanien (1:1) ebenfalls in Düsseldorf erfolgreich. „Danke Jogi für Müller & Hummels“, stand auf einem Plakat, das einer der 1000 Zuschauer mitgebracht hatte.
Wie Löw sahen sie viele der Dinge, die der Chef vorgegeben hatte: Konsequentes Pressing, gutes Positionsspiel, stark verbesserte Abschlüsse. Die Defensive um Neuer, für den Löw und die Spieler zum 100. Spalier gestanden hatten, wurde aber fast gar nicht gefordert.
Nach der Pause baute Löw die älteste deutsche Startelf seit 19 (!) Jahren Zug um Zug um: Zunächst die Offensive mit Werner und Sane. Dann die Abwehr mit Niklas Süle, Christian Günter und Emre Can. Die Grundformation änderte Löw jedoch nicht - und auch Kimmich blieb auf rechts. sid