Jochen Schneider ging auf Tauchstation. Der umstrittene Sportvorstand von Schalke 04 lehnte vor und nach der Nullnummer bei Union Berlin alle Interview-Wünsche ab, den Fan-Protest gegen ihn und die Gerüchte um seine baldige Ablösung wollte der 50-Jährige nicht kommentieren. Auch so ist längst klar: Schneiders Aus ist unabhängig vom Schalker Saisonausgang kaum noch zu vermeiden.
Am Freitagabend hatten sich mehrere Hundert Fans vor der Geschäftsstelle versammelt und mit Plakaten („Egal ob Liga eins oder zwei, Jochen, Du bist nicht dabei!“) und Sprechgesängen („Schneider raus! Schneider raus!“) den Rauswurf des glücklosen Managers gefordert. Schneider soll sein Büro verlassen und draußen mit den aufgebrachten Anhängern diskutiert haben.
„Ich finde es schade, er hat sich in der Transferzeit nochmals unglaublich eingesetzt“, sagte Trainer Christian Gross nach dem 0:0 des abgeschlagenen Bundesliga-Letzten bei Union im ZDF: „Er setzt sich Tag und Nacht für diesen Verein ein.“
Die Frage ist nicht mehr, ob sich Schalke von Schneider trennt, sondern wann
Mangelndes Engagement wirft auch niemand Schneider vor, dafür aber die zahlreichen personellen Fehlentscheidungen und Kommunikations-Pannen. Die Frage ist nicht mehr, ob sich Schalke von Schneider trennt, sondern wann. Der Klub sucht fieberhaft nach einem neuen Sportdirektor, der sofort oder zur neuen Saison Schneiders Aufgaben übernehmen könnte. Eine interne Lösung wäre Peter Knäbel, Direktor der Knappenschmiede.
Schneider, dessen Wirken auf Schalke auch vor dem Hintergrund des hohen Schuldenbergs und der Fehler seiner Vorgänger zu sehen ist, will im Falle einer Trennung keine Belastung für den Klub sein. „Generell wird es bei mir nie um eine Abfindung gehen“, hatte er vor einiger Zeit gesagt: „Wenn ich irgendwann nicht mehr eine Minute für Schalke 04 arbeite, will ich auch kein Geld.“
Ob die Spieler auch so denken? Der Auftritt bei Union zeigte zumindest, dass sich das Team gegen den Absturz in die Zweitklassigkeit wehrt - doch das allein reicht nicht. Dass der fünfmal (!) suspendierte Nabil Bentaleb in Berlin nach knapp drei Monaten Individualtraining sofort in die Startelf rückte, war auch ein Akt der Verzweiflung.
„Wir sind im Sturm auf dem Meer, da brauchen wir alle Matrosen“, sagte Trainer Gross achselzuckend. Bentaleb spielte in der ersten Halbzeit ordentlich, ehe ihm die Kraft ausging.
Am kommenden Samstag kommt es nun zum Krisen-Derby gegen Borussia Dortmund, es könnte das vorerst letzte Duell gegen den Erzrivalen sein. Für Schalke zählt nur ein Sieg, ansonsten wirken Durchhalteparolen wie die von Gross („Die Hoffnung stirbt definitiv zuletzt“) oder Torhüter Ralf Fährmann („Kopf nicht in den Sand stecken“) nur noch lächerlich. Und die Fan-Wut würde bei einer Pleite nicht nur den Sportvorstand treffen. sid