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Peter Neururer im großen RevierSport-Interview
"All das, was ich gesagt habe, würde ich jederzeit wiederholen. Dazu stehe ich!"

Peter Neururer im großen RevierSport-Interview
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Nein, Langeweile hat Peter Neururer wirklich nicht. Am heutigen Donnerstag reist der Fußballlehrer mit seiner Familie nach Catania in Italien, wo er bei der Hochzeit seines ehemaligen Bochumer Spielers Peter Madsen zu Gast ist. Ab dem 1. Juli weilt er dann wieder für knapp eine Woche auf Mallorca, ist einer der prominenten Trainer in Rudi Völlers Fußballschule in Cala Millor. Keine zwei Wochen ist es her, als er mit ein paar guten Kumpels auf einer Harley Davidson durch Michigan/USA düste. Und gerade zurück im Revier, schob er mit seiner Frau ein paar Tage auf Mallorca ein.

Schalke und Bochum waren zwei Stationen Ihrer wechselvollen Karriere und natürlich auch zwei Leidenschaften, in beiden Vereinen sind Sie Mitglied. Wie beurteilen Sie die abgelaufene Saison des S04 und des VfL?

Ich fange mal bei Schalke an: Vom Verlauf der Saison war es enttäuschend, dass es nicht zur Meisterschaft gereicht hat. Eigentlich war die Entwicklung sensationell gut, bis dahin, als Sie Platz eins übernommen haben. Leider konnte die Mannschaft die Leistung nicht bis zum letzten Spieltag halten und dass die Führung ausgerechnet in Dortmund abgegeben wurde, war natürlich für alle Schalker absolut bitter.

Trägt Schalke nun ein Loser-Image mit sich herum, das es erstens so schnell nicht mehr los wird und zweitens bei den Nachbarn, besonders in Dortmund, für besonders viel Schadenfreude sorgt?

Ach was, so etwas wird gerne als Argument angeführt, hat aber nichts zu sagen. Gerade bei Schalke war außer Gerald Asamoah doch keiner mehr von 2001 dabei. So kann sich keine Sieger-Mentalität entwickeln, wenn ich als Trainer den Spielern auch noch das Gefühl gebe, sie können das und das nicht schaffen.

Über "Ihren" VfL singen die eigenen Fans gerne: ‘Wir steigen auf, wir steigen ab und zwischendurch UEFA-Cup!‘ Das hat auch etwas Fatalistisches!

Richtig, bei sechs Abstiegen ist das auch nicht wirklich ein Wunder, sollte aber, wie im Falle von Schalke, nicht als Alibi für schwache Leistungen herangezogen werden. Der VfL hat für mich eine sensationelle Saison gespielt. Man muss ja gucken, wie miserabel die Mannschaft in die Saison gestartet ist. In einem anderen Umfeld hätten die Verantwortlichen sicher schon anders reagiert. In Bochum war das nicht so und das ist gut so. Wenn in der Winterpause einer gesagt hätte, Bochum landet am Ende der Saison auf Platz acht, jeder hätte ihn für verrückt erklärt. Der VfL hat das Optimale aus seinen Möglichkeiten rausgeholt.

Gott ist doch auf Schalke, doch er nicht mehr, sondern in Istanbul: Lincoln (Foto: firo)

Diskussionen gibt es auf Schalke gerade verstärkt um den bevorstehenden Abgang von Lincoln!

Mir klingeln die Ohren, wenn ich an Sprüche denke wie 'den sollte man mit der Schubkarre wegbringen'. Aber wenn er wirklich geht und es läuft sportlich mal nicht, dann sind das die ersten, die schreien: Wie konnte man einen solchen Mann nur gehen lassen?

Ist der Fußball heute so schnelllebig geworden, dass das Große und Ganze gar nicht mehr gesehen wird?

Die Kurzfristigkeit ist vorgegeben. Mittelfristigkeit bedeutet heute schon, wenn man an das nächste Spiel denkt. Armin Veh ist das beste Beispiel dafür: Er wurde als Überganstrainer bezeichnet, startete denkbar schlecht in die Saison und war so gut wie gefeuert. Und was passiert? Er wird Deutscher Meister. Es setzt sich nur derjenige Verein durch, der in der Führung Stärke zeigt. Unabhängig davon, was im Umfeld geredet oder geschrieben wird.

In dieser Hinsicht schwärmen Sie noch immer vom VfL-Vorstand!

Nur in Bochum habe ich eine Führung gehabt, die zu 100 Prozent zu mir gestanden hat. Dabei herausgekommen ist ein Aufstieg, ein neunter Platz, der UEFA-Cup-Einzug inklusive tragischem Ausscheiden und danach eine Pause, die passiert, wenn in Bochum Leistungsträger verkauft werden müssen. Wo gibt es solche Vereine, bei denen man die Chance hat? Es müsste eine Bewusstseinsveränderung von Statten gehen, aber ich glaube nicht mehr daran. Ich habe in Bochum Entwicklungen erlebt, wie den Bau des Stadioncenters, neue Trainingsgelände und plötzlich traumhafte Bedingungen im Umfeld, die meißeln sich automatisch ins Gedächtnis. Da könnte ich 30 Mal Meister werden, 10 Mal die Champions League gewinnen, das ist ein Gänsehautgefühl, das lässt sich nicht steigern.

In der Schlussphase der Saison wurde das Verhältnis zwischen den Schalker-Fans und denen aus Bochum und Dortmund stark belastet, noch immer schlägt dieses Thema hohe Wellen. War die Stimmung bei den Derbys von Hass geprägt?

In Bochum war die Atmosphäre eine rivalisierende, aber keine unsportliche. Der VfL brauchte die Punkte, musste gewinnen. Von Hass, der eh nicht in den Sport gehört, war nichts festzustellen. Aber in Dortmund war das anders. Das war ganz schlimm. Auf der Gegentribüne wurden aggressive Handlungen vorgenommen, so etwas habe ich in den letzten Jahren auch nicht erlebt.

Dortmunder Häme, die die Schalker Seel böse verletzt hat (Foto: firo).

Von der oft zitierten Ruhrgebietsmentalität ist also keine Spur mehr?

Das hängt auch vom Standort in der Tabelle ab. Schalke hat Dortmund so weit rechts überholt, das ist kaum noch zu fassen. Identität im Revier tritt dann auf, wenn es gegen Bayern gehen würde. Stuttgart hat eine sympathische Rolle gespielt, außerdem berühren sie uns nicht im Revier. Bayern ist das Feindbild, obwohl das der bestgeführte Verein ist. Aber Schalke, Bochum und Dortmund bieten Berührungspunkte, beispielsweise im Büro. Solange alles sportlich fair abläuft, ist das wunderbar. In Dortmund war das nicht der Fall. Aber mal ehrlich: Wenn der vermeintliche Schalke-Fan sagt, dass er Dortmund den Abstieg gönnt, dann hätten ihm die zwei Derbys in der kommenden Saison schon gefehlt. Unsere Region lebt einfach von diesen Derbys.

Wird man Sie auch in Zukunft auf den Tribünen des Reviers sehen?

Ich hoffe nicht ganz so lange, das würde ja bedeuten, dass ich immer noch frei bin. Aber sonst habe ich das immer so gehalten, dass ich nur zu Vereinen im Revier gefahren bin. Wenn ich in Stadien gehe, heißt es gleich, dass ich einen Job suche. Aber Trainer werden gefunden, da habe ich doch keinen Einfluss drauf. Meine Verpflichtung ist es doch, dass ich mich informiere, mir die Spiele angucke. Ich kann sonst nicht sagen, dass ich einen Verein übernehmen werde, aber leider hab ich diesen noch nie gesehen. Und hier im Pott habe ich das nicht, werde einfach akzeptiert. Deswegen fahre ich höchstens mal zu Länderspielen in andere Arenen.

Interview: Heiko Buschmann und Sarah Landsiedel

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