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Peter Neururer im großen RevierSport-Interview
"All das, was ich gesagt habe, würde ich jederzeit wiederholen. Dazu stehe ich!"

Peter Neururer im großen RevierSport-Interview
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Nein, Langeweile hat Peter Neururer wirklich nicht. Am heutigen Donnerstag reist der Fußballlehrer mit seiner Familie nach Catania in Italien, wo er bei der Hochzeit seines ehemaligen Bochumer Spielers Peter Madsen zu Gast ist. Ab dem 1. Juli weilt er dann wieder für knapp eine Woche auf Mallorca, ist einer der prominenten Trainer in Rudi Völlers Fußballschule in Cala Millor. Keine zwei Wochen ist es her, als er mit ein paar guten Kumpels auf einer Harley Davidson durch Michigan/USA düste. Und gerade zurück im Revier, schob er mit seiner Frau ein paar Tage auf Mallorca ein.

Warum haben Sie als Verantwortlicher für die Spieler nicht eingegriffen und die Einnahme solche Stimulanzien verboten oder sich gleich an die Öffentlichkeit gewandt?

Ich habe ja gesagt: Hört auf mit dem Scheiß. Es wurde aber nicht als Doping angesehen, das hat keiner thematisiert. Und jetzt denken Sie mal daran, dass ich mit 29 Jahren als ganz junger Trainer angefangen habe. Wenn ich das gemacht hätte, wäre das doch mein letzter Arbeitstag gewesen. Besonders schlau wie wir waren, gerade von der Uni gekommen, wollten wir unser frisch erworbenes Wissen um den Fußball anwenden. Da gehst du eben nicht hin und stellst diese Dinge an den Pranger, zumal, wie ich schon erwähnt habe, Doping kein Thema war.

Sprach von vor Peter Neururer von Doping im Fußball der 1980er Jahre: Jens Lehmann (Foto: firo)

Gerard Kuipers war in den 80er Jahren Masseur auf Schalke. Er hat ausgesagt, ihm wäre ‘das ein oder andere aufgefallen. Die Spieler waren hoch motiviert und sind gerannt wie wahnsinnig‘!

Er war vor und nach meiner Trainerzeit Physiotherapeut auf Schalke. Deshalb kann ich dazu nichts sagen, aber ich wiederhole mich gerne: Bei Schalke ist mir in der Hinsicht nichts aufgefallen.

Ist es nicht egal, ob dieser Betrug am Sport 17 oder 20 Jahre her ist?

Da kommen wir schnell zu einer Diskussion, ob Doping überhaupt vertretbar ist. Ich wundere mich nur darüber, dass eine Geschichte, die so lange her und juristisch viermal verjährt ist, auf einmal solche Wellen schlägt. Und weil es über 20 Jahre her ist, sehe ich aus ethisch-moralischen Gründen keine Veranlassung, Namen zu nennen. Aber jetzt kommt ein ganz schlauer Mensch wie Herr Kindermann und fordert, ich solle meine Lizenz abgeben. Dabei haben vorher Leute wie Franz Beckenbauer, Toni Schumacher, Joachim Löw und Jens Lehmann offen und konkret über Doping im Fußball gesprochen, ohne dass vergleichbare Konsequenzen gefordert werden. Da frage ich mich schon, was das soll, ist das vielleicht eine Kampagne?

In wie weit ist die Diskussion über Doping im Sport überhaupt eine scheinheilige, wenn man gerade die Geständnisse der Radsportler in den vergangenen Tagen sieht?

Zunächst gibt es da einen ganz klaren Betrug an der Sportart, am Konkurrenten, am Wettbewerbsgedanken und der Raubbau am eigenen Körper. Das ist für mich moralisch nicht in Ordnung. Diese unglaubliche Scheinheiligkeit besteht jedoch darin, dass sich alle, von Bjarne Riis bis Marco Pantani, in dem Erfolg gesonnt haben. Nun wird auf einmal mit dem Finger auf Leute gezeigt, von denen doch jeder wusste, dass da etwas getan wird. Erinnern Sie sich nur an die letzte Tour de France, als Floyd Landis nach einer Etappe völlig zusammengebrochen ist. Das ist bei diesen Strapazen eine für mich völlig verständliche körperliche Reaktion. Dann geschah plötzlich die Weltrekord-Regeneration und er ist bei der nächsten Etappe allen weggefahren. Das ist mit normalen Mitteln und noch so viel Kohlehydraten nicht möglich. Und nun wird Riis der Toursieg aberkannt, aber was ist mit dem Zweiten?

Glauben Sie aufgrund der recht umfangreichen Geständnisse an einen Selbstreinigungsprozess, der gerade dem Radsport wieder zu einem besseren Image verhelfen kann?

Wenn der Wettbewerb so bleibt, wie er ist, dann bin ich sehr skeptisch. Die Zuschauer wollen Top-Leistungen sehen und die Medien darüber berichten. So ist es nun einmal. Ich weiß aber, dass es mit normalen Mitteln nicht möglich ist. Warum macht man als Leichtathlet Höhentraining oder eine Eigenblut-Therapie?

Und wie ist es im Fußball?

Ich bin davon überzeugt, dass der Fußball sauber ist. Wenn einer, wie damals Roland Wohlfarth, mal ein Nahrungsergänzungsmittel genommen hat, dann war das eine Dummheit, aber der will doch nicht bewusst betrügen. Und was nützt es zum Beispiel, wenn ein Torwart Captagon nimmt? Der neigt dann doch nur zu Überreaktionen. Raimund Aumann hatte zum Beispiel mal bei einem Spiel Zahnschmerzen ohne Ende, aber er durfte nicht spielen, denn er hätte Schmerzmittel nehmen müssen, die auf der Dopingliste standen. Deshalb plädiere ich dafür, dass man bei einer notwendigen medizinischen Indikation diese Mittel anwenden darf. Ich weiß aber auch, dass dann ganz schnell die Grenzen verschwimmen könnten.

Anderes Thema: Um den Trainer Peter Neururer ist es still geworden. Werden Sie nicht langsam wahnsinnig, dass Sie derzeit ein großes Thema sind, aber eben nicht so, wie Sie es sich wünschen?

Bis zum 30. Juni läuft ja noch mein Vertrag mit Hannover 96. Aber ich will arbeiten, ganz klar, das weiß jeder, der mich kennt. Ich hatte in letzter Zeit mehrere Angebote aus dem Ausland, aber da war noch nichts dabei, was mich richtig berührt hat.

Zum Beispiel?

Es gab Angebote aus Nigeria und Ägypten, wo ich hätte Nationaltrainer werden können. Aber das ist nicht mein Ding. Wenn ich nicht emotional hinter einer Sache stehe, dann kann ich das meinen Spielern auch nicht glaubhaft rüberbringen. Verbandsarbeit ist ohnehin nichts für mich. Ich möchte jeden Tag auf dem Platz stehen. Nehmen wir Jogi Löw als Beispiel. Er hat immer nur begrenzte Zeit, um mit seinen Spielern zu arbeiten und muss sich ansonsten auf die Arbeit der Bundesligatrainer verlassen.

Wann läuft die Uhr für einen Trainer, der schon lange im Geschäft ist und bei zahlreichen Vereinen gearbeitet hat, ab?

Ich bin in einem Alter, das in dem Job noch akzeptabel ist. Mit über 500 Spielen als Bundesligatrainer habe ich eine gewisse Erfahrung, die bei manchen Verantwortlichen gefragt ist. Ich habe Kalli Feldkamp letztens auf dem Flughafen getroffen, er ist nach Malaga geflogen und ich nach Mallorca. Ich habe ihm gesagt: ‘Glückwunsch, Kalli!‘ Das ist doch klasse, dass er Galatasaray übernommen hat. Er ist zwar laut Pass 73, aber gefühlt höchstens 50. Wieso sollte er also nicht mit Erfolg arbeiten?

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