Karsten Neitzel ist ein Mann der Tat. Über Fußball wird oft und viel geredet, aber so wirklich kümmere er sich nicht darum, behauptet der RWE-Coach. Fußball kann manchmal so einfach sein: „Hast du Erfolg, ist alles gut. Verlierst du, ist alles schlecht“, formuliert der Fußballlehrer mit feiner Ironie. Doch so einfach will und kann er es sich natürlich nicht machen.
Schönreden können sie an der Hafenstraße aber auch nichts, die Zahlen und Ergebnisse der Hinrunde sind eindeutig. Vor allem drei Bilanzen schrecken auf: Rot-Weiss hat aus den letzten elf Spielen nur neun Punkte geholt. Bei den letzten sechs Heimspielen sprangen lediglich zwei Punkte heraus. Und ja, gegen Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel holte RWE nur einen einzigen Zähler und zwar gegen RWO (1:1).
Nicht alles grundsätzlich schlecht
Soweit die Oberfläche. Wer näher hinschaut, wird erkennen, dass nicht alles grundsätzlich schlecht war. „Ich fand auch unsere erste Halbzeit gegen Düsseldorf normal“, sagt Neitzel. Es stand zur Pause 1:1, die Gastgeber hatten leichte Vorteile und die besseren Chancen. Am Ende stand aber das 1:3, der Schlusspunkt einer sehr enttäuschenden Hinrunde.
Man habe die erste Serie analysiert und Maßnahmen getroffen, sagte Sportdirektor Jürgen Lucas unter der Woche. Welche, das wollen die Verantwortlichen nicht offenlegen. Straftraining war’s nicht. „Davon wird es auch nicht besser“, ist Neitzel überzeugt. Er muss die Einheiten sogar wohl dosieren, denn durch die dünne Personaldecke sind immer wieder die gleichen Spieler gefordert.
Auch zum Rückrundenauftakt gegen den SV Rödinghausen an diesem Samstag (14 Uhr, Hafenstraße) ist die Personalsituation fast unverändert. David Jansen zwickt nun die andere Achillessehne, so dass der Mittelstürmer wieder ausfällt.
„Wir müssen gewinnen“, wiederholt Neitzel einige Male. Es wäre wichtig, denn Rot-Weiss steht ziemlich unter Druck, weshalb wohl eher der Psychologe gefragt ist. Der Trainer wird versucht haben, seine Spieler aufzurichten. Kopf hoch, Brust raus. „Wir dürfen nicht mit vollen Hosen auf den Platz gehen, denn dann wird es schwer.“ Die Spieler müssten wieder Selbstvertrauen tanken durch kleine Erfolgserlebnisse „Wir müssen die einfachen Dinge richtig machen. Jeder gewonnene Zweikampf, jedes gewonnene Dribbling, jeder vernünftige Abschluss und jede Pressingaktion. An allem müssen wir uns hochziehen.“
Zuletzt sprach Neitzel häufiger von einem Rucksack, den seine Jungs mit sich herumschleppten. Es spielt sich halt lockerer mit leichtem Gepäck. „Wir brauchen eine klare Strategie und dürfen keine Angst haben, Fehler zu machen. Fußball muss Spass machen, auch wenn es Gegenwind gibt.“
Erfolgserlebnisse bringen Selbstvertrauen, aber selbst Negatives könnte motivieren. Die Essener sollten sich an das Hinspiel gegen SVR (1:2) erinnern. Es lief sehr unglücklich. Neuzugang Kevin Freiberger riss sich in der ersten Minute das Kreuzband, Rödinghausen erzielte durch Torjäger Simon Engelmann die Führung. RWE kam zurück, war dem gleichfalls ambitionierten Gastgebern mindestens ebenbürtig, versiebte aber in der vierten Minute der Nachspielzeit durch Platzek und Wirtz eine tausendprozentige Chance zum Punktgewinn.
Heute wird der SVR gefeiert und kassiert viel Lob. Er ist Tabellenvierter bis auf einen Punkt gleichauf mit BVB II (2.) und RWO (3.). Rödinghausen hat im DFB-Pokal den Zweitligisten Dynamo Dresden ausgeschaltet (3:2) und dem FC Bayern die Stirn geboten (1:2). Und die Ostwestfalen stellen das beste Auswärtsteam. „Rödinghausen hat eine gute Mannschaft“, lobt auch Neitzel. Zumindest im Hinspiel war RWE nicht schlechter.
Autor: Rolf Hantel