Gladbach ist Tabellen-Zweiter

Borussia jagt nun Borussia

Lars Stindl hat neulich eine Patenschaft für ein Straßenfußballprojekt übernommen. „Streetsoccer De Kull“ organisieren ein Jugendhilfeträger und die Stadt Mönchengladbach. Auf Minispielfeldern werden in offenen Trainingseinheiten auch die Talente von morgen gesucht. Borussia Mönchengladbachs Kapitän will des Öfteren vorbeischauen — und vielleicht einen Unentdeckten erkennen, fördern und von Gladbach überzeugen. Doch bleibt ihm dafür demnächst die nötige Zeit und Muße?

Genau ein halbes Jahr nach seinem letzten Heimspiel führte der lange verletzte Nationalspieler seine Gladbacher wieder in den Borussia-Park. Beim 4:0 über den FSV Mainz 05 bereitete Stindl drei Treffer vor, zwei davon für den dreimaligen Torschützen Jonas Hofmann. „Es ist ein tolles Gefühl, für eine harte Zeit so belohnt zu werden“, erklärt der 30-jährige Angreifer mit Blick auf die eigene Statistik. Und auf eine Bundesliga-Tabelle, die Gladbach als ersten Verfolger von Spitzenreiter Dortmund ausweist. Borussia jagt jetzt Borussia.

Für Stindl, aber auch für den dreimaligen Torschützen Jonas Hofmann ist dies eine große Chance, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Topleistungen bei einem Topteam machen schließlich immer noch mehr Eindruck als bei einer Mittelmaß-Mannschaft oder gar einem Abstiegskandidaten. Bis zu seinem Syndesmosebandriss auf Schalke am 28.?April war Lars Stindl ein Kandidat für das WM-Aufgebot von Bundestrainer Joachim Löw. Der Spätstarter hatte Deutschland beim Confed-Cup im Jahr zuvor in Russland zum 1:0 über Chile im Finale geschossen, hatte seine Chance genutzt.

Über Gladbach würde der einstige Hannoveraner gern den Weg zurückfinden in den Kreis der DFB-Auswahl. Und am liebsten gleich Hofmann mitnehmen. Den hat Bundestrainer Löw zuletzt in seine Zukunftsgedanken mit eingeschlossen. Was der Ex-Dortmunder, der in der U18 und der U21 den Adler-Dress tragen durfte, weglächelt: „Wenn mir jetzt noch ein Viererpack gelingt, dann denke ich nochmal drüber nach“, versichert der 26-jährige Heidelberger. Was er vermutlich gar nicht unter Beweis zu stellen braucht. Der Nationalelf scheint derzeit jeder Profi mit deutschem Pass recht zu sein, der das gegnerische Tor zu treffen in der Lage ist. Gladbachs Trainer Dieter Hecking traut Jonas Hofmann den Sprung in den erlauchten Kreis zu. „Gegen Mainz“, sagt Hecking mit westfälisch trockenem Humor, „hat sich Jonas jedenfalls nicht rausgespielt.“

Der Trainer lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass er Hofmann für einen kompletten Spieler hält, der in den vergangenen beiden Jahren so oft unter seinen Möglichkeiten geblieben war. Aus welchen Gründen auch immer. „Jonas“, bekräftigt Hecking, „kann auf dem Platz eigentlich alles. Bei ihm kommt es sehr auf das Vertrauen an, das er von außen spürt.“ Das feste Vertrauen ins neue Gladbacher Spielsystem, das den Spaß am Spiel im Vorwärtsgang so vortrefflich beflügelt, haben Jonas Hofmann und auch Lars Stindl. Das gegen Mainz von Hecking verordnete 4-1-2-3 begeisterte die über 51.000 Fans im Borussia-Park.

Drei Angreifer mit Stindl, Thorgan Hazard und Alassane Pléa standen auf dem Platz, dazu zwei offensive Mittelfeldspieler mit Hofmann und Florian Neuhaus, Außenverteidiger wie Michael Lang und Oscar Wendt mit Vorwärtsdrang, Innenverteidiger wie Matthias Ginter und Nico Elvedi mit dem Ziel, bei Ecken oder Freistößen im gegnerischen Strafraum zuzuschlagen.

„Wenn wir defensiv noch stabiler werden, ist einiges möglich“, sagt Trainer Hecking. Für Gladbach ein Top-Platz, für Hofmann und Stindl die Nationalmannschaft. Die Straßenfußballer würden ihren Paten dann aber weniger als gedacht zu Gesicht bekommen.

Autor: Michael Ryberg