RS sprach mit Sportvorstand Christian Hochstätter über die ersten Erfahrungen und Ziele des Projektes.
Christian Hochstätter, drei Monate sind seit der Abschaffung der U23 vergangen. Eine schwierige Entscheidung? Es war keine schwierige Entscheidung, die U23 abzuschaffen. Ich bin schon seit 15 Jahren kein Freund von U23-Mannschaften. In den ersten drei Monaten konnten wir sehen, dass die jungen Spieler aus der U17 und U19 durch das Profitraining deutliche Fortschritte machen. Das sieht man im Übrigen auch in den Tabellen der U17 und U19.
Geld verdienen wird beim VfL schwierig
Christian Hochstätter
Für ein Zwischenfazit ist es aber noch zu früh? Wir müssen ein, zwei Jahre abwarten, damit man sehen kann, ob es nachhaltig ist. Ich glaube, dass es so sein wird. Uns ist es gelungen mit Görkem Saglam und Cagatay Kader, deren Verträge ausgelaufen wären, zu verlängern. Sie sehen, dass sie hier regelmäßig bei den Profis mittrainieren können und der Weg in den Profikader kurz ist.
Mit Michael Maria und David Niepsuj sind noch zwei Spieler aus der ehemaligen U23 dabei. Beide sind mittlerweile Nationalspieler. Wir haben sie übernommen, weil wir uns die beiden Spieler noch mindestens ein Jahr anschauen wollten. Bei beiden ist zu erkennen, dass sie auf einem guten Weg sind. Auch Niepsuj stand schon im Kader der Profi-Mannschaft. Es ist sicher so, dass die jungen Spieler merken: Wenn man Leistung bringt, wird man belohnt.
Wäre es dem VfL ohne das neue Konzept gelungen, das ehemalige U17-Trio Görkem Saglam, Evangelos Pavlidis und Gökhan Gül, der vorher schon verlängert hatte, zusammenzuhalten? Das kann ich nicht beurteilen. Ich persönlich glaube, dass Spieler wie Leon Goretzka keine U23 brauchen. Sie gehen sofort durch in die Profimannschaft. Das sind die Spieler, die uns logischerweise interessieren. Ich weiß, dass die Jungs in erster Linie bei den Profis sein wollen. Die U23 wird auch bei den Spielern irgendwie als Stiefkind angesehen.
Gehen sie als Verein deswegen einen anderen Weg? Ausbildung ist keine Einbahnstraße, sondern ein Verein muss das tun, was er selbst für richtig hält und was seiner Philosophie entspricht. Das ist nicht immer dasselbe, was andere Vereine machen. Wir haben unserem Klub im Januar 2015 eine neue Philosophie gegeben und die Entwicklung schreitet voran.
18 Testspiele sind bislang absolviert, und die U19-Spieler kommen auch dann 15 bis 20 Minuten zum Einsatz, wenn sie am Vortag für die U19 gespielt haben. Die Verzahnung funktioniert wohl. Es ist keine Verzahnung, sondern eine Priorisierung. Der erste Fokus liegt auf der Lizenzspielermannschaft und alles andere steht erst einmal hinten an. Wenn wir ein Spiel mit der ersten Mannschaft haben, wollen wir unsere jungen Spieler auch oben ausbilden. Also spielen sie mit den Profis. Danach kommt erst die U19. Uns ist es wichtig, dass der Spieler merkt, die Priorität liegt bei der ersten Mannschaft – und er ist dabei.
Unsere Priorität liegt darauf, dass wir ein Ausbildungsverein sind
Christian Hochstätter
Auch der Trainer- und Betreuerstab hat sich beim VfL verändert. Man spart natürlich auch Geld, wenn man keine U23 mehr hat. Wir haben uns entschieden, dass wir uns im individuellen Bereich verbessern müssen. Das ist der Grund, warum wir Jörn Menger und Rexhep Kushutani zur Lizenzspielermannschaft geholt haben. Beide arbeiten seit Jahren in der Jugendabteilung, nur hat sie keiner gesehen. Wenn man sieht, wie beide mit dem Trainer zusammenarbeiten und Prioritäten setzen, dann kann der Verein stolz sein, dass diese Mitarbeiter nicht von außen kommen müssen, sondern aus dem Verein.
Die angesprochenen Veränderungen sollen nicht nur intern, sondern auch extern wirken. Talente sollen gelockt werden. Es gibt sicherlich einzelne Signale, dass Spieler sich lieber für den VfL Bochum entscheiden. Hier trainieren sie bei den Profis mit. Das bekommen sie woanders nur sporadisch. Wir kümmern uns um die Schule und trainieren auch deswegen überwiegend nachmittags. Ich kenne das bei anderen Vereinen nicht. Wenn wir dieses Alleinstellungsmerkmal nachhaltig haben, dann wird uns das sicherlich helfen.
Trotz aller Ideen kann man sicherlich nicht alle Spieler halten – Fechner und Karakas seien genannt. Abgänge wird man sicherlich nicht verhindern können. Dafür ist die Konkurrenz gerade im Westen zu groß. Die wirtschaftliche Kraft von Leipzig kommt hinzu. Man kann nicht sagen, dass ein Karakas oder Fechner den Sprung bei Bochum geschafft hätten. Das weiß man einfach nicht. Wir haben eine gute Ausbildung und die Spieler erhalten eine Chance.
Eine gute Ausbildung kann man beim VfL genießen. Wer viel Geld verdienen will, sollte sich eher einen anderen Klub suchen... …definitiv. Geld verdienen wird bei uns schwierig sein. Ich betone es nochmals: Wer an Geld denkt, denkt kurzfristig. Wer an seine Ausbildung und Perspektive denkt, wird sein Geld über kurz oder lang verdienen. Ob das in Bochum oder woanders ist, sei dahingestellt. Wie in jedem Beruf ist es entscheidend, dass man eine gute Ausbildung hat. Der VfL Bochum kann das garantieren.