Schalke 04 hat mit dem Einzug von Sportvorstand Christian Heidel und Trainer Markus Weinzierl in den Ernst-Kuzorra-Weg 1 einen Umbruch erlebt, der vordergründig vor jeder Kritik schützt. Natürlich braucht jeder Umbruch Zeit. Heidel holte eine halbe Mannschaft dazu, Weinzierl führte eine neue Spielphilosophie ein. Sogar die dritte Sinnkrise der Saison, die der FC Schalke seit dem 0:3 von Bayern und dem 2:4 von Mönchengladbach durchläuft, könnten Verein und Fans ertragen — wenn, ja wenn Besserung in Sicht wäre.
Aber im Moment ist die Abstiegszone näher als die Qualifikation zur Europa League.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat schon recht, wenn er am Sonntagmorgen im Sport1 Doppelpass Schlimmes befürchtet: Im Sommer ist der nächste Umbruch fällig und fast unausweichlich. Die Verträge von drei wichtigen Spielern laufen aus — die von Huntelaar, Choupo-Moting, Konoplyanka (er soll laut Manager Heidel gehalten werden) und Kolasinac. Ein Jahr später die Verträge von Goretzka und Meyer. Selbst wenn Heidel diese Spieler halten und mit guten Verträgen ausstatten möchte: Bei einem Verein, der nicht international spielt, ist das eigene Personal besonders wechselwillig.
Und wer, der etwas auf sich hält, wechselt zu Schalke ohne Europacup-Teilnahme? Doch nur die Spieler, die entweder anderswo kein Bein mehr auf die Erde bekommen oder bei Schalke das große Geld wittern. Ein Teufelskreis ist das: Wieder müsste Schalke tiefer in die Tasche greifen, um dann nicht ein zweites Mal die Europacup-Teilnahme zu verpassen. Fast steht zu befürchten, dass die Spieler den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Das Verpassen der Europa League wird auch sie selbst aus der Komfortzone reißen.
Trainer Weinzierl macht einen entscheidenden Fehler. Endlich konnte er sich dazu durchringen, einen Spieler (Meyer) in aller Öffentlichkeit anzugreifen, weil ihm die Lethargie bei der Pokalpleite in München unter der Woche nicht gefallen hatte. Und dann relativierte er seine Kritik bis zum Wochenende. War alles nicht so gemeint… War alles nicht so schlimm… Ich wollte doch nicht… Ja, was denn? Weiß der Trainer nicht, was er sagt und welche Wirkung seine Worte in der Öffentlichkeit haben? Oder versteht er sein Handwerk beim Umgang mit Fußballprofis nicht?
Man kann es ihm nicht deutlich genug ins Stammbuch schreiben: Schalke ist nicht der FC Augsburg, wo die Außenwirkung kaum den Dunstkreis des Schwäbischen verlässt. Bei Schalke zählt jedes Wort. Auch dafür bekommt Weinzierl auf Schalke ein höheres Gehalt als beim FC Augsburg: dass er seiner Mannschaft ein Gesicht und ein System gibt und dazu seine Spieler intern wie extern in Bestform bringt, körperlich und in ihrer Einstellung zum Spiel. Schafft er das nicht, und das steht hier ausdrücklich in Konjunktiv II, wäre er am fehl am Platz.
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