Karsten Neitzel hielt nach dem 0:1 beim 1.FC Köln II die wohl kürzeste Spielanalyse seit seinem Amtsantritt bei Rot-Weiss Essen: „Ich bin als Trainer enttäuscht, die Mannschaft hat kein gutes Spiel gemacht. Punkt.“ Auf Nachfrage ließ er sich zumindest noch entlocken, dass „wir zu viele Spieler haben, die keine gute Form haben“. Aber damit hatte er sich fast schon weit aus dem Fenster gelehnt.
Denn eigentlich wollte der Trainer überhaupt nichts sagen. Zum Selbstschutz wohl, denn Neitzel stand sichtlich in Wallung. Wenn er kundgetan hätte, was ihm alles auf der Seele brennt, hätte er von Spielern berichtet, die mit ihren Gedanken mittlerweile wohl ganz woanders sind – jedenfalls nicht bei RWE. Er hätte von seiner Enttäuschung berichten können; er, der sich als Teamplayer versteht und immer stolz darauf ist, dass Internes wirklich intern bleibt, hat sich immer wieder schützend vor seine Mannschaft gestellt, doch gerade jetzt lassen ihn wichtige Teile dieses Teams einfach im Stich.
Das alles hat er natürlich nicht gesagt – aber es macht die Situation bei Rot-Weiss zur fußballerischen Jahreswende nicht besser. „Einigen reicht es wohl nicht als Ansporn, um die Plätze fünf bis sieben zu spielen“, fiel dann noch gemurmelt die bittere Erkenntnis.
Köln-Leistung war für die RWE-Fans ein Nicht-Ereignis
Das Spiel beim Tabellenvorletzten 1. FC Köln U21, der bis Samstagnachmittag noch kein Heimspiel in dieser Saison gewonnen hatte, war für die kleine mitgereiste Essener Gruppe von vorne bis hinten ein Nicht-Ereignis. Dass der Mannschaftsbus zwei Stunden lang im Weihnachtsstau gestanden hatte und erst eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn am Geißbockheim eintrudelte, darf dabei nicht als billige Ausrede gelten. Wer so lange zum Sitzen verdammt ist, ist eigentlich froh, wenn er sich anschließend auf dem feinen Hybrid-Rasen die Beine vertreten darf. Doch von Bewegung auf Gästeseite nicht die Spur, die Vorstellung bei der peinlichen 0:1-Niederlage war bestenfalls Dienst nach Vorschrift – einige blieben sogar noch unter diesem Anspruch.
Robin Heller konnte mit einigen spektakulären Paraden seinen Anspruch auf die klare Nummer eins weiter unterfüttern. Enzo Wirtz, den manche wegen seiner unergründlichen Laufwege mitunter belächeln, liefert bei seinen Partien immer vollen Einsatz ab, ihm ist das ehrliche Bemühen nie abzusprechen. Doch der Rest?
Ausnehmen sollte man noch Stürmer Marcel Platzek, der nach langer Verletzungspause einfach noch nicht wieder in Tritt kommt. In Köln verlor er wirklich jeden Zweikampf und als Krönung sogar ein Laufduell mit dem wohlgenährten Kölner Routinier Marius Laux. Und die klare Führungschance (55.) nach einem Abpraller, als ihm Torhüter Jan-Christoph Bartels nach einem strammen Fernschuss von Benjamin Baier den Ball vor die Füße faustete, macht Platzek in Normalform immer rein.
Andere wiederum tragen momentan ihre Unlust zur Schau, was den Fans mittlerweile die Zornesröte ins Gesicht treibt. So war es ein Leichtes für die Kölner „Bubis“ – Torschütze Yann Aurel Bisseck ist vor wenigen Tagen erst 18 Lenze geworden –, neben ihrer gewohnt technisch guten Ausbildung sogar ihre größere Zweikampfstärke (!!) in die Waagschale zu werfen und diese für sie eminent wichtige Partie am Ende völlig verdient zu gewinnen.
„Wir haben vorher aus Essen gelesen, dass die Gäste bei uns einen Pflichtsieg eingeplant hatten. Da brauchte ich eigentlich gar nichts mehr zu tun, mehr Motivation für mein Team ging gar nicht“, bemerkte Kölns Trainer André Pawlak vor der PK süffisant. Knapp einen Monat ist er bei den Geißböcken nun wieder im Amt, das rettende Ufer ist mittlerweile nur noch drei Punkte entfernt: „Wir haben wieder einen klaren Plan, haben viel an der Zweikampfhärte gearbeitet, jeder Spieler hat einen klaren Auftrag, der vorne links weiß, was hinten rechts passiert.“ Das kann bei RWE nicht jeder von sich behaupten. Autor: Ralf Wilhelm