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Vor allem in NRW
Faustschläge auf dem Fußballplatz - Gewaltfälle trotz hoher Strafen

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Vor allem in NRW: Faustschläge auf dem Fußballplatz  - Gewaltfälle trotz hoher Strafen
Foto: Markus Joosten
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Gewalt im Amateurfußball schlägt medial immer wieder hohe Wellen. Fast die Hälfte aller Polizeieinsätze in diesem Zusammenhang finden in NRW statt. Wie sollen die Verbände damit umgehen?

„Man hört so etwas ja immer mal aus den Medien oder sieht irgendwelche Videos. Aber das hat es hier bei uns in der Form noch nicht gegeben.“ So spricht Christian Schmieder, der Vorsitzende des Fußball-Bezirksligisten FC Augustdorf über einen Vorfall bei einem Heimspiel seines Vereins Anfang November. Ein Spieler der Gästemannschaft soll dort einen Ordner attackiert und mit der Faust geschlagen haben, wie die Polizei damals mitteilte. Ein weiterer Spieler der Gäste habe zudem einen seiner Gegenspieler getreten.

Dabei hatte der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) zu Saisonbeginn härtere Strafen für solche Vorfälle angekündigt. So drohen zum Beispiel 6 000 Euro Strafe für unsportliches Verhalten. Dazu kommt ein Abzug von bis zu sechs Punkten, wenn eine Schiedsrichterin oder ein Schiedsrichter von mindestens zwei Beteiligten angegriffen wurde. Im Wiederholungsfall im selben Spieljahr erfolgt der Ausschluss der verantwortlichen Mannschaft vom Spielbetrieb bis zum Saisonende.

Die zuständigen Gremien des Westdeutschen Fußballverbandes verankerten diese Regeln anschließend sogar für den gesamten NRW-Amateurfußball. Eine vorläufige Bilanz wollten der FLVW und die Fußballverbände Niederrhein und Mittelrhein auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht ziehen.

Es ist der Versuch, den zahlreichen Gewaltfällen im Amateurfußball in Nordrhein-Westfalen Herr zu werden. 255 Polizeieinsätze gab es dort in der vergangenen Saison 2022/2023 laut einem Bericht der Innenministerkonferenz - knapp die Hälfte aller Einsätze bundesweit. Im Fall aus Augustdorf bei Bielefeld wurden die betroffenen Spieler laut Schmieder vom Verband für jeweils 60 Spiele gesperrt und dürfen auch sonst keine Funktionen im Verein ausüben. Ein Urteil, das er begrüßte, auch wenn er persönlich auf noch härtere Strafen gehofft hätte.

Immer noch härtere Strafen hält Gunter A. Pilz dabei für wenig sinnvoll. Er ist Sportsoziologe und Mitglied der Arbeitsgruppe Gewaltprävention im Amateurfußball des DFB. „Die Todesstrafe hat auch noch nie jemanden davon abgehalten, jemand anderen umzubringen“, sagt er. „Die Kriminologie lehrt uns, dass es darauf ankommt, dem vorhandenen Strafenkatalog konsequent anzuwenden.“ Da gebe es in der Sportgerichtsbarkeit leider eklatante Unterschiede von Verband zu Verband. Außerdem müssten die Strafen zeitnah erfolgen und in den Köpfen der Täter etwas bewegen, meint Pilz.

Wir wissen, wo die soziale Situation äußerst prekär ist, dass da Menschen zu extremen Verhalten neigen, um ihre Probleme zu lösen

Gunter A. Pilz

Allgemein sieht Pilz in der Gewalt im Amateurfußball vor allem ein Abbild gesamtgesellschaftlicher Probleme: „Wir wissen, wo die soziale Situation äußerst prekär ist, dass da Menschen zu extremen Verhalten neigen, um ihre Probleme zu lösen.“ Dass bei den Zahlen der vergangenen Saison vor allem Nordrhein-Westfalen mit seinen vielen sozialen Brennpunkten heraussticht, bestätigt ihn dabei.

Schmieder spricht ebenfalls von einem gesamtgesellschaftlichen Problem, auch mit Blick auf das Thema Integration. Es sei ein wenig traurig, dass sich Migrantenvereine neu gründeten. „Schöner wäre es doch eigentlich, wenn die sich unter uns mischen und in die Vereine eintreten würden, die schon vorhanden sind seit Jahren und Jahrzehnten“, findet er. Für Pilz spielt der Migrationshintergrund abgesehen vom sozialen Status vor allem auch dann eine Rolle, wenn sich Menschen deshalb benachteiligt fühlten, etwa vom Schiedsrichter.

Entsprechend setzt Pilz auch im Fußball auf Maßnahmen aus der Sozialarbeit. Als Beispiel nennt er einen Fall aus Niedersachsen, bei dem ein Jugendlicher einen Schiedsrichter angegriffen habe. Um seine Sperre zu reduzieren, habe das Sportgericht ihm die Auflage gemacht, selbst als Schiedsrichter tätig zu werden.

Aus Sicht des Soziologen ein Erfolg, denn der Spieler habe erkannt, „wie beschissen ein Schiedsrichter im Amateur-und Jugendfußball dran ist, der da auf dem Platz steht, keinen Linienrichter hat und dann von 60 Meter Entfernung entscheiden muss, war der Ball draußen oder war er drin.“ Er habe gesagt, ihm sei klar geworden, dass der Schiedsrichter nicht gepfiffen habe, weil er Türke sei, sondern es nicht anders gesehen habe. Für Pilz sind das und andere, ähnliche Beispiele „die besseren Antworten als Verschärfung von Strafen. Die haben noch nie zu weniger Gewalt geführt.“

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