Doch der Ärger ist nach den abgebrochenen Vertragsverhandlungen noch nicht verraucht. "Ich habe gespürt, dass dem Präsidenten daran liegt, die WM-Vorbereitung in dem engen Vertrauensverhältnis fortzuführen, das uns seit Jahren verbindet, auch wenn es noch nicht zu der beabsichtigten Vertragsverlängerung über die WM 2010 hinaus gekommen ist", sagte Löw nach einem Friedensgipfel mit Zwanziger.
Aber trotz demonstrativer Eintracht beim gemeinsamen Besuch des feierlichen UEFA-Banketts am Vorabend der Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen in der polnischen Hauptstadt ist der Bundestrainer noch immer verstimmt. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass mir der DFB mit dem Vertragsangebot in der vergangenen Woche ein Ultimatum gesetzt hat", sagte Löw am Sonntag dem Sport-Informations-Dienst (SID). "Ich bin seit sechs Jahren leitender Angestellter, und wir haben mit unserem Team alles für den Erfolg der Nationalmannschaft und die Reputation des deutschen Fußballs getan", sagte Löw weiter: "Da kann es nicht sein, dass ich ein Angebot innerhalb von 48 Stunden annehmen soll."
Bundestrainer Joachim Löw (Foto: firo).
Vor dem Abflug nach Warschau waren in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main nach dem Hauen und Stechen der vergangenen Tage die Weichen noch auf Deeskalation gestellt worden. Dabei hatten Zwanziger und Löw sich bemüht, ihre jüngsten Differenzen in einem Vier-Augen-Gespräch auszuräumen, ehe im Austragungsort des EM-Eröffnungsspiels die Gespräche noch einmal intensiviert wurden.
Dabei entschuldigte sich Löw bei seinem obersten Vorgesetzten dafür, dass er mit seinem verbreiteten Statement unter anderem den Eindruck erweckt hatte, Zwanziger hätte bei seinen Ausführungen gelogen. "Ich habe gespürt, dass meine Stellungnahme vom Freitag bei Dr. Zwanziger große Irritationen ausgelöst hat, weil dadurch in der Öffentlichkeit die Diskussion aufgekommen ist, er habe Unwahrheiten verbreitet oder sei daran beteiligt gewesen. Dies war von mir zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt", sagte der Bundestrainer. Löw hatte entgegen früherer Aussagen des DFB-Bosses erklärt, es habe keine Einigung per Handschlag über eine Vertragsverlängerung gegeben. Zwanziger hatte einen normalen Händedruck nach einer erfolgreichen Gesprächsrunde im vergangenen Dezember offenbar als Einigung interpretiert und das Verhandlungsergebnis vorschnell veröffentlicht.
Zwanziger verdeutlichte in Warschau noch einmal, dass er trotz der aktuellen Differenzen, unter anderem wegen überzogener finazieller Forderungen von Löw und Nationalmannschaftsmanager Bierhoff, an einer Fortsetzug der Zusammenarbeit interessiert sei. "Ich will Joachim Löw als Bundestrainer behalten. Wenn wir die WM erfolgreich spielen, werde ich mit ihm sprechen. Und wenn wir sie nicht so erfolgreich spielen, dann auch. Er ist mein erster Ansprechpartner", sagte der DFB-Boss. Kein klares Bekenntnis gab der 64-Jährige dagegen zu Bierhoff ab. Der umstrittene Teammanager wurde stattdessen von Zwanziger und auch von Fußball-Kaiser und DFB-Präsidiumsmitglied Franz Beckenbauer für seinen Verhandlungsstil scharf attackiert.
Oliver Bierhoff (Foto: firo).
"Es war absolut richtig, die Forderungen von Bierhoff nicht zu akzeptieren. Auch in Zukunft darf nur das DFB-Präsidium über den Bundestrainer entscheiden und nicht ein Nationalelf-Manager. Ein Vetorecht war nicht akzeptabel. Meine Meinung: Der Übernahme-Versuch ist gescheitert", sagte Beckenbauer der Bild-Zeitung.
Bierhoff verteidigte sich in Warschau: "Da sind viele Dinge durcheinandergeworfen worden, die veröffentlichten Zahlen stimmen so nicht", sagte der frühere DFB-Kapitän, der sich einmal mehr zu Unrecht kritisiert fühlt: "Ich bin es ja gewohnt, dass man versucht, mich in die Ecke zu drängen".
Zwanziger hatte am Donnerstag die Vertragsgespräche mit der sportlichen Leitung der Nationalmannschaft wegen unterschiedlicher Auffassungen überraschend abgebrochen und auf die Zeit nach der WM in Südafrika (11. Juni bis 11. Juli) vertagt. Zwanziger machte Bierhoff für die gescheiterten Vertragsgespräche verantwortlich. Es habe beim ersten Gespräch mit Löw Mitte Dezember keine Anzeichen für gravierende Unterschiede gegeben, "die gab es erst, als Bierhoff in einem Gespräch Mitte Januar neue Fakten geschaffen hat, indem er uns Entwürfe für völlig neue Verträge präsentiert hat. Wir wollten verlängern - doch wir wollten keinen neuen Vertrag machen."
Zwanziger verwies auf unannehmbare finanzielle Erwartungen und auf Bierhoffs Wunsch nach einer stärkeren Manager-Stellung: "Das war nicht machbar. Ich hätte dann drei oder vier Anträge auf Satzungsänderung beim nächsten Bundestag stellen müssen. Diese offensive Ausdehnung der Kompetenzen wäre mit den Grundsätzen des DFB nicht vereinbar gewesen. Eine Nationalmannschafts-GmbH mit dem DFB als Aufsichtsrat - das geht nicht."