Die Abfuhr aus Bayern ließ die Hoffnung auf eine baldige Fan-Rückkehr in die Stadien endgültig auf ein Minimum sinken - dabei hatte die Konferenz der Gesundheitsminister noch gar nicht begonnen.
Einen Start der Fußball-Bundesliga mit Zuschauern könne er sich nicht vorstellen, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor versammelter Presse am Montag und sprach von einer „verheerenden Signalwirkung für die Gesellschaft“. Und mit seiner Meinung stand der CSU-Vorsitzende beileibe nicht alleine da, die Pläne des Fußballs für den geplanten Restart vor Fans bekam aus Politik und Medizin heftigen Gegenwind.
Der Profifußball, so formulierte es die Vorsitzende der am späten Nachmittag tagenden Konferenz, die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, stehe auf der Prioritätenliste „nicht ganz oben“. Man habe nicht vor, einen Beschluss zum Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu fassen.
Einen weiteren Schuss vor den Bug setzte es vom Ärzteverband „Marburger Bund“, der eindringlich vor einer Fan-Rückkehr in die Stadien warnte. „Die Gefahr von Massenansteckungen wäre real. Wenn wir Pech haben, sitzt ein Superspreader unter den Fans, und das Virus breitet sich wie ein Lauffeuer aus“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna der Neuen Osnabrücker Zeitung. Schließlich könne jemand „überhaupt noch keine Beschwerden haben, aber trotzdem steckt sein Rachen schon voller Viren. Und wenn dann geschrien und gejubelt wird, kann es blitzschnell gehen“.
Und so wachsen die Zweifel immer mehr, dass die Liga tatsächlich wie gewünscht Mitte September vor Zuschauern in die neue Saison startet. Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen ist die Furcht vor einer „zweiten Welle“ groß. Am Ende womöglich zu groß.
Die 36 Klubs der Bundesliga und der 2. Liga hatten sich am vergangenen Dienstag auf ein Konzept für die Rückkehr von Zuschauern in der Corona-Pandemie geeinigt. Der Plan sieht keine Stehplätze und keinen Alkohol bis Ende Oktober, Verzicht auf Gästefans bis Jahresende sowie personalisierte Tickets vor.
Die Bestrebungen der DFL seien zwar nachvollziehbar, sagte Ärzteverbandschefin Johna nun: „Aber dass ihr Konzept Ansteckungen verhindert, halte ich für unrealistisch.“ So könne sie sich etwa nicht vorstellen, dass Fans bei einem Torerfolg ihrer Mannschaft auf ihren Sitzen bleiben. „Da liegt man sich in den Armen und denkt nicht an Corona“, sagte Johna: „Alles andere wäre geradezu unmenschlich.“
Trotz aller guten Wünsche und Hoffnungen wächst inzwischen selbst bei den Klubs die Zahl der Skeptiker. „Wenn es so weitergeht wie in den letzten zwei, drei, vier Wochen, dann wird es wahrscheinlich schwer, dass wir vielleicht überhaupt Zuschauer reinkriegen, geschweige denn das Stadion voll bekommen“, sagte Trainer Uwe Neuhaus von Bundesliga-Aufsteiger Arminia Bielefeld dem Kicker.
Hertha BSC denkt sogar schon darüber nach, zunächst freiwillig auf Fans zu verzichten. Weil in Berlin bis zum 24. Oktober eine Obergrenze von 5000 Menschen auf Großveranstaltungen gilt, würde sich eine Öffnung des riesigen Olympiastadions einfach finanziell nicht lohnen. Ein Problem, das die Hertha ganz sicher nicht exklusiv haben dürfte, sollte die Politik den Weg nicht freimachen.
DFB-Präsident Fritz Keller hatte zuletzt die Idee von Massen-Präventivtests für Stadionbesucher ins Spiel gebracht - davon halten die zuständigen Minister allerdings offenbar wenig. „Die Idee, dass unter anderem alle Besucherinnen und Besucher nach Testungen wieder ins Stadion kommen können, wird von der Mehrheit der Minister kritisch gesehen“, sagte Ministerin Kalayci in der Berliner Morgenpost.
Niemand könne vor und nach dem Spiel große Menschenansammlungen und Alkoholkonsum ausschließen und kontrollieren. „Wir brauchen die Testkapazitäten zurzeit in vielen anderen Bereichen – beispielsweise für Schulen, Kitas, Pflegeheime, Krankenhäuser und Reiserückkehrer“, sagte die SPD-Politikerin.
Fakt ist: Großveranstaltungen sind bundesweit noch bis Ende Oktober untersagt, auch wenn die Bundesländer dies unterschiedlich interpretieren. Sollen schon zum Saisonstart im September aber wieder Tausende Menschen in die Stadien strömen, braucht es eine Ausnahmegenehmigung der Politik. Eine Ausnahmegenehmigung, die am Montag zunächst nicht absehbar war. sid