Als Christian Hochstätter unmittelbar nach dem letzten Meisterschaftsspiel in Heidenheim erklärte „Wir werden auch Spieler verlieren, die noch einen Vertrag haben“, war ihm bewusst, dass die personellen Veränderungen in der noch laufenden Transferperiode weit größer ausfallen, als dem ein oder anderen VfLer das lieb ist.
Doch unter den mehr als ein Dutzend Abgängen wiegen eigentlich nur die Verlust von Simon Terodde, Onur Bulut, Janik Haberer und Marco Terrazzino schwer. Der VfL – und das war die große Herausforderung für Hochstätter – musste seine komplette Offensive ersetzen. Immer unter der Prämisse, dass die erzielten Transfereinnahmen (Terodde, 3,5 Mio. plus Bonus; Onur Bulut, ca. 1 Mio) und die Transferbeteiligung Ilkay Gündogan (1 Mio.) nur zu geringem Anteil reinvestiert werden können. Obwohl Hochstätter neun Akteure holte, musste der Klub lediglich für Marco Stiepermann (700.000 Euro) in die Tasche greifen. Und so geht der VfL mit dem jüngsten Kader aller Zweitligisten ins Rennen. RevierSport sprach mit Bochums Sportvorstand.
Christian Hochstätter, wenige Tage vor dem Saisonstart steigt bei den Fans die Anspannung. Wie ist denn Ihre Stimmungslage? Meine Stimmungslage ist gut. Ich denke, wir sind gut vorbereitet. Man kann am kommenden Wochenende gegen Union Berlin schon sehen, wo wir stehen, obwohl ich eigentlich der Meinung bin, dass es für eine Beurteilung selbst dann noch zu früh ist. Ich denke, man kann erst nach sechs oder sieben Spielen absehen, in welche Richtung es tabellarisch gehen kann. Denn schaue ich auf den Spielplan, dann sind schon die ersten Begegnungen wegweisend. Im Großen und Ganzen bin ich mit der Vorbereitung zufrieden. Das erfreuliche: Wir sind fast ohne Verletzungen durchgekommen, und das ist das allerwichtigste.
Während in anderen Teams noch der Konkurrenzkampf um die Plätze in der Stammformation tobt, stellt sich die Mannschaft des VfL momentan mangels echtem Konkurrenzkampf quasi von selbst auf. Ist das Leistungsgefälle zwischen der vermeintlichen Startelf und dem sogenannten zweiten Anzug mit den vielen unerfahrenen Youngstern zu groß? Das sehe ich nicht so. Auch, weil bisher unsere jungen Spieler in der Vorbereitung immer in den Tests mit gleichaltrigen Kollegen die Halbzeiten bestritten haben. Für mich wird es jetzt einmal interessant zu sehen, wie sich Russell Canouse, Gökhan Gül oder Görkem Saglam in einer Stammformation mit erfahrenen Spielern bewegen würden. Erst dann könnte man erkennen, ob der Unterschied wirklich noch so groß ist. Ich persönlich sehe die Unterschiede nämlich gar nicht mehr so gravierend. Wir haben uns für die Jugend entschieden. Und wenn man so eine richtungsweisende Entscheidung trifft, dann muss man daran auch glauben. Und das tun wir. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass wir genügend Konkurrenzkampf im Kader haben. Aber wir verkennen die Situation nicht. Und deshalb werden wir auch noch den ein oder anderen Transfer tätigen. Wir haben ja noch bis zum 31. August Zeit. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit einer guten Mannschaft in die Saison gehen.
Was haben Sie in den bisherigen fünfeinhalb Wochen in Ihrem Team noch vermisst? Was fehlt der Mannschaft noch? Geschuldet der Tatsache, dass wir uns in der Offensive komplett neu aufstellen mussten, haben wir noch ein wenig Probleme. Da fehlen noch die Automatismen, da stimmen die Laufwege noch nicht, da hakt es noch im Spiel gegen den Ball oder im Anlaufen beim Pressing. So etwas braucht seine Zeit. Obwohl wir das gegen Hamburg schon deutlich besser gemacht haben als zuvor. Alles wird sicherlich noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, bis unsere neue Offensive den Fußball, den wir spielen wollen, verinnerlicht hat. Wir haben viele junge Spieler, die auch mal Fehler machen dürfen. Der Verein wird ihnen Geduld entgegenbringen. Sie werden jede Unterstützung bekommen, wir werden keinen Druck ausüben. Und ich hoffe darauf, dass auch unsere Zuschauer uns bei dem Aufbau bei einer neuen Mannschaft helfen.
Noch einmal zu den Youngstern: Wie sehen Sie die Entwicklung in den letzten zwölf Monaten? Ich denke, die Fortschritte sind nicht zu übersehen. Sie haben zum Teil in der U19 schon eine sehr gute Saison gespielt, obwohl sie noch vom Alter her Jungjahrgang waren. Spielerisch und körperlich ist der Aufwärtstrend schon markant. Sie sind viel präsenter in den Zweikämpfen. Der VfL schätzt sich glücklich, solche Talente langfristig gebunden zu haben. Sie werden dann schnell Teil der Mannschaft sein, wenn sie sich im Umfeld weiter wohlfühlen, und immer mal wieder in die Mannschaft eingebaut werden. Dann wird es auch leichter. Ob sie es schaffen, wird die Zukunft zeigen.
Was fehlt dem Team 2016/17 noch? Ich glaube, dass wir in der Breite noch etwas tun müssen. Zumindest einen Innenverteidiger werden wir noch verpflichten. Aber wir haben auch noch Optionen in anderen Mannschaftsteilen im Auge. Es wird sich bis Ende August noch etwas tun.