Eigentlich stammt Guido Burgstaller aus einer Eishockey-Hochburg. Doch der rustikale Österreicher aus der Nähe von Villach im Bundesland Kärnten entschied sich früh für das runde Leder. Und das war eine kluge Wahl. „Ich hatte vom ersten Tag an eine richtig hohe Meinung vom Guido“, sagt sein Ex-Trainer Peter Schöttel, der Burgstaller in der österreichischen Bundesliga beim SC Wiener Neustadt und bei Rapid Wien zum vielseitigen Offensivspieler formte. „Man konnte eigentlich immer davon ausgehen, dass der Bursche früher oder später den Sprung ins Ausland wagen und dort auch erfolgreich sein könnte.“
Dass sein Schützling aber eines Tages zum Top-Torjäger beim großen FC Schalke 04 avancieren würde (16 Treffer in 35 Bundesliga-Spielen für die Königsblauen), hätte Schöttel nie für möglich gehalten. Dabei war „Burgi“ unter ihm bereits mit 22 Jahren Nationalspieler geworden. „Bei mir spielte der Guido aber fast immer auf den Außenbahnen, mal links, mal rechts“, erzählt der 50-Jährige, der heute als Sportdirektor beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) fungiert. „Guido war 90 Minuten lang pausenlos unterwegs, kämpfte aufopferungsvoll für die Mannschaft und legte viele Treffer auf, doch ihm fehlte damals diese absolute Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, die ihn heute auszeichnet. Ehrlich gesagt, habe ich ihn auch deshalb nicht wirklich als Mittelstürmer gesehen.“
Der Förderer von Schalkes Nr. 19
Trotz dieser kleinen Fehleinschätzung gilt Schöttel als entscheidender Förderer von Schalkes Nummer 19. Der ehemalige österreichische Nationalspieler und WM-Teilnehmer von 1998 wurde Ende 2009 Trainer beim damaligen Erstligisten Wiener Neustadt. Dort stach ihm dieser 20-jährige, 1,87 Meter große, athletische Offensivspieler ins Auge, der immer hoch aggressiv zu Werke ging. „Ich spürte sofort, dass auf den Guido bedingungslos Verlass ist, weil er so einen unbändigen Willen und Kampfgeist an den Tag legte – in jedem Spiel, in jedem Training“, erinnert sich Schöttel. Und: „Guido versuchte schon damals, alles mit links wie rechts zu beherrschen. Das hat er regelmäßig geübt und das kommt ihm heute beim Torabschluss natürlich erkennbar zugute.“
Nach eineinhalb erfolgreichen Jahren in Wiener Neustadt, wo sich selten mehr als 2 000 Zuschauer zu den Heimspielen verirrten, heuerten Schöttel und Burgstaller gemeinsam bei Österreichs Rekordmeister Rapid an. Dort fragten sich viele: Guido … wer? Schöttel aber wusste: „Dieser Typ mit seiner mitreißenden Art war wie gemacht für die großen Traditionsvereine. Und das hat sich ja auch bewahrheitet, wenn man sich seine letzten Stationen ansieht.“ Auf Rapid folgten Cardiff City, der 1. FC Nürnberg und Schalke 04. „Zu Schalke“, sagt Schöttel, „passt der Guido wie die Faust aufs Auge, weil er ein absoluter Emotions-Spieler ist.“
Das findet auch Helmut Schulte. Der Sportdirektor des Zweitligisten Union Berlin und ehemalige Leiter der Schalker Nachwuchsabteilung war 2013 für ein Jahr Sportdirektor bei Rapid Wien. Dort erlebte er Guido Burgstaller als wahres Mentalitätsmonster. „Der ,Burgi’ war im positiven Sinne ein Unternehmer in der Offensive. Er versuchte immer, irgendwas zu reißen.“ Früher ist er noch mehr gerannt
Allerdings seien die Bemühungen nicht jedes Mal von Erfolg gekrönt gewesen: „Damals hat er mitunter Dinge gemacht, da blieb einem vor Staunen der Mund offen stehen“, erzählt Schulte. „Einmal, just an meinem Geburtstag, hat er in Innsbruck ein sagenhaftes Tor erzielt. Andererseits hatte er Szenen dabei, da hast du dir unweigerlich an den Kopf gegriffen.“ Dass Burgstaller eines Tages den Sprung zu Schalke 04 schaffen würde, hätte Schulte damals nicht für möglich gehalten: „So ehrlich bin ich. Aber sein Beispiel zeigt auch, wie weit man es bringen kann, wenn man nie aufhört, an sich zu arbeiten. Guido hat sich in Punkto Positionsspiel, Technik und Torabschluss gegenüber damals enorm verbessert.“
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Der Rest ist Geschichte: Seit einem Jahr geht Burgstaller nun für Schalke auf Torejagd. Die Fans in der Nordkurve haben ihm sogar einen eigenen Gesang gewidmet, nach dem alten Disco-Hit „Give it up“ von KC & the Sunshine Band. Mentor Peter Schöttel verfolgt Burgstallers Entwicklung mit Wohlwollen, nicht nur aus der Perspektive des ÖFB-Sportdirektors, in dessen Planungen der Stürmer eine wichtige Rolle spielt. „Ich freue mich einfach für ihn, dass es so gut läuft auf Schalke.“ Trotzdem muss Schöttel mitunter schmunzeln – etwa wenn Sky-Experte Christoph Metzelder erklärt, Burgstaller sei „unheimlich viel in Bewegung“. Das stimme zwar, doch Schöttel weiß: „In Wiener Neustadt und bei Rapid ist der Guido noch viel mehr gerannt. Vielleicht hat ihm auch deshalb manchmal vor dem Tor der letzte Schuss Konzentration gefehlt. Heute hat er natürlich eine ganz andere Routine.“
Persönlichen Kontakt zu seinem Schützling hält Schöttel derzeit nicht, „aber mein früherer Co-Trainer Drithan Baholli steht in Verbindung mit Guido – da schalte ich mich manchmal ein und bestelle schöne Grüße“. Einen Wunsch will der Ex-Trainer dann aber doch noch an Schalkes Shooting-Star richten: „Es wäre sehr schön, wenn er demnächst auch im Nationalteam so regelmäßig treffen würde wie in der Liga.“ Im rot-weiß-roten Dress netzte Burgstaller nämlich nur ein einziges Mal in bislang 14 Einsätzen: am 6. Oktober im bedeutungslosen vorletzten WM-Quali-Spiel gegen Serbien (3:2). Eigentlich unglaublich, angesichts seiner sensationellen Torquote in Königsblau.