Tief enttäuscht und sauer auf sich selbst verließen die Spieler von Borussia Dortmund Paris - und der Vorkämpfer der vergangenen Wochen sprach ein vernichtendes Urteil. Mit dieser Einstellung, sagte Erling Haaland nach dem Champions-League-Aus gesenkten Kopfes, sei auch die letzte Titelchance bald dahin: „Wir waren schlecht. So gewinnen wir kein Derby!“
Doch irgendwie wird sich der BVB motivieren müssen, auch wenn fraglich ist, ob das alles überhaupt noch Relevanz besitzt. Faktisch ist nach dem Geisterspiel erst einmal vor dem Geisterspiel: Bereits am Samstag kommt Schalke 04 in den verwaisten Signal-Iduna-Park, die Bundesliga heuchelt (noch) Normalität im Ausnahmezustand. „Da müssen wir uns um einiges steigern“, fordert Haaland.
Unabhängig von der Zukunft war das 0:2 (0:2) im Achtelfinal-Rückspiel bei Paris St. Germain, ausgerechnet gegen Thomas Tuchel, nach dem 2:1 vor drei Wochen zutiefst ärgerlich. „PSG musste sich gar nicht groß anstrengen“, schimpfte Sportdirektor Michael Zorc, der auch auf den „Schauspieler“ Neymar nicht gut zu sprechen war.
Der Brasilianer allerdings hatte bei aller Show und allen Provokationen eine Leidenschaft eingebracht, die den BVB-Profis völlig abging. Es blieb der bittere Geschmack einer verpassten Chance. „Ich hatte das Gefühl, dass wir hätten weiterkommen können“, betonte Zorc, „aber wir haben nicht die Leistung erbracht, die es benötigt hätte.“
Euphoriewelle beim BVB ebbt ab
Merkwürdig teilnahmslos und ohne jede positive Körpersprache liefen Mats Hummels, Jadon Sancho, Haaland und all die anderen über den Platz im Prinzenpark. Fast erstaunt schienen einige zu sein, dass der Gegner mit höchstem Einsatz heranrauschte. „Es lässt sich schwer fassen. Wir müssen uns ehrlich eingestehen, dass wir keine zwingenden Torchancen hatten“, analysierte Hummels.
Im Gegensatz zu Lucien Favre („So etwas sind wir nicht gewohnt“) war es dem früheren BVB-Trainer Tuchel offensichtlich gelungen, seine Mannschaft in trostloser Atmosphäre heiß zu machen. Dies jedoch auch mit Hilfe Tausender Fans, die sich in Verkennung der Corona-Lage unvernünftigerweise vor dem Stadion versammelt hatten.
„Wir sind mit dem Bus durch unsere Ultras gefahren“, berichtete Tuchel, „es war verrückt, verrückt. Das hat die Atmosphäre komplett verändert. Die Jungs haben begonnen zu singen.“ Dermaßen viel Druck fiel nach dem Spiel von Tuchel ab, dass er überdreht lachend zum Interview kam und dabei sogar ein wenig wirr erschien.
Derart aufgepeitscht war auf Dortmunder Seite höchstens Emre Can, der in der 89. Minute mit Rot vom Platz flog, weil Neymar einen kleinen Schubser zum großen Drama erhoben hatte. „Viel, viel zu hart“, sagte Favre - allerdings war zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon fast alles verloren.
Der BVB war auf einer Euphoriewelle durch die vergangenen Wochen gesegelt, die jetzt abebbt. Das Derby wird ein harter Prüfstein für den weiteren Verlauf der Saison - sofern es noch einen weiteren Verlauf der Saison gibt. sid