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Schermbeck / Siegen: Tote Betonburg und Dorfvereine
Zwischen Stimmung und Bezirksliga

Schermbeck / Siegen: Tote Betonburg und Dorfvereine
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Zahlen lügen nicht. Und die Fakten sind für die neue NRW-Liga sicherlich kein Ruhmesblatt. Denn das Zuschauerinteresse sinkt unaufhörlich. Lediglich 85.988 Besucher (Schnitt: 531) schauten sich die 162 Partien an. Zum Vergleich: In der letzten Saison pilgerten am Nordrhein noch 97.453 und in Westfalen sogar satte 146.131 Anhänger in die Arenen.

Lediglich in Siegen verwandeln die Fans das Stadion noch in einen Stimmungsbunker, denn die Sportfreunde dürfen sich über einen Schnitt von 1.364 Anhängern freuen. „Wenn im Klub in der Vergangenheit alles so funktioniert hätte wie unsere Zuschauer, dann wären wir noch in der Zweiten Liga“, ist Trainer Peter Nemeth von seinem Publikum angetan. „Ich habe hier einige Jahre gespielt und muss sagen, dass wir die besten Fans haben. Die reisen auch überall hin. Nach Iserlohn haben uns 700 Anhänger begleitet. Das ist der Wahnsinn.“

Und das trotz des Abstiegs und des laufenden Insolvenzverfahrens. Doch Nemeth weiß, warum die Leute hinter den Sportfreunden stehen: „Wir haben eine besondere Kultur. Die Menschen wissen, dass wir ehrlich arbeiten. Wir veranstalten auch Fanabende, auf denen wir diskutieren und über alles sprechen. Das ist bei uns nicht nur Show, sondern eine reine Herzensangelegenheit.“

Doch auch wenn die Symbiose zwischen den Fans und der Mannschaft stimmt, scheut sich Nemeth vor großen Versprechungen. „Ich werde nichts vom Aufstieg erzählen“, winkt der Ex-Profi ab. „Wir wollen die Besucher mit unserer Art Fußball zu spielen begeistern. Und das scheint uns zu gelingen.“

Mal abgesehen von den vom Publikum verstoßenen Reserveteams aus Duisburg (218), Aachen (214) sowie Bielefeld (203) ist der SV Schermbeck mit gerade einmal 294 Zuschauern pro Partie Schlusslicht der „echten“ Vereine. Und das, obwohl die Verantwortlichen den Waldsportplatz gerade komplett um- und ausbauen und zum ersten Mal in der Klubgeschichte sogar eine Sitzplatztribüne für rund 160.000 Euro ihr Eigen nennen dürfen. „Natürlich mussten wir etwas an unserem Platz machen“, weiß SVS-Manager Michael Benninghoff.

„Aber im alten Rund hatten wir eine prickelnde Atmosphäre. Jetzt haben wir auf Druck des Verbandes eine tote Betonburg. Das ist frustrierend“, gibt Benninghoff offen zu und sieht die fehlenden Derbys als Hauptursache für den Zuschauerschwund. „Im letzten Jahr hatten wir noch Preußen Münster zu Gast, jetzt Gemania Dattenfeld oder Amateure. Da kommt doch niemand mit.“ Doch der Funktionär merkt auch an, dass „wir nicht unbedingt attraktiven Fußball zeigen. Der war in der letzten Saison auf jeden Fall besser.“

Lediglich einen Stamm von rund 200 Unentwegten kann der SVS begrüßen. „Der Rest geht beispielsweise zu den Königsblauen. Die können dann auch noch so schlecht spielen, dort sind die Leute“, ist Benninghoff davon überzeugt, dass der Amateursport kurz vor dem Aus steht. „Wir werden niemals sagen, dass wir absteigen müssen oder die Mannschaft zurückziehen, aber Gedanken machen wir uns schon“, merkt der Marketingfachmann an, dass sich der Aufwand, der durch die hohen Verbandsabgaben astronomisch gestiegen ist, nicht mehr lohnt. „In der Westfalenliga würden sicherlich mehr Zuschauer kommen, weil man alleine schon Derbys hat.“

Seine Rechnung: Weniger Fans = weniger Verzehr = weniger Umsatz. „Wenn die wirtschaftliche Situation nichts mehr hergibt, dann müssen wir dahin zurück, wo wir eigentlich auch hingehören - in die Landes- oder Bezirksliga“, stellt Benninghoff unmissverständlich klar: „Natürlich werden wir diesen Prozess so lange es geht hinaus zögern, aber wenn man keine Unterstützung mehr bekommt, bleibt einem nichts anderes übrig.“ Sein Zusatz: „Doch diese Entwicklung scheint von den Verantwortlichen gewollt zu sein. Die wollen nur noch die Bundesliga und keinen Dorfverein mehr sehen!“

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