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MSV: Trainer Rudi Bommer im Interview
"Die hängenden Köpfe waren mir einfach zu viel"

MSV: Trainer Rudi Bommer im Interview
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Angefressen wäre das falsche Wort, um den Gefühlszustand von Rudi Bommer zu beschreiben.

Duisburgs Trainer ist auch einige Tage nach dem Tiefschlag gegen Karlsruhe ziemlich angeschlagen. "Mir geht es nicht besonders gut", sagt der 50-Jährige. Da seine Spieler ebenfalls den Eindruck vermitteln, als würden sie eine Bleiweste tragen, soll das Wochenende dazu genutzt werden, die Köpfe frei zu bekommen. Im Interview mit RevierSport spricht Bommer über die Trikot-Maßnahme, seine Spieler-Typen, die Rettungs-Chancen und sagt auch, warum er die Hammer-Methode ablehnt.

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Rudi Bommer, die Spuren der letzten Heimpleite sind noch nicht verflogen, oder?

Diese Niederlage gegen den KSC habe ich nicht ganz verdaut. Deshalb geht es mir auch nicht so gut. Das liegt unter anderem daran, wie dieses Ergebnis wieder einmal zustande kam. Wir haben erneut einen hohen Aufwand betrieben, hatten meiner Meinung viel mehr Spielanteile, gehen dann zur Pause mit der Einwechslung von Klemen Lavric noch mehr in die Offensive und legen im Angriff zehn Minuten vor dem Ende noch mal personell nach.

Es hat alles nichts gebracht.

Dann kam wieder dieser eine Patzer, der uns das Remis kostete. Gegen diesen KSC wären sogar drei Punkte drin gewesen. Durch den Fehler war alles das, was wir uns in den Tagen zuvor hart erarbeitet haben, dahin. Wieder kein Sieg und wieder nichts daheim geholt. Wenn man auswärts gewinnt und es uns zu Hause nicht gelingt, nachzulegen, dann ist das unglaublich bitter. Man hat sich diese Ausgangslage ja selber hart erarbeitet und möchte die Chance dann auch einfach mal nutzen, aber stattdessen schenken wir es her.

Man merkt Ihnen die Enttäuschung an.

Das ärgert mich und zieht einen auch persönlich runter – gerade, weil man sich erneut nichts vorwerfen kann. Das geht an die körperliche und seelische Substanz aller, sowohl bei den Spielern als auch beim gesamten Trainerteam.

Was entgegen Sie auf den Vorwurf, Ihre Truppe hätte zu abwartend begonnen?

Wenn wir gleich von Beginn an offensiv agiert hätten und dann eventuell ins offene Messer gelaufen wären, was hätten dann alle gesagt? So wollten wir erst einmal kompakt stehen, die Null sichern. Zum Schluss haben wir unser Heil in der Offensive gesucht. Aber das hat auch nicht geklappt. Vielleicht wollten wir auch zu viel! Hinterher ist man immer schlauer. So bleibt nur die bittere Erkenntnis, dass – wenn ich Cottbus dazu nehme – es schon zwei verschenkte Punkte sind, die wir zuhause haben liegen lassen, die uns nun in der Endabrechnung fehlen und sehr weh tun.

Die Maßnahme mit den gelben Auswärts-Trikots wurde Ihnen nach der Niederlage um die Ohren gehauen.

Wir haben alles versucht, alles gegeben. Dass man diese Aktion mit den gelben Trikots, dem gefühlten Auswärtsspiel und dem Aberglauben ins Lächerliche zieht, ist nicht in Ordnung. Warum sollen wir nicht etwas Ausgefallenes probieren? Wir haben ein Tages-Trainingslager bezogen, ein zweitägiges Trainingslager, wir haben es mit psychologischen Aspekten versucht und jetzt diese Aktion.

War die "Auswärts-Sieg"-Reaktion von den Rängen eine Bestätigung?

Den Fans hat es gefallen, sie haben toll mitgemacht und uns in unserem Handeln unterstützt. In einer solchen Situation musst du auch mal besondere Maßnahmen ergreifen. Als Trainer hinterfragst du dich auch immer wieder, versuchst den Arsch hoch zu kriegen. Was kannst du noch anders machen? Ich bin einer, der nicht gerne verliert. Deshalb versuchen wir weiter alles, auch um den Heimkomplex endlich abzulegen.

MSV-Trainer Rudi Bommer. (Foto: firo)

Nach einem Rückschlag will man in den meisten Fällen sofort wieder ran. Ist das freie Wochenende jetzt genau verkehrt?

Wenn ich ehrlich bin, kommt mir die Spielpause ganz gelegen. Die hängenden Köpfe in der Kabine waren mir einfach zu viel. Zum einen können wir mal kräftig durchatmen und zum anderen die Schädel frei kriegen. Wir waren jetzt mal laufen. Im Wald, in der Nähe des Zoos. Die Jungs sollten nachdenken, in sich gehen. Deshalb habe ich sie zwei Tage weggeschickt, gestern und heute frei gegeben. Sie sollten mal richtig abschalten, bei der Familie sein oder sich in Ruhe das Pokal-Endspiel anschauen.

Was bewirkt das?

Alle sollen positiv in sich hineinhören, die Gedanken wegpusten und sich neues Selbstvertrauen holen. Das Negative sitzt einfach zu fest und der Frust tief. Und Frust blockiert den Körper. Wenn du mit deiner Familie zusammen bist, kannst du das am besten bekämpfen. Danach geht es hier wieder konzentriert weiter.

Mit Kopfwäschen, drastischen Maßnahmen oder mit Besonnenheit?

Was soll ich da jetzt noch mit dem großen Hammer dazwischenhauen und mit dem eisernen Besen durchkehren? Wir brauchen Ruhe, Zeit zur Besinnung. Gestandene Spieler wie Ivica Grlic, Mihai Tararache oder Iulian Filipescu, bei denen das Positive des Erlebten überwiegt, müssen auf die anderen einwirken.

Nach dem Erfolg in der Aufstiegs-Saison wirkt die aktuelle Serie wie eine Trickkiste, Sie müssen permanent pushen, basteln, aufrichten. Schwierig? Insgesamt gesehen, ist das schon ein extremes Jahr. Angefangen mit den Problemen im personellen Bereich, wo wir eigentlich nie wirklich immer mit der gleichen Elf aufs Feld gelaufen sind. Die Formation musste immer durchgewirbelt werden. Wir haben so viel abgefackelt, aber nichts klappte und hat wirklich gefruchtet. Aber immer dieser eine Fehler, dieser eine Bock, der stört mich. Das ist in der Bundesliga entscheidend. Eine Etage tiefer könntest du in der Endphase ein 0:1 noch in ein 2:1 drehen.

Es hapert aber nicht nur hinten, richtig?

Uns fehlt im Zweikampf das Vertrauen und wir werden dadurch schnell hektisch. Vorne mangelt es an Durchschlagskraft. Der Mut, auch einmal in Eins-gegen-Eins-Situationen zu gehen, den Zweikampf zu suchen. Ich habe den Jungs mal symptomatisch für diese Situation das beherzte Vorstoßen von Tobi Willi gegen den KSC vorgeführt. Er ist zwar gescheitert, aber der Versuch, die bloße Aktion war schon sehr gut. So müssen wir agieren und nicht bei einem Fehlversuch hinten rum spielen oder vorzeitig abbrechen.

Hinzu kommt noch, dass immer wieder deutlich wird, dass kein echter Häuptling auf dem Platz steht, der die Mannschaftsteile ordnet.

Ja, das muss von außen kommen, weil plötzlich bei 0:0 alle nach vorne rennen, anstatt hinten kompakt zu stehen. Nur von der Bank aus erreichst du die gegenüberliegende Seite nicht immer. Das nehme ich den Jungs nicht krumm oder mache ihnen einen Vorwurf. Wir haben zu viele gleiche Typen dabei. Keiner, der herausragt und den Ton angibt. Das sind alles Dinge, die man nach einer Saison auf den Tisch bringen kann, um zu analysieren und zu bilanzieren – das geht jetzt nicht. Wir befinden uns mitten im Abstiegskampf, müssen uns darauf konzentrieren. Drei Punkte aufzuholen, das ist nach wie vor machbar.

Der nächste Gegner heißt Bochum. Geht da was?

Letztendlich ist es uns egal, wer da kommt oder ob wir auswärts antreten. Die Jungs können überall punkten, auch daheim. Wir sind nach wie vor dran. Sicherlich sind wir im Moment schon wieder von den meisten Medien abgeschrieben, aber das waren wir vor drei oder vier Wochen auch schon. Wir sind immer wieder aufgestanden. Das werden wir nun auch tun.

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