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Die reizenden Skat-Damen aus Mülheim
Männer sichern das Überleben

Ein Stück Heimat: Die reizenden Skat-Damen aus Mülheim
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Wenn sich in Mülheim-Styrum einmal in der Woche die Mitglieder des ältesten Damen-Skatclubs Nordrhein-Westfalens treffen, wird gereizt und gestochen, was die drei Stunden hergeben. Lange Zeit war Skat, als Sport, eine reine Männerdomäne. Grund genug für Inge Trebe und Helga Kanies, an einem kalten Novembertag im Jahr 1964 einen reinen Damen-Skatclub ins Leben zu rufen.

Die von ihren Skat spielenden Ehemännern vernachlässigten Frauen beschlossen über eine Zeitungsannonce für ihre damals eigenartigen Gemeinschaft Mitspielerinnen zu werben. Immerhin zehn Damen erschienen zum ersten Termin – und so dauerte es nicht lange bis der Skatclub „Reizende Damen“ gegründet war – der älteste Verein seiner Art in Nordrhein-Westfalen. Noch immer wird sich jeden Dienstagabend im Gasthaus Feldmann in Mülheim-Styrum zum Spielen getroffen. Zu dritt oder zu viert wird in lebenslustiger Atmosphäre an den Tischen ein ordentlicher Skat gedroschen.

Beim ersten Blick in den Saal ist von einem reinen Frauenvergnügen jedoch nichts zu sehen. „Seit ein paar Jahren lassen wir auch die Männer mitspielen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir den Verein damals nicht sterben lassen wollten. Die Jugend interessiert sich weniger für den Sport und wenn es dann doch mal Jüngere gibt, dann sind das meist männliche Spieler“, erklärt Gisela Stumpf die sich ändernden Verhältnisse.

In Expertenkreisen schätzt man, dass es heute etwa 15 Millionen Skatspielerinnen und –spieler in ganz Deutschland gibt. Laut einer Statistik kommt allerdings nur jede 20. Frau mit dem Kartenspiel zurecht. Und so finden sich in kleinen, illustren Runden 26 Frauen und Männer zwischen 37 und 81 Jahren zusammen.

Es wird gereizt, getrumpft, gestochen und man merkt schnell, dass der Verein längst zu einer innigen Gemeinschaft herangewachsen ist. Musik wird nicht gespielt, dafür stehen Wasser, Cola und ein paar Flaschen Bier beiseite. „Wir sind aus sämtlichen Kneipen rausgeflogen, weil die Wirte trotz unserer großen Gruppe keinen Umsatz gemacht haben. Seit Anfang der 90er sind wir nun hier im Gasthaus Feldmann, wo wir ungestört spielen und uns sogar Getränke von daheim mitbringen dürfen“, schmunzelt Stumpf, die gleichzeitig die Gruppenkasse leitet. Zwar hat Poker dem Skat inzwischen den Rang als beliebtestes Kartenspiel abgelaufen, Detlef Wolff, 1. Vorsitzender des Vereins, wähnt Skat dennoch wieder im Kommen: „Auch ich spiele gerne Poker übers Internet und wenn es einen Poker-Verein hier gäbe, würde ich auch dort mitmischen, aber letztlich ist es gerade dieses Beisammensein, ohne verbissen auf’s Geld zu schauen, was gefällt. Skat macht mehr Spaß.“ Dem 51-Jährigen ist die Passion für seinen Sport deutlich anzumerken: „Keine Partie ist gleich. Die Variationen sind genial. Nach dem Geben hat jeder Spieler über drei Millionen Möglichkeiten, die Karten in seiner Hand zu ordnen. Allein der Reiz, wissen zu wollen, was hat der Gegenüber in der Hand, macht es aus. Allerdings spielen wir bewusst nicht um Geld und auch das Preisskat tragen wir nicht mehr aus. Es hat einfach nicht zu einer entspannten Spielatmosphäre geführt.“

Die größten Erfolge liegen inzwischen Jahrzehnte zurück. Nur neun Monate nach der Gründung holten sich die „Reizenden Damen“ in Bremen die Deutsche Meisterschaft, 1986 gelang gar der große Wurf in der 1. Bundesliga. „Für uns ging es dann auch schon mal nach Berlin, Würzburg oder Neumünster zu einem Turnier, wir sind schon gut herum gekommen“, erinnert sich Edith Kleck. Dass die langen Touren inzwischen der Vergangenheit angehören, stört aber niemanden. „Die Bundesliga ist für uns nicht mehr machbar, in der Hinsicht nehmen wir das Ganze dann auch nicht so verkrampft wie manch anderer Verein. Wir haben viele ältere Stammmitglieder, die nicht mehr so reiselustig sind. In erster Linie soll es hier gesellig sein“, begründet Wolff die Entscheidung.

So richtig voll wird es allerdings zur Stadtmeisterschaft, denn dann rücken stets über 30 Vereine, allesamt aus Mülheim, in die Begegnungsstätte der Feldmann-Stiftung an, in der sonst neben dem Kartenturnier vornehmlich Gemälde ausgestellt werden oder der Geschichtsgesprächskreis tagt. Stadtmeister wurden die „Reizenden Damen“ natürlich des Öfteren, so mancher Pokal verziert die Vereinsvitrine.

Ein kleines Highlight des Vereins war die Jubiläumsfeier 2004 zum 40-jährigen Klub-Bestehen. Diese Ausdauer ist nicht zuletzt dem Gründungsmitglied Inge Trebe zu verdanken, die selbstverständlich immer noch aktiv bei den Skatspielen anzutreffen ist. Lediglich an diesem Dienstag muss die 78-Jährige gesundheitsbedingt passen.

Damit der Skatclub auch weiterhin fortgeführt werden kann, ist es wichtig, dass neue Leute hinzu stoßen. „Es kann jeder gerne vorbei kommen, reinschnuppern und mitspielen, egal wie alt er oder sie ist“, freut sich Wolff auf neue Interessenten. Zu wünschen wäre es. Damit die „Reizenden Damen“ auch weiterhin so charmant auftrumpfen können.

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