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EM 2016
So denkt Matthäus über Reus und Sané

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Sven Heinze, Lothar Matthäus, Sven Heinze, Lothar Matthäus
Sven Heinze, Lothar Matthäus, Sven Heinze, Lothar Matthäus Foto: firo
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Lothar Matthäus hält Joachim Löw für einen Glücksfall für den deutschen Fußball. Bei der EM in Frankreich rechnet er mit einem Durchstarter aus Schalke. Das große Interview.

Sehr bitter ist das EM-Aus für Marco Reus – recht recht vor dem Hintergrund seiner gesamten Karriere, in der er noch keinen Titel gewonnen hat. Marco Reus ist in seiner Entwicklung leider stehengeblieben. Als er vor drei Jahren zu Borussia Dortmund gewechselt ist, war da eine Leichtigkeit, eine Frische und Lust zu erkennen. Mittlerweile sehe ich diese nicht mehr. Ausbleibende Titel und die vielen Verletzungen spielen dabei natürlich eine Rolle. Es ist klar, dass er viel nachdenkt - vielleicht nimmt ihm das die Stärke, um die richtigen Leistungen zu bringen. Marco ist in Dortmund gut aufgehoben, aber für einen Spieler wie ihn kann es nicht zufriedenstellend sein, keinen Titel geholt zu haben und bei jedem großen Turnier verletzt zu sein.

Wer im deutschen Team hat das Zeug zur großen Überraschung? Jogi Löw vertraut auf seine Leute, die ihn seit Jahren unterstützen. Das hat man jetzt auch bei der Nominierung wieder gesehen. Die ist in Ordnung.

Aber? Wenn man genauer hinschaut, muss man fragen: Was ist im letzten halben Jahr an Leistung passiert? Wer hat sie gebracht, und wer nicht? Wenn ich sehe, was ein Julian Brandt gezeigt hat in den letzten drei, vier Monaten und dann auf der gleichen Position andere mehrere Nominierte…

Marco ist in Dortmund gut aufgehoben, aber für einen Spieler wie ihn kann es nicht zufriedenstellend sein, keinen Titel geholt zu haben und bei jedem großen Turnier verletzt zu sein

Lothar Matthäus über Marco Reus

Mario Götze? Nein, gar nicht mal Mario, den sehe ich sowieso eher in der Mitte als auf den Außen, denn dafür bringt er gar nicht die Geschwindigkeit mit. Ich meine bezüglich Brandt eher die beiden Wolfsburger Schürrle und Draxler und Podolski. Sie sind mir in den letzten Monaten nicht so sehr aufgefallen. Ich weiß nicht, was Dortmund und Leverkusen falsch gemacht haben, weil sie in Leno und Weigl jeweils nur einen EM-Fahrer haben, wenn man mal den künftigen Münchner Mats Hummels außen vor lässt.

Herzlich wenige EM-Teilnehmer für den Zweiten und Dritten der Bundesliga. Löw hat eben einen gewissen Hang zu Spielern, die ihm schon lange Folge leisten. Deswegen wird es für Julian Weigl auch wahrscheinlich schwierig, an Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira vorbeizukommen.

Was halten Sie von Leroy Sané? Ihm gehört genauso wie Brandt die Zukunft auf der Außenposition. Wenn ihre beiden Karrieren so weitergehen wie in den letzten zwölf Monaten, brauchen wir keine Angst zu haben für die Nationalmannschaft. Sané ist einzigartig in der Geschwindigkeit, hat Gefühl für den Ball und arbeitet auch jetzt schon relativ gut mit nach hinten. Sollte der Bundestrainer Thomas Müller nicht rechts spielen lassen, könnte Sané die Lücke schließen, denn alle anderen Konkurrenten sind entweder nicht dabei oder spielen links. Wenn er das Vertrauen bekommt, kann er eine gute Rolle spielen.

Sie hatten Ihre großen Auftritte eher bei Welt- als bei Europameisterschaften. Die EMs sind sicher nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich möchte sie trotzdem nicht aus dem Gedächtnis streichen.

Hatte speziell die EM 2000, als das Aus bereits in der Vorrunde kam, Auswirkung auf Ihre bevorstehende Trainerkarriere? Kann ich mir nicht vorstellen. Was hat eine nicht erfolgreiche EM mit einer möglichen Trainerkarriere zu tun?

Bundestrainer Erich Ribbeck hatte Sie von einer Teilnahme noch einmal überzeugt, waren direkt beteiligt. Letztlich wären Sie aufgrund Ihrer Vita als Rekordnationalspieler eher als Rudi Völler prädestiniert gewesen, nach dem Ribbeck-Aus und der Affäre um Christoph Daum Bundestrainer zu werden. Ich stand noch in New York unter Vertrag, war vielleicht auch noch zu nah an der Mannschaft. Rudi hatte schon vorher aufgehört. Als er vier Jahre später sein Amt abgegeben hat, ist Franz Beckenbauer auf mich zugekommen. Aber dann hat man sich für Jürgen Klinsmann entschieden. Was in Ordnung ist. Wenn 2004 der gesamte DFB hinter mir gestanden hätte, wäre es sicherlich interessant geworden. Aber auch so hat alles zu der Zeit, als ich als Trainer mit Belgrad Champions League gespielt habe und dann nach Ungarn gegangen bin, alles gepasst.

Sané ist einzigartig in der Geschwindigkeit, hat Gefühl für den Ball und arbeitet auch jetzt schon relativ gut mit nach hinten.

Lothar Matthäus über Leroy Sané

Haben es Weltstars generell schwieriger, Trainer zu werden? Das kommt ganz darauf an, wie man damit umgeht. Als vor sechs Monaten Zinedine Zidane Trainer geworden ist in Madrid, haben erfolgreiche Trainer aus Deutschland erklärt: Wie kann man nur, das ist doch zu viel Druck, der hat doch nicht die Erfahrung. Ich habe gesagt: Das ist der Glücksgriff für Real Madrid. Es kommt ja darauf an, wie dieser ehemals erfolgreiche Star vom Verein unterstützt und von seinen Spielern gesehen wird. Man muss auch da fair sein und kann an einen Trainer, der einen Namen hat, keine utopischen Forderungen stellen. Vielleicht ist das ab und zu ein Problem, dass von einem Trainer das gleiche erwartet wird, was er als Spieler erreicht hat.

Was unmöglich ist. In Belgrad konnte niemand von uns erwarten, Champions-League-Sieger zu werden – die Saison mit mir als Trainer war aber die einzige, in der der serbische Fußball dort vertreten war. Genauso wusste ich, dass wir in Ungarn mit einer im Schnitt 23 Jahre alten Mannschaft gegen Deutschland, Spanien und Brasilien keine Chance haben würde. Aber in Deutschland sucht man dann die schlechten Dinge raus und sagt: Die Bilanz ist knapp positiv oder nur ausgeglichen. Dabei konnte man die Voraussetzungen gar nicht miteinander vergleichen.

Wurde Ihre Arbeit nicht entsprechend gewürdigt? In dem Fall hat der deutsche Journalist über etwas geschrieben, bei dem er sich überhaupt nicht auskannte. Der war nie hier, beobachtete nur mit dem Fernrohr, das noch nicht einmal bis nach Ungarn reichte. Bei einer Niederlage wurde dann immer gleich draufgehauen. Dirk Schuster hat in Darmstadt eine Riesenarbeit abgeliefert, die wird gewürdigt, weil man sie Woche für Woche in Deutschland sieht – aber Meister ist er auch nicht geworden, sondern nur nicht abgestiegen. Ich kann damit leben, weil die Leute aus meinem Arbeitsumfeld einschätzen konnten, was erreichbar war und was nicht. In meinem Journalismus, den ich betreibe, bringe ich nur das herüber, was ich auch vertreten kann. Denn ich würde mir schlecht vorkommen, etwas über jemanden zu sagen, das absolut nicht stimmt oder ich nicht beurteilen kann. Nur wer mich ständig begleitet hat, kann beurteilen, ob Lothar Matthäus ein guter oder schlechter Trainer ist.

Kommen wir noch einmal auf Ihre Rolle als Experte zurück. Glauben Sie an den EM-Titel für das Löw-Team? Ja, denn es ist mit die beste Mannschaft.

Wer sind die Konkurrenten? Auf jeden Fall Frankreich, vielleicht auch England. Und die Belgier schätze ist stark an. Dazu wird es noch die ein oder andere Überraschung geben, Österreich zum Beispiel.

Sie haben Spanien vergessen. Nein, denn ich glaube nicht, dass Spanien Europameister werden kann. Dafür ist die Mannschaft mittlerweile zu alt. Früher haben sechs Spiele zum Titel gereicht – jetzt muss man aber sieben Spiele auf höchstem Niveau durchstehen.

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