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Fortuna Köln: 11.733 Fans dürfen ab sofort mitbestimmen
Keine Marionette, aber Big Brother

Fortuna Köln: 11.733 Fans dürfen ab sofort mitbestimmen
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TV-Entertainer Stefan Raab ist dabei, FC-Präsident Wolfgang Overath ebenso, Ex-Nationalspieler Jens Nowotny ist der Berater und Filmregisseur Sönke Wortmann wirbt begeistert für das Projekt.

Trainer Matthias Mink stellt sich der neuen Herausforderung mit deinfussballclub.de.

Matthias Mink stellt sich der Herausforderung. Der Trainer der Kölner Fortuna ist der erste Coach, der fast 12.000 Co-Trainer an der Seite hat und sich im Web gegenüber den deinfussballclub.de-Mitgliedern rechtfertigen muss. Doch Mink, der für den SC 156 Spiele in der zweiten Liga bestritt, ist so eng mit dem Verein verbunden, dass er das Projekt nicht als Hemmschuh, sondern als Motivationsschub ansieht. Wie er damit umgeht, dass quasi Jedermann seine Arbeit bewerten und umwerfen darf, verrät er im Gespräch mit RS.

Herr Mink, sind Sie eine Marionette der Mitglieder?

Nein, so fühle ich mich nicht.

Aber die Fans stellen am Freitag gegen Aachen II zum ersten Mal die Mannschaft auf, oder nicht?

Die Anhänger dürfen über eine Aufstellung abstimmen, Spieler in die Mannschaft wählen und anhand von verschiedenen Spielsystemen kann man auch die Taktik zusammenstellen. Die Truppe, die die Mehrheit bekommt, wird mir vor dem Match vorgelegt. Aber unabhängig davon habe ich natürlich schon meine Elf aufgestellt, die auch spielen wird. Aber die möglichen Abweichungen muss ich dann nach dem Match begründen.

Also stellen die Fans nicht das Team auf.

Richtig. Ich kann ja nicht meine Vorstellungen, die eine Woche gewachsen sind, innerhalb von einer Stunde verwerfen. Ich habe Trainingseindrücke gesammelt und muss die Jungs auf den Gegner einstellen. Die Analyse gebe ich den Usern im Laufe der Woche vor einem Spiel an die Hand, sodass jeder auf einem sehr guten Wissensstand ist. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, damit die Mitglieder die richtigen Entscheidungen treffen können. Das geschieht über den Chat oder kurze Infos, die von mir herausgegeben werden.

Aber wo liegt dann der Reiz, wenn ich beispielsweise gar keinen Torwartwechsel vornehmen kann?

Die User haben immensen Einfluss auf Managementaufgaben wie Transfers. Auch im Hinblick auf die Lizenzierung konnten sie abstimmen.

Wurde der ehemalige Wattenscheider Yves Lupito, der sich im Probetraining bei Ihnen vorgestellt hat, von den Usern oder von Ihnen abgelehnt?

Weder noch, denn es war der zeitliche Aspekt, der den Transfer unmöglich gemacht hat.

Wie gehen Sie denn damit um, dass Ihnen Dinge vorgeschrieben werden, die normalerweise nur Sie alleine entscheiden würden?

Man muss lernen, mit Drucksituationen umzugehen, schließlich muss man sich 12.000 Mitgliedern stellen. Aber das muss man als reizvoll empfinden, wenn man sich als Trainer weiterentwickeln will. Wir haben beispielsweise nach dem Pokal-Aus gegen Velbert schon einmal einen Chat veranstaltet. Die Kritik ging allerdings nicht unter die Gürtellinie. Alle sind bemüht, zielgerichtet zu arbeiten.

Welche Vorteile sehen Sie in dem Modell?

Als kleiner NRW-Liga-Verein sind wir in einer Rolle, die vom öffentlichen Interesse her der zweiten Liga zuzuordnen wäre. Wir sind gläserner und transparenter. Aber Fred Rutten muss sich den Anhängern doch auch stellen. Beim Training oder auch nach dem Spiel. Deshalb ist es nichts Weltfremdes.

Also wie Big Brother. Doch Ihre Zukunft ist an die Meinung der User geknüpft.

Stimmt, aber das ist doch nirgendwo anders. Wenn die Fans einen Trainer nicht mehr wollen, schreien sie ihn im Stadion raus. Bei uns geht das virtuell. Wenn ich drei Mal verliere, kommt mit Sicherheit auch die Trainerfrage auf. Doch für so eine Abstimmung braucht man zehn Prozent der Mitglieder, damit diese auch offiziell wird. Das ist schon sehr demokratisch. Natürlich bin ich irgendwo in der Hand von 12.000 Co-Trainern, aber das ist okay, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es Sinn und Zweck des Jahresbeitrags ist, jemanden feuern zu wollen. Das macht mir keine Angst. Es ist eine fundierte Spielerei, mit dem Ziel, erfolgreich zu sein.

Geht das mit Fans, die mit dem Herzen und nicht mit dem Verstand denken?

Deshalb dürfen nicht zu viele Emotionen mitspielen, denn die führen vielleicht zu Fehlern. Als mir das Projekt vorgestellt wurde, war ich natürlich skeptisch. Aber ich bin vom Typ her immer offen für Neues. Jetzt kann ich es mir nicht mehr anders vorstellen.

Am Freitag werden die Mitglieder vor dem Duell gegen Aachen II die erste Mannschaftsaufstellung herausgeben. Wie läuft das Prozedere genau ab?

Ich werde um 18 Uhr noch einmal mit Usern chatten, kurz davor bekomme ich die Abstimmung. Ich sitze bei den Jungs vom DFC in der Geschäftsstelle und versuche, den Usern meine Sicht der Dinge und meine Aufstellung zu erklären.

Und wenn es schief geht und Sie verlieren, weil Sie einen Spieler aufgestellt haben, den die Mitglieder nicht wollten?

Gegenfrage: Kann man mit der Aufstellung falsch liegen? Ich werde auch häufig gefragt, warum ich mit nur einer Spitze spiele. Doch ich weiß den Leuten schon zu vermitteln, dass wir mit vier oder fünf Offensivspielern agieren. Anstelle des 4-3-3-Systems bevorzugen wir das 4-2-3-1, was der Aufstellung der Fans aber sehr nahe kommt. Ich hoffe, dass die Leute es verstehen.

Aber trauen Sie den Anhängern so ein fundiertes Fachwissen zu, dass sie solche Nuancen wirklich differenziert beurteilen können ?

Nein, aber ich traue mir zu, dass ich es verständlich rüberbringe und ich eine Vertrauensbasis zu den Usern aufbaue.

Welchen Wunsch haben Sie für das Projekt?

Dass wir alle nicht zu forsch an die Sache herangehen, sondern diesem Konzept die Chance zur Weiterentwicklung geben. Deshalb darf man nicht so streng mit den Verantwortlichen ins Gericht gehen.

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