Abgehoben? Die umstrittene Flugreise der Nationalmannschaft von Stuttgart ins 240 km entfernte Basel war für viele Fans deutlich schlimmer als der schwache Auftritt gegen die Schweiz (1:1). Ein regelrechter Shitstorm brach im Internet über den Deutschen-Fußball-Bund (DFB) herein, der zuletzt ein Nachhaltigkeitskonzept offensiv beworben hatte. „Wären wir mal besser auf dem Boden geblieben“, sagte Rio-Weltmeister Per Mertesacker süffisant im ZDF.
Zu dieser Erkenntnis könnte angesichts der heftigen Fan-Reaktionen vielleicht auch der DFB gelangt sein. Zumindest zeigte man im Verband zwei Tage nach dem Kurzflug am Samstag Verständnis für die Aufregung - doch die Entscheidung gegen einen klimafreundlicheren Transport mit dem Bus oder der Bahn wird öffentlich weiterhin verteidigt.
„Wir können die kritischen Stimmen nachvollziehen und nehmen die entstandene Diskussion zum Anlass, uns zu hinterfragen, wie wir künftig die wichtigen Aspekte Umwelt und Nachhaltigkeit stärker in unseren Planungen und Entscheidungen berücksichtigen können“, wird DFB-Direktor Oliver Bierhoff auf der Verbands-Internetseite zitiert.
Aus Gründen der Hygienesicherheit und der besseren Regeneration sei das Flugzeug jedoch „die bessere Wahl gegenüber einer dreieinhalbstündigen Busfahrt oder der Fahrt mit der Bahn mit Umsteigen“ gewesen, argumentierte Bierhoff. Man habe angesichts des vollgepackten Terminplans in dieser Saison auch eine Verantwortung den Klubs gegenüber, „damit die Spieler gesund zurückkehren“.
Auch Nationalspieler Thilo Kehrer betonte, es sei für die Regeneration „ein Unterschied, ob man drei oder dreieinhalb Stunden sitzt oder 45 Minuten“. Außerdem, so heißt es aus dem DFB, sind Charterflüge die klare Empfehlung der UEFA bezüglich der Anreise in Corona-Zeiten.
Bei vielen Fans stießen diese Argumente aber auf taube Ohren, für sie war die Aktion einzig dem größeren Komfort geschuldet und ein weiterer Beweis für die Entfremdung des Profifußballs von der Basis. Auch ZDF-Kommentator Oliver Schmidt hatte den Flug während des Spiels live kritisiert.
Dass der DFB die Anreise auf seinen Netzwerkseiten auch noch mit einer Fotostrecke prominent dokumentierte, machte die Sache für die meisten natürlich nicht besser. „Dumm“, „asozial“, „zukunftsvergessen“ - die Kritik war heftig und dürfte ein schwerer Rückschlag für die Nationalmannschaft im Bestreben nach größerer Fannähe sein.
Dass das DFB-Team mit dem Pflichtspiel in der Schweiz (6,51 Millionen Zuschauer) das Quoten-Duell gegen den frisch aus der Sommerpause zurückgekehrten ARD-Tatort (8,26) verlor, sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Im Vorfeld war sich Bundestrainer Joachim Löw noch sicher gewesen, dass sich der Fußball gegen das beliebte Krimi-Format „durchsetzt“.
Ein Zuschauer, der sich für das Länderspiel entschied, nahm die Flugreise zum Anlass für einen spöttischen Twitter-Kommentar: „Partie wie DFB-Anreisen: Alles ohne Zug.“ sid