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Wie zwei hessische Amateurfußballer zu Nationalspielern wurden
Helden wie wir

Zwei afghanische Volkshelden: Für Barak (Nr. 15) und Habib (Nr. 11) wurde ein Fußballmärchen wahr.
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Einmal Nationalspieler und zurück: Wie zwei Amateurfußballer aus der Oberliga Hessen für ein langes Wochenende zu Volkshelden in Afghanistan wurden. Die Geschichte eines Fußballertraums, der wahr wurde.

Am 26. Oktober 2007 standen Harez Habib und Yusuf Barak also in der Mittagssonne von Duschanbe auf dem ausgeblichenen Rasen des Zentralstadions und lauschten den Klängen der Nationalhymne »Soroud-e-Melli«. Der afghanische Kanal »Ariana TV« übertrug das Spiel live in 41 Länder, rund zehn Millionen Afghanen fieberten vor den Bildschirmen mit. Während die Spitzenspiele in Lohfelden im Höchstfall 500 Zuschauer mobilisieren, waren nun 2000 im Stadion. Yusuf Barak war von seinem Orthopäden in Deutschland kurz vor der Abreise unterrichtet worden, dass er zwei Leistenbrüche habe. Noch in der Umkleide plagten ihn so schlimme Bauchschmerzen, dass er fürchtete, nicht auflaufen zu können. Nun schossen ihm bei der Hymne die Tränen in die Augen und das Adrenalin betäubte das unangenehme Ziehen im Unterleib. »Erst in diesem Moment begriff ich, was für eine unglaubliche Geschichte mir widerfuhr.«

Stärk hatte eine Mixtur aus sieben Leistungsträgern vom Meister FC Kabul Bank und vier deutschen Exilanten aufgeboten. Schon nach wenigen Minuten folgte das Team den Kommandos von Habib im zentralen Mittelfeld. Mit Erfolg. Eine deutsch-deutsche Co-Produktion brachte die Not-Truppe nach 15. Minuten in Führung. Einen Pass von Habib vollstreckte Karimi aus Norderstedt zum 1:0. Ein geschichtsträchtiger Moment, von dem auf dem Platz noch niemand etwas ahnte: Es war das erste Pflichtspieltor einer afghanischen Nationalelf seit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen 1979. Im Krieg hatte es keinen organisierten Fußball gegeben. Während des Taliban-Regimes drohte jedem Afghanen, der den Sport ausübte, eine Gefängnisstrafe. Erst mit der Demokratisierung 2003 kehrte das Spiel nach Afghanistan zurück.

Habib und Barak wurden ohne ihr Wissen zu Geburtshelfern einer neuen Fußball-Euphorie in ihrer Heimat. Einer Heimat, die sie fast nur noch aus den Erzählungen der Eltern und den Fernsehberichten kannten. In ganz Afghanistan gibt es nur ein Stadion, das über einen Rasenplatz verfügt – das 60 000 Zuschauer fassende Olympiastadion in Kabul. Und auch das ist ein besserer Acker, weil fast alle Ligaspiele dort ausgetragen werden. In dem Wissen, dass es den Team-Kollegen am Nötigsten mangelt, brachten die beiden Kicker aus Hessen 20 Aufwärmtrikots als Geschenk für die Mannschaft mit.

Am Ende siegte Syrien mit 2:1. Doch Afghanistan feierte, als gäbe es kein Morgen. Mädchen kamen mit ihren Müttern von der Tribüne und umringten mit Tränen der Rührung in den Augen die Spieler. Habib und Barak mussten Autogramme schreiben und in die Mikrophone von wild gestikulierenden Reportern sprechen. Die Ersatzspieler fielen den beiden Hessen um den Hals und versicherten nun: »Für euch setzen wir uns gerne auf die Bank.« Bei den Eltern in Kassel stand das Telefon nicht mehr still. Bekannte aus Afghanistan riefen an, um sich zu bedanken und zu gratulieren. Habib erklärt: »Die haben sich gefreut, dass wir aus Deutschland unsere Ärsche dahin bewegt haben, um mitzuhelfen.« Für den angehenden Politologen und Sozialpsychologen war die Reise nach Tadschikistan auch die Chance, Verantwortung zu zeigen. »Unsere Flucht nach Deutschland war ein großes Glück für mich und meine Familie – es wird Zeit, dass wir etwas davon zurückgeben.«

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