Startseite » Fußball » 1. Bundesliga

Interview mit „Ata“
"Ja, es war ein Traum"

Ata Lameck: "Ja, es war ein Traum"
VfL Osnabrück
VfL Osnabrück Logo
16:30
Rot-Weiss Essen Logo
Rot-Weiss Essen
18+ | Erlaubt (Whitelist) | Suchtrisiko | Hilfe unter www.buwei.de | -w-

Auch wenn er nicht gerne im Rampenlicht steht - zum 60. Geburtstag hat sich "Ata" für RevierSport Zeit genommen und blickt auf seine Karriere zurück.

„Ata“ hat sich verspätet. Er stand im Stau. „Sowas ärgert mich immer unheimlich“, schnaubt Ata, ehe er noch einmal einen kurzen Schwatz mit Olaf Dreßel, seinem Kollegen aus der Traditionsmannschaft, hält. „Ata“ ist ein Arbeiterkind. Er hat sein erstes Geld verdient, indem er Kohlen verkaufte und Kegel aufstellte, um sich davon ein paar Fußballschuhe zu kaufen. Das Verhältnis zu Journalisten ist herzlich, aber distanziert. „Bei mir ist Fußball 2+2 = 4. Bei einigen Journalisten kommt dabei aber sechs oder acht raus.“ Es kann losgehen. „Ihr habt doch schon alles über mich“, witzelt „Ata“ noch. Zwei Stunden später ist diese Behauptung widerlegt.

Vor wenigen Tagen wurden Sie 60 Jahre. Was bedeutet Ihnen dieser runde Geburtstag?

Ganz ehrlich, nichts. Die Gesundheit ist längst wichtiger als ein runder Geburtstag. Auch wenn ich mich fit fühle, auch ich werde älter, kränker. Ich habe meine Hauptschlagader leicht zu und muss aufpassen. Das ist familienbedingt. Mein Arzt hat mich vor einiger Zeit gefragt: ‚Herr Lameck, wollen Sie leben oder sterben?‘ Deshalb muss ich mittlerweile auch auf meine Ernährung achten.

Und dann ist da noch die Hüfte...

Vor acht Wochen habe ich eine neue bekommen. Ich bin nie mit meinem linken Bein richtig aufgetreten, auch während meiner Karriere nicht. Dadurch wurde es immer kürzer. Ich habe lange gewartet, aber jetzt bin ich froh, dass ich es gemacht habe. Und Gerd Müller hatte schon zweimal eine neue Hüfte und spielt sogar wieder Tennis. Während Ihrer 17 Jahren als Profi wurden Sie von Verletzungen dagegen verschont.

Ich hatte tatsächlich nur einmal Blinddarm sowie eine Leistenverletztung. Das hat mich damals vier Spiele gekostet. Am Ende hatte ich zudem noch Probleme mit der Achillessehne. Ich bin wirklich glücklich, dass ich keine schwere Verletzung hatte. Dafür bin ich noch heute dankbar.

Auch deshalb, sowie durch die Probleme mit der Hüfte, spielen Sie mittlerweile nur noch selten in der Traditionsmannschaft.

Wenn die Jungs mich reizen, lass ich mich ab und zu noch einwechseln (lacht). Beim letzten Spiel gegen Herne hab ich den Jungs gesagt: „Wenn ich reingeh, mach ich ne Bude“. ‚In tausend Jahren nicht‘, musste ich mir anhören. Also, Pullover aus und rein. Wir haben Billard mit denen gespielt und ich hab zwei Buden gemacht. Aber wenn du dann nach Hause fährst, das ist ein rumgeiere wie ein Hering. Da kannste vielleicht eine Stunde schlafen, dann ist Feierabend. So sehr tun dir die Knochen weh. Ich hab das zwei Jahre mitgemacht. Jetzt ist Ende. Deshalb war die Hüftoperation eine sehr gute Idee.

Am ersten Spieltag wurden im Rahmen der offiziellen Saisoneröffnung 18 Legenden, je einer aus einem Klub, präsentiert und gefeiert. Sie waren dabei.

Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, so schön war das. Da wird auch ein runder Geburtstag nicht mehr so wichtig. Das war mein erster Tag ohne Krücken und eigentlich nicht zu beschreiben. Die Jungs sind alle menschlich geblieben, man hat sich begrüßt, als hätte man erst vor 14 Tagen gegeneinander gespielt. Es war wunderbar. Dieser Abend ist nicht zu toppen.

Sie gelten als bodenständig und treu. Was hat Sie 17 Jahre beim VfL gehalten? Das Geld dürfte es sicher nicht gewesen sein.

Nein, ganz sicher nicht. Wenn ich so gut verdient hätte, würde ich heute in Monaco oder der Schweiz leben (lacht). Die Freunde haben sicher eine Rolle gespielt, außerdem bin ich wirklich bodenständig.

Es scheint, dass Ihr Weg zum VfL vorgezeichnet war. Gab es keine weiteren Anfragen?

Als ich noch beim so genannten Lackschuhverein, SW Essen, gespielt habe, bin ich mit der Niederrheinauswahl nach Amsterdam zu einem Jugendturnier gefahren. Dort waren Ajax, Liverpool und Manchester dabei. Wir haben ein Bomben-Turnier gespielt und sind glaube ich Zweiter geworden. Da gab es eine Anfrage von Ajax. Aber ich habe gesagt, tut mir leid, ich habe schon in Essen unterschrieben. Der Klub war damals übrigens in die Landesliga aufgestiegen. Aber ich war 18 Jahre, konnte das überhaupt nicht einordnen, zumal Wechsel ins Ausland auch noch längst kein Alltag waren. Erst einige Jahre später, während der WM 74, ist mir klar geworden, welche Jungs damals bei Ajax gespielt haben. Cruyff, Neeskens, Haan. Hätte ich das damals gewusst oder erahnt, ich wäre gar nicht nach Essen zurückgefahren.

Ihre erste Station war der TuS Essen-West 1881, ehe es Sie zu ETB SW Essen zog. Sie waren allerdings immer der kleine, rothaarige Junge, der sich gegen die Etablierten durchsetzen musste.

Aber ich war ein Kampfschwein, ich wusste immer, dass meine Zeit kommt. Nach meinen drei ersten Toren, ich hab ja als Stürmer angefangen, war ich dann auch nicht mehr der Kleine aus Essen-West. Da hat es Boom gemacht. Da wurden Sie aufmerksam. Und dann kamen die Angebote. Vom VfL, aber auch von anderen Klubs. Und ich hab das Spiel mitgemacht. Wacker Innsbruck, die haben damals Europacup gespielt, hat mich für vier Tage nach Österreich eingeladen. Sie haben mich gehätschelt und betätschelt. Da war Bochum Provinz gegen. Im Probetraining hieß es dann nur: Herr Lameck, wollen Sie uns verarschen? Ich musste das aber erstmal sacken lassen und es hat sich zerschlagen. Auch Fortuna Köln mit Löhring hat mich eingeladen. Mit Schloss und Sauna. Ich habe von vornherein gesagt: Ich komme nur zum verhandeln. Schließlich hatte ich bereits das Angebot vom VfL. Ich wollte nur verhandeln. Also sitze ich da am Rittertisch mit Löhring. Passt, passt, passt. Der hat alles abgenickt. Dann holt er auf einmal die Schreibmaschine raus und will den Vertrag aufsetzen. Doch das konnte ich nicht über das Herz bringen. Ich habe gesagt, ich unterschreibe heute nicht, sondern verhandele nur. Ich wollte sofort in der ersten Bundesliga anfangen. In Bochum waren nur ein paar Zahlen verdreht (grinst), aber auch das haben wir hinbekommen. Auch wenn die Fortuna, die damals in der zweiten Liga gespielt hat, mir immer die Tür offen ließ.

In Bochum galten Sie dann wieder als der Kleine aus Essen.

Ja, aber ich hatte mir geschworen, wenn du schon in der Bundesliga anfängst, willst du auch sofort Stamm spielen. Ich bin im meinem Sommerurlaub deshalb für 14 Tage alleine nach Schönau gefahren und habe zwei Wochen nur trainiert – nur um fit zu sein. Ich war sofort Stammspieler. Und nach meinem ersten Spiel in Braunschweig habe ich nur gedacht: Das ist alles hier? Das ist Bundesliga?

Fast immer müssen Sie erklären, warum Sie trotz 518 Bundesligaspielen keinen Einsatz bei der Nationalmannschaft hatten. Dabei waren Sie mit der B-Elf unter Erich Ribbeck einmal ganz nah dran.

Das war eine wunderbare Zeit. Ja, es war ein Traum. Wir waren in Chicago. Ich habe auch drei von vier Spielen gemacht. Gegen Kolumbien, Jamaika und die US-Nationalmannschaft. Aber der VfL war damals einfach zu klein. Die Nationalmannschaft bestand aus Bayern, Köln und Gladbach.

Mit den Blau-Weißen wurde dann der Grundstein für den Mythos der „Unabsteigbaren“ gelegt...

...wobei es zu der Zeit den Ausdruck ja noch gar nicht gab. Damals hat der VfL noch für kleines Geld gute Leute aus der Umgebung geholt. Auch Kuntz, der hat ja quasi nichts gekostet. Da mussten immer nur ein, zwei Neue, meistens Torjäger, eingebaut werden und das hat sehr, sehr gut geklappt. Ich wollte auch einfach nicht absteigen, auch wenn es einmal fast soweit war. Das wird oft vergessen. Da waren wir zur Halbzeit bereits weg. Wir lagen in Frankfurt zur Pause mit 1:3 zurück. Es war 35 Grad heiß, Trainer Höher war fix und fertig. Wir haben uns in der Kabine nur gesagt, wir gehen jetzt raus und treten auf alles, was sich bewegt. Das war ein Bombenspiel. Wir haben 5:3 gewonnen.

Die Legende der Unabsteigbaren ist längst zerstört, der Traum von Atas Erben geht weiter. Gibt es einen aktuellen Spieler, der das Zeug dazu hat?

Mir hat man mal gesagt, Sebastian Schindzielorz. Aber er hatte zuviele Verletzungen. Kevin Vogt wird sicher ein guter Bundesligaspieler, wenn man ihn ordentlich aufbaut und er ohne schwere Verletzungen bleibt. Auch Dennis Grote, wenn man ihn spielen lässt. Ob noch einmal ein Spieler meine Marke knacken kann? Warum nicht? Es gibt Typen, die passen ganz einfach nur in bestimmte Mannschaften. Aber das war früher auch eine ganze andere Zeit. Das lief nicht so wie heute, wo Spieler nur noch mit Handy und Badetasche kommen. Ein Handwerker gibt seine Werkzeuge auch nie aus der Hand. Ich habe meine Schuhe auch immer selber geputzt.

Deine Reaktion zum Thema

Spieltag

1. Bundesliga

1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5

Neueste Artikel