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Koller in Bochum angekommen / Schock nach Drobny-Abgang
„Sieg über Schalke einfach nur geil“

Koller in Bochum angekommen / Schock nach Drobny-Abgang
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Es hat lange gedauert, doch nach dem Klassenerhalt und dem sensationellen achten Tabellenrang ist Marcel Koller als Trainer endlich richtig in Bochum angekommen. Es gibt viele kleine Indizien dafür, zwei seien an dieser Stelle genannt: Zum einen war es ein Plakat, das die Fan-Gruppe Ultras vor dem Spiel gegen Stuttgart am Zaun befestigte: "Schweiz ist geil – Danke Coach". Eine weitere Ehrung wurde dem Fußballlehrer in der Hausbrauerei Tauffenbach zu teil: Dort hatte der Betreiber Kai Kadenbach dem Trainer einen Stammplatz versprochen, wenn es gelingt, die Klasse zu erhalten.

Viele Spieler antworten unterschiedlich, wenn sie nach dem Schlüsselspiel der Saison gefragt werden. Was war für Sie der Knackpunkt?

Das war zunächst das 3:3 in Berlin. Da habe ich gespürt, dass die Jungs meine Philosophie endlich umsetzen. Da stand nach dem frühen Rückstand eine Truppe auf dem Platz, wo jeder dem anderen geholfen hat. Wir waren keine Einzelkämpfer mehr, sondern ein Team. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als jeder dachte, Hertha haut uns die Bude voll. Dieses gegenseitige Schulterklopfen und Aufrichten, da sind wir eigentlich erst richtig in die Saison gekommen. Und welches war die zweite wichtige Begegnung? Das Match in Leverkusen. Vorher hatten wir schon das eine oder andere Duell, in dem die Spieler meine Vorgaben einigermaßen umgesetzt haben, nicht zu hundert Prozent, weil wir immer noch individuelle Fehler gemacht haben. In Leverkusen war das ganz anders. Da haben wir in der ersten Hälfte alles eins zu eins umgesetzt. Ich hatte Bayer drei Mal live gesehen und auf Video beobachtet, da war mir klar, wie wir zu spielen hatten. Die ganze Woche habe ich dem Team eingehämmert, wie zu spielen ist. Dann blieb die Frage, ob alles wie geplant klappt? Die 3:0-Führung zur Pause war großartig. Ich habe in der Kabine gesagt, dass wir das vierte Tor schießen müssen. Da hat bestimmt jemand gedacht, der Alte ist bekloppt geworden. Aber ich spürte, dass Bayer noch etwas drauf hatte.

Foto:firo.

Welches war der bewegendste Moment der Serie?

Schalke war das geilste Spiel. Das Ambiente im Stadion überragend, das Prickeln vor dem Anpfiff in der Kabine, eine tolle Stimmung durch beide Fanlager. Schalke dachte, sie hätten ein Heimspiel, toll wie unsere Fans dadurch herausgefordert wurden. Meiner Mannschaft ging es nicht anders. Sie ist an die Grenzen gegangen und belohnt worden. Die Leidenschaft, als Schalke auf den Ausgleich drängte, da standen alle Bochumer auf ihren Sitzen. Nach dem Schlusspfiff gab es eine Explosion, von den Emotionen her war es das Beste, was ich je erlebt habe. Ich selbst habe hinterher auf der DVD gesehen, dass ich mitgespielt und geschrieen habe, dieser Abend wird unvergessen bleiben. Erst recht, seitdem ich gespürt habe, was dieser Abend Fußball-Bochum gegeben hat. Wer war aus dem Kader Ihr schwierigster Fall?

Das werde ich sicher nicht ausbreiten. Aber da gibt es in regelmäßigen Abständen zwei, drei schlaflose Nächte, wenn man einem Spieler sagen muss, dass er aus dem einen oder anderen Grund seinen Platz räumen muss. Das ist manchmal nicht nachzuvollziehen. Aber es gibt auch andere Situationen, in denen man einfach nur enttäuscht ist. Wenn man einem Profi immer wieder sagt, was er zu tun hat und die Reaktion kommt nicht, dann ist das bitter und dem Coach schwer zu erklären. Ich reagiere auf Dinge, die ich in der Trainingswoche sehe. Das registriere ich und ziehe meine Schlüsse. Wenn ich jemanden im Training nicht sehe, woraus sollte der Anspruch entstehen, von Beginn an dabei zu sein? Wer war der Aufsteiger der Saison?

Ich möchte niemanden herausheben, obwohl es in den letzten Wochen sicher Dennis Grote war, der enorme Fortschritte gemacht hat. In der Zweitligasaison war er im Kader immer dabei, im Sommer habe ihm gesagt, dass die Konkurrenz größer wird und es nicht mehr reicht, nur dabei zu sein. Aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und seiner Schnelligkeit sah ich ihn schon im Aufwind, aber ich habe ihm erklärt, dass dies alleine nicht reicht für das Oberhaus. Körperlich war das zu wenig. Ich habe ihn oft im Training als linken Verteidiger aufgestellt, damit er ein Gefühl für die Defensive bekommt. Aber das hat in der Hinrunde nicht geklappt. Im Winter gab es neue Gespräche, wir haben auch daran gedacht, ihn auszuleihen, aber er wollte abwarten. Also habe ich ihm per Video gezeigt, worauf ich Wert lege. Das zeigt er mittlerweile in jeder Einheit, so hat er sich seine Einsätze verdient und dem Druck Stand gehalten. Aber er muss noch viel konstanter werden, zuhause spielt er besser als auswärts. Seine Einstellung ist okay, aber nach der Pause muss er sich seinen Stammplatz neu erkämpfen.

Foto: firo.

Ein Wort noch zu den Leitwölfen? Wir haben jetzt wieder eine Hierarchie im Team. Zdebel, Maltritz, Dabrowski, Drsek und Meichelbeck sind schon ein Gerüst, mit dem man wuchern kann. Auch Schröder und Bönig kann ich noch dazu zählen. Alle übernehmen Verantwortung, sprechen Klartext und behalten die Nerven. Das macht Mut für kommende Aufgaben. Wie groß war der Glückfaktor nach dem Klassenerhalt? Man sagt, im Laufe einer Saison gleicht sich alles aus. Scheint diesmal zu stimmen, auch wenn der letzte Saisonstart und viele Spiele der Hinrunde alles andere als glücklich gelaufen sind. Aber wir haben uns hinterher das Glück erarbeitet. Wichtig wird jetzt, dass wir einen besseren Start hinlegen, damit wir in Ruhe und vernünftig arbeiten können.

Im Bochumer Nachwuchsbereich herrscht derzeit tote Hose. Kein Talent für die Profis in Sicht!

Da wird es bewusst Veränderungen geben, aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir am Ende drei oder vier Talente hochziehen können. Das ist ein langsamer Prozess. In Zukunft ist es wichtiger, die individuelle Ausbildung voranzutreiben, als kurzfristige Mannschaftserfolge anzustreben. Aber für das nächste Jahr gebe ich mich keinen großen Hoffnungen hin.

Ist denn ein systematischer Aufbau einer neuen Profi-Mannschaft überhaupt noch möglich?

Wenn man sieht, wie die Leistungsträger abgeholt werden und man es nicht verhindern kann, dann kommt der Frust hoch. Da hat man ein Team zusammen, das Perspektive gehabt hätte, dann haut einer die Stützpfeiler unter dem Hintern weg. Dennoch macht es Spaß auch die nächste Herausforderung anzunehmen. Wir müssen versuchen, dass wir eine neue Qualität hinbekommen.

Wie wurde Ihr Erfolg in der Schweiz wahrgenommen und gibt es schon Anfragen In Richtung Nationaltrainer?

Ich war selbst überrascht, wie die Medien in meiner Heimat diesen achten Platz zur Kenntnis genommen haben. Für die Nationalelf bin ich zu jung. Ich möchte jeden Tag auf dem Trainingsplatz frieren, die tägliche Arbeit möchte ich nicht missen. Als Nationaltrainer hat man doch eher einen Bürojob. Nein, daran verschwende ich keinen Gedanken.

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