In Essen wünschen sich alle nichts sehnlicher als eine Aufstiegsfeier. Sascha Kirschstein weiß, wie sich solche Sausen in Essen anfühlen. 2004 trug er als Stammtorhüter und Leistungsträger maßgeblich zum Aufstieg in die 2. Liga bei. Aber er kennt auch den Gegner sehr gut. Gleich zweimal (2009 und 2017) trug er das Trikot von Rot Weiss Ahlen. Am Samstag sind seine Sympathien klar verteilt.
Nur zwei Jahre lang (2002 bis 2004) spielte Kirschstein für RWE. Doch schon im zweiten Jahr gelang ihm der Aufstieg in die 2. Liga. Daher weiß der 41-Jährige, wie sehr Essen nach Erfolgen lechzt: “Der Sprung in Liga 3 wäre vor allem für die tollen Fans eine super Sache. Essen gehört einfach in den Profisport.“
Noch heute hat er einen engen Bezug zur Hafenstraße. “Ich stehe mit vielen Leuten aus dem Vereinsumfeld noch in Kontakt“, sagt Kirschstein, der zu den stärksten Torhütern der letzten Jahre zählen dürfte und zuletzt auch für die Traditionsmannschaft aktiv war. Auch im neuen Stadion lief er bereits auf. Mit Rot Weiss Ahlen luchste er 2017 dem Favoriten aus Essen ein 2:2 ab: “Das war für uns alle ein Riesenerlebnis.“
„Unmöglich, jeden Fan lückenlos zu kontrollieren“
Ein Scheitern im Aufstiegskampf hätte das Team allein schon aufgrund der Böllerwurf-Vorkommnisse nicht verdient: “Es wäre grotesk, wenn am Ende die Mannschaft für etwas verantwortlich gemacht wird, was ja eigentlich ein ganz anderer verbockt hat.“ Dabei nimmt er den Klub in Schutz: „Ich halte es für unmöglich, jeden Fan lückenlos zu kontrollieren.“ Die 2:0-Spielwertung pro Münster hält er zumindest moralisch für fragwürdig. “Eine Wiederholung wäre die gerechtere Lösung gewesen. Die Umstände eines Abbruchs lassen sich selten mit absoluter Sicherheit aufklären“, gibt Kirschstein zu bedenken.
Als Spieler erlebte er 2010 ähnliches. Beim 1:0-Zweitligasieg des damaligen Tabellenletzten Rot Weiss Ahlen beim TSV 1860 München wurde er von einem Feuerzeug am Gesicht getroffen. “Damals wäre mir nie der Gedanke daran gekommen, das Spiel abzubrechen. Als Fußballer musst du einfach einiges abkönnen“, erinnert er sich. Man merkt schnell: Kirschstein ist hart im Nehmen. Das zeigt auch sein neues Berufsfeld. Aktuell arbeitet er in Seevetal (Nähe Hamburg) bei Lidl, packt dort Paletten ab. “Die Arbeit ist extrem anstrengend, macht aber viel Spaß. Ich brauche keinen Luxus“, sagt er.
Zuletzt als Torwarttrainer aktiv
Vom Fußball kommt er jedoch nicht ganz los. Zuletzt war er zudem für den westfälischen Bezirksligisten BW Alstedde und Eintracht Heessen als Torwarttrainer aktiv, arbeitet zudem ehrenamtlich in einer Fußballschule. Auf eine höherklassiges Angebot spekuliert er nicht: “Meistens werden auch die Spieler Torwarttrainer, die schon länger im Verein sind. So eine enge Bindung habe ich aufgrund meiner vielen Wechsel nie aufbauen können.“
In Essen hätte man ihn liebend gerne gehalten. Doch 2004 wechselte er zum Hamburger SV: „Ich wollte damals unbedingt in der Bundesliga spielen“, sagt Kirschstein rückblickend, der später auch in der Champions League auflief. Aus Ahlener Zeiten kennt er übrigens RWE-Torwarttrainer Manuel Lenz noch bestens. “Er leistet hervorragende Arbeit“, sagt Kirschstein.
Mit Blick auf Samstag warnt er vor den Motivationskünsten eines weiteren Ex-Kollegen. Ahlen-Coach Andreas Zimmermann war schon sein Mitspieler (bei RWE) und Trainer (bei Rot Weiss Ahlen): “Er legt sehr viel wert auf Disziplin. Ich denke, dass er seine Jungs heiß machen wird.“