Zudem hat der SVS nach Wattenscheid (23 Gegentore) die schwächste Defensive der Liga. Und die bittere Start-Bilanz bringt Martin Stroetzel auf die Palme.
Seit zwölf Jahren ist der Trainer im Amt und hat einen derartigen Sturzflug noch nie erlebt. Und wer den ehrgeizigen Coach kennt, weiß, dass er sich das auch nicht länger bieten lassen wird. Im RS-Interview nennt er Ross und Reiter, prangert die Missstände innerhalb des Teams an und droht mit personellen Konsequenzen, wenn sich die Mannschaft nicht zusammenreißt.
Herr Stroetzel, schlimmer kann man kaum in eine Saison starten, oder?
Stimmt. Sportlich liegt einiges bei uns im Argen. Wir sind davon ausgegangen, dass es schwer wird, aber nicht, dass es so bitter ist.
Wo sehen Sie die Gründe für den katastrophalen Beginn?
Martin Stroetzel (RS-Foto: Richter).
Da gibt es mehrere. Zum einen haben wir in der Defensive große Probleme. Wir haben mit Dominik Milaszewski, Yakub Köse oder Seyit Ersoy nach vorne gute Leute, aber die Abstimmung nach hinten funktioniert nicht. Da fehlt uns einfach Christof Konowski, der noch angeschlagen ist, gegen Siegen aber hoffentlich wieder dabei sein wird. Aber auch die Abgänge von Mirko Talaga, Samet Basol oder Rainer Nawatzki wiegen schwer. Auf alle konnte man sich in der letzten Saison immer verlassen.
Sie haben von mehreren Gründen gesprochen.
Ja. Zu den sportlichen Missverständnissen kommt leider auch, dass sich nicht alle Jungs grün sind. Dafür habe ich kein Verständnis. Denn ein Großteil der Spieler hat sich in der vergangenen Rückserie noch sehr gut verstanden und jetzt herrschen Diskrepanzen. Dabei haben wir schon alles versucht, damit sich die Leute verstehen. Wir waren mit ihnen Essen, haben zusammen gefeiert und etliche Einzelgespräche geführt.
Bestehen zwei oder mehrere Lager innerhalb des Teams?
Ich weiß nicht, ob man es als Lager bezeichnen kann. Es liegt mehr an den Schuldzuweisungen, die gegenseitig vorgenommen werden. Dadurch verstehen sich einige nicht mehr.
Sind Sie als Trainer dann nicht gefordert?
Natürlich, aber mir sind irgendwann auch die Hände gebunden. Es handelt sich um eine Charakterfrage. Missstände müssen angesprochen werden und danach darf ich mich nicht wie eine beleidigte Leberwurst zurückziehen. Wenn man die spielen muss, kommt man nicht von der Stelle. Das ist bei uns der Fall. Bleibt es so, werde ich gnadenlos aussortieren. Wir dürfen uns schließlich nicht lächerlich machen, sondern wir müssen endlich anpacken.
Wie wollen Sie das denn machen?
Bislang hatte ich durch die vielen englischen Wochen kaum die Möglichkeit, im Training zu reagieren. Aber nach dem Match gegen Siegen haben wir 14 Tage Pause. Dann wird sich einiges ändern. Der Spaß ist jetzt vorbei.
Sie sind seit zwölf Jahren beim SV Schermbeck...
… das kann ich nicht mehr hören. Ich werde nicht aufgeben, sondern meinen Vertrag erfüllen. Natürlich geht es irgendwann auch mal an meine Krawatte. Da hilft es auch nicht, wenn man die ganze Zeit erfolgreich war. Natürlich zählt der Nicht-Abstieg, aber wenn wir abschmieren sollten, werden vorher etliche Köpfe rollen. Dann setze ich nur noch auf die Jugend. Von den Namen her haben wir schließlich eine gute Truppe. Allerdings haben wir keine Kerle dabei, die auch mal die Ärmel hochkrempeln.
Warum nicht?
Das ist eine gute Frage. Nach dem 0:1 gegen Hüls sind wir zusammengebrochen, anstatt zu kämpfen. Niemand hat das Heft in die Hand genommen. Das ist absolut enttäuschend. Doch wir kleben mit dem Arsch an der Wand und benötigen solche Typen. Deshalb brauchen wir unbedingt noch eine Verstärkung für den Defensivbereich.
Hat das Hickhack mit der Lizenz auch seinen Teil zum Absturz beigetragen?
Der Verband hat einen großen Scherbenhaufen hinterlassen. Denn die Kaderzusammenstellung hat darunter gelitten. Dennoch ist unsere Truppe auf dem Papier gut, aber wir sind noch keine Einheit. Deshalb werden die Zügel nicht nur angezogen, sondern zugezogen. Wir wollen ja nicht Tasmania Berlin werden.