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Ortstermin: 10. Februar, Netzer in der Arena
Wo ist die Geisel?

Ortstermin: 10. Februar, Netzer in der Arena
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Stau an der Schranke, ein ganz schlechtes Zeichen, 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung. Dürfen nur die wirklich Wichtigen, die mit den dicksten Limousinen, auf dem Arenaring parken? Jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren, kurze Rücksprache mit der Kollegin vom WDR-Hörfunk. Wir sollen auf P7 parken, aha, das ist doch an der Fußballhalle beim Schalker Fan-Club Verband. Schöne Sch...e, bei dem Wetter, es regnet und die Wege sind schlammig.

Eine Zumutung für die 300 Gäste, davon geschätzte 275 in dunklen Anzügen, dezenter Krawatte und feinem Schuhwerk. Die Jungs vom RevierSport kommen gewohnt hemdsärmelig beziehungsweise grob gestrickt daher, doch Stativ und Kamera müssen ja auch geschleppt werden. Okay, wir versuchen es noch einmal an der Schranke - und werden ohne Weiteres durchgelassen. Wir bremsen vor dem Treppenhaus 10 der Veltins-Arena, wie etwa 200 andere Karossen. Von hier oben hat man übrigens einen schönen Blick auf P7, wo sich vielleicht 30, 40 Autos verlieren. Loser!

Ganz andere Probleme bei der Anreise hat Günter Netzer. Zum Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Tore und Gewinne“ hat der FC Schalke am Dienstag den früheren Weltklasse-Kicker in den Business-Club „Tibulsky“ geladen. Netzer verbindet wie kaum ein anderer Fußball mit Geschäft. Als Geschäftsführer der Infront Sport und Media AG ist er einer der wichtigsten Fußball-Vermarkter in Europa, zu seinen Kunden zählt unter anderem der FC Schalke.

Bevor Netzer gewohnt pointenreich den Doppelpass zwischen Sport und Kommerz spielt, lernt er die schönsten Staus auf deutschen Autobahnen kennen. Weil der Flughafen Zürich wegen des erneuten Wintereinbruchs gesperrt ist, reißt der Porsche-Liebhaber die 650 Kilometer von der Schweiz ins Revier mit dem Wagen ab. Er ist pünktlich, als Ulli Potofski um 19.06 Uhr den Talk launig einleitet. „Ich bin das 6.666 Schalke-Mitglied und dem Verein im gleichen Jahr beigetreten wie der Papst“, liefert der gebürtuige Gelsenkirchener vor den Derbywochen sein persönliches Glaubensbekenntnis ab, ehe er Josef Schnusenberg das Mikro überreicht.

Der S04-Vorsitzende ist kein großer Entertainer, liest seine Rede vom Zettel ab. Den Journalisten liegt die fünf DIN A4 Seiten lange Abrechung mit den Auswüchsen des Fußballkapitalismus schon vor, ebenso wie eine kurze Nachricht mit der Dachzeile „Schalke 04 fordert UEFA heraus“. Die Überschrift lautet „Josef Schnusenberg geiselt Sucht nach Gigantonomie“. Schreck lass nach, wie geht’s der Geisel, denke ich besorgt. Da ich keine Handschellen und keine Entführer sehe, verhalte ich mich ruhig und lausche weiter den Worten des S04-Chefs.

Der entgeiselt, äh entgleist, in den folgenden Minuten nur noch einmal. Dr. Sulaiman Al Fahim gilt derzeit als die Heuschrecke schlechthin im Fußball. Der Scheich aus Abu Dhabi ist gemeint, wenn Schnusenberg vom neuen „Manchester-Kapitalismus“ spricht, der für den Niedergang der englischen Fußball-Kultur stehe. Blöd nur, dass Schnusenberg den neuen Besitzer Manchester City meint, aber von „Manchester United“ spricht. Kann passieren, schließlich waren die „Citizens“ beim UEFA-Cup-Spiel auf Schalke so stark wie die benachbarten „Reds“, oder wie heißt noch mal der Verein, wo Ronaldo spielt? In der ansonsten dunklen Arena flackert gelegentlich das Bild auf dem Videowürfel. Nicht, dass da schon eine fremde Macht vom persischen Golf seine Finger im Spiel hat?

Netzer ist sicher im Umgang auf dem Gebiet, das er in den 1970ern mit geprägt hat, bevor er auf die andere Seite wechselt und auch dort sein Fach genau versteht. Ob es um Dietmar Hopp oder „Jägermeister“ Günter Mast, den Erfinder der Trikotwerbung, geht: Netzer hat stets eine Anekdote parat, sein Gedächtnis scheint sehr viel größer zu sein als früher sein Aktionsradius auf dem Platz. „Günter Mast hat nach ein paar Jahren gesagt: Ich habe mein Werbeziel erreicht. Danach hat er Eintracht Braunschweig wie eine heiße Kartoffel fallen lassen“, erinnert sich der Anführer der Gladbacher „Fohlen-Elf“ an den „schrecklichsten Fußballplatz, auf dem ich gespielt habe. Wir haben da nie gewonnen, und auch die Gegenspieler waren so eckig und unangenehm. Da hatte man schon Schmerzen, wenn man an denen vorbei gelaufen ist“.

Warum sich Multi-Milliardäre im Fußball engagieren, das ist Netzer klar: „Mit genug Geld kann man sich fast alles erkaufen, nur keine Popularität. Daher geht man als reicher Mann in die Politik oder den Fußball.“

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