Hätte man Steffen Tigges seine Saison so vorhergesagt, er hätte sofort unterschrieben. Starke Leistungen beim BVB II führten zum Profivertrag bei Borussia Dortmund. Seine Bilanz bisher: 21 Regionalliga-Partien, dabei gelangen ihm 14 Tore und sieben Vorlagen. Zudem wurde er vier Mal in der Bundesliga eingewechselt. Wir haben mit ihm gesprochen. Über seinen Aufstieg, den Meisterschaftskampf in der Regionalliga mit RWE und vom wem er sich bei den Profis was abschaut.
Steffen Tigges, erst im Januar haben Sie Ihren Profivertrag bei Borussia Dortmund unterschrieben. Verhältnismäßig lief Ihr Werdegang zum Profi beim BVB nach dem Trainerwechsel von Lucien Favre zu Edin Terzic sehr schnell ab. Wie turbulent haben Sie diese Zeit wahrgenommen?
Es war natürlich eine sehr turbulente Zeit, alles ging sehr schnell. Mein erster Einsatz gleich von Anfang an, dann das Heimspiel gegen Wolfsburg. Ich hatte gar keine Zeit, nachzudenken. Ich bin einfach sehr glücklich, dass es für mich so gekommen ist.
Im Jahr 2019 kamen Sie vom VfL Osnabrück zur Reserve der Borussia. Haben Sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt daran gedacht, den Sprung zu den Profis irgendwann zu schaffen? Nein, daran habe ich nicht gedacht – auch wenn ich natürlich immer insgeheim ein wenig davon geträumt habe. Ich bin zu Borussia Dortmunds U23 gewechselt, weil ich als damals und auch heute noch junger Spieler mehr Spielzeit brauchte, um mich weiter zu entwickeln. Das hat für mich im Laufe der fast zwei Jahre auch gepasst, ich habe fast jedes Spiel mitgemacht und auch die Torbeteiligungen können sich auch sehen lassen. Aktuell sind Sie unter Edin Terzic bereits fünf Mal zum Einsatz gekommen. Welche konkreten Unterschiede machen Sie – ohne das despektierlich zu meinen – zwischen Bundesliga- und Regionalliga-Fußball aus? Die Bundesliga ist eine der Top 5 Ligen Europas, hier spielen einige der besten Spieler der Welt. Dadurch gibt es natürlich viel mehr Qualität auf dem Platz, taktisch läuft es auch meist auf einem anderen Niveau. Alles geht viel schneller, jeder Spieler muss sehr spielintelligent und handlungsschnell sein. Du hast praktisch keine Zeit, musst dich sehr schnell orientieren, sofort Lösungen finden, immer einen Schritt weiter denken. Das ist schon ein riesen Unterschied, aber es sind ja auch immerhin vier Ligen. Das hat schon seine Zeit gebraucht, um mich an dieses Tempo zu gewöhnen.
Die Situation hat sich für Sie jetzt etwas gedreht. Im Regionalliga-Team waren/sind Sie mit 14 Toren und sieben Vorlagen absoluter Leistungsträger, dazu auch noch Kapitän. Jetzt heißen die Mitspieler aber unter anderem Marco Reus, Jadon Sancho oder Erling Haaland. Wie muss man sich den Spagat zwischen Konkurrenzfähigkeit und Bewunderung der Mitspieler-Qualität vorstellen? Klar, das ist erstmal eine besondere Ehre mit solch großartigen Spielern in einer Mannschaft zusammenspielen zu können. Aber ich habe auch meine Qualitäten und die will ich bestmöglich einbringen. Aber natürlich schaue ich mir auch viel bei den anderen Jungs ab. Gerade in meiner Position mit Erling Haaland habe ich ja einen riesen Spieler vor mir, von dem ich mir auch vieles abschauen kann. Aber ich verfalle nicht ins Staunen, sondern bringe mich und meine Stärken auch voll ein.
Die zweite Mannschaft profitiert momentan trotzdem noch von den Erfahrungen, die Sie „oben“ machen. Für den Verein ist das in gewisser Weise eine Luxus-Situation. Sie haben aber kein Problem mit der gegenwärtigen Rolle des „Pendlers“? Das ist für mich kein Problem, auch wenn es natürlich eine besondere Situation ist, am Wochenende zweimal zu spielen, bzw. zweimal im Kader zu stehen. Da ich aber die Mannschaft, den Trainer, die Spielweise und die Abläufe in der U23 gut kenne, ist das für mich natürlich etwas einfacher. Ich spreche unter der Woche immer mal wieder mit Enrico Maaßen über die Gegner und über mich. Daher bin ich immer gut vorbereitet. Ich freue mich, wenn ich der Mannschaft helfen kann.
Das Regionalliga-Topspiel in Essen musste abgesagt werden. Wenn es nachgeholt wird, wie wird diese Partie aussehen? Es wird auf jeden Fall ein Spiel auf Augenhöhe, RWE ist in der Liga seit einem Jahr ungeschlagen und damit das Maß aller Dinge. Mit dem Pokalsieg am Dienstag ist das Selbstvertrauen sicher noch mehr gewachsen. Die Essener haben eine starke Mannschaft, viel Erfahrung und Qualität.
Was für die zweite Mannschaft in der laufenden Saison das Ziel sein muss, untermauert das Team jede Woche eindrucksvoll. Da kann man sich vor dem Wort „Aufstieg“ eigentlich nicht verschließen. Was ist aber für den BVB in der Bundesliga-Saison 2020/21 noch möglich? Wir spielen eine super Saison, die ganze Mannschaft hat sich enorm weiterentwickelt. Wir stehen als Team zusammen, was uns gerade in engen Spielen enormen Rückhalt gibt. Aber RWE ist und bleibt Aufstiegskandidat Nummer 1. Wenn beide Teams ihre Leistung weiter so abrufen, wird es bis zum Ende spannend bleiben. In der Bundesliga ist es wichtig, dass wir weiterhin so auftreten, wie in Leipzig oder zuhause gegen Augsburg.