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RWE-Boss Uhlig über Bielefeld-Zeit, Burnout und RWE-Stress

Marcus Uhlig feierte mit Arminia Bielefeld gleich zwei Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Marcus Uhlig feierte mit Arminia Bielefeld gleich zwei Aufstieg in die 2. Bundesliga. Foto: Getty Images
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Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen empfängt am Montag (18.30 Uhr) Arminia Bielefeld in der ersten Runde des DFB-Pokals. Für RWE-Vorstand Marcus Uhlig ist das Aufeinandertreffen mit dem Bundesligisten ein ganz besonderes Spiel. Sechs Jahre arbeitete Uhlig für die Arminia. 

Wenn Rot-Weiss Essen und Arminia Bielefeld am Montagabend (18.30 Uhr) an der Hafenstraße aufeinandertreffen, dann wird allen voran bei Marcus Uhlig der Adrenalinspiegel steigen.

Der 49-Jährige gebürtige Kamp-Lintforter lebt seit gut 30 Jahren in Bielefeld, arbeitete zwischen 2009 und 2015 für die Arminia. Seit Kindesbeinen ist er RWE-Fan und seit November 2017 auch Vorstand beim Essener Viertligisten. Mit Bielefeld schaffte er das, was er sich mit RWE wünscht: Den Aufstieg. Und das gleich zweimal.

RevierSport hat mit dem Familienvater vor dem für ihn so besonderem Spiel über seine Bielefelder Zeit, die nicht nur positiv war, gesprochen.

Marcus Uhlig, was ging in Ihnen vor als das Los Arminia Bielefeld gezogen wurde? Ich habe mir Bielefeld nicht unbedingt gewünscht. Ich habe aber einen Tag vor der Auslosung zu meiner Frau gesagt: 'Pass auf, da wird Bielefeld auf uns warten'. Nur klar: Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel ja noch nicht sicher, weil wir erst im Halbfinale des Niederrheinpokals standen. Als dann aber nach dem Sieg über Kleve offiziell war, dass wir gegen Bielefeld spielen, stand mein Telefon nicht mehr still. Ich habe unfassbar viele Nachrichten und Kartenwünsche erhalten. Solche Geschichten schreibt eben nur der Fußball.

Sie leben in Bielefeld. Ist diese Stadt für Sie nur von der Wohnanschrift oder auch vom Gefühl her Heimat? Bielefeld ist schon Heimat geworden. Seit 30 Jahren wohne ich jetzt in Bielefeld. Das ist und soll auch unser Lebensmittelpunkt bleiben. Bielefeld ist unser Anker. Es ist auch einfach durch meine Arbeit bei Arminia eine emotionale Verwurzelung da. Alles andere wäre doch gelogen.

"Ich habe 45 von 47 Monaten als Krisen-Manager gearbeitet." Diesen Satz sagten Sie einst als Sie bei der Arminia zwischen 2009 und 2015 vom Pressesprecher, über den Teammanager-Posten zum Geschäftsführer des Klubs aufgestiegen sind. Wie schön oder schlimm war die Bielefeld-Zeit nun für Sie? Dieser Satz bezog sich auf meine Geschäftsführer-Position im Verein. Diese Zeit war sehr, sehr intensiv. Als ich 2011 als Geschäftsführer übernommen hatte, waren wir Letzter in der 3. Liga und mit anderthalb Beinen in der Insolvenz. Es war mehrfach sehr kritisch und eng. Das war fast nur Krisen-Management. Aber wir sind auch zweimal, in 2013 und 2015, in die 2. Bundesliga aufgestiegen und standen 2015 im DFB-Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg, wo wir leider ausgeschieden sind. Das waren natürlich sportlich gesehen tolle Erfolge. Aber es war auch ein permanenter Kampf gegen die finanziellen Altlasten. Das war schon sehr enorm und kräftezehrend. Es gab oft Tage, an denen ich morgens dachte, wir müssten abends den Laden abschließen.

Gab es denn auch "den schlimmsten Moment"? Ja, den gab es. Das schlimmste Erlebnis war der Abstieg 2014 in der Relegation gegen Darmstadt. Wir hatten in Darmstadt 3:1 gewonnen und dann auf der Alm, wo eigentlich schon alles klar war, 2:4 nach Verlängerung verloren. Danach mussten wir in wenigen Tagen eine unglaublich hohe finanzielle Lizenz-Hürde für die 3. Liga stemmen, Geld noch akquirieren. Das war der Wahnsinn. Da gehst du irgendwann kaputt.

2015 machten Sie dann Ihre Burnout-Erkrankung öffentlich. Hat die Arbeit bei der Arminia Sie so sehr belastet? Ende Mai sind wir gegen Darmstadt abgestiegen. Die Auflagen in der 3. Liga waren deutlich höher als in der 2. Liga, in der man ja gutes TV-Geld erhält. An dem Abend, was da passiert ist, das kann man gar nicht beschreiben. Ich habe gesagt, dass wir das nicht hinbekommen. Das ging ja eigentlich auch nicht. Ich habe für mich gedacht, dass der ganze Verein, die ganze Region in ein Loch fallen würde. Wir haben dann 14 Tage wirklich durchgearbeitet - Tag und Nacht. Ich habe kaum geschlafen, die Gedanken haben sich nur um Arminia gedreht und wie wir das Geld zusammenbekommen. Das war am Ende zu viel für mich. Der Körper hat dann gesagt: bis hierhin und nicht weiter. Mein Körper hat gestreikt. Ich bin dann länger krank geworden und musste mich rausnehmen.

Was haben Sie gemacht? Ich habe eine intensive Therapie gemacht und auch meine Konsequenzen gezogen. Ich habe gelernt mit Arbeit, mit Stress anders umzugehen und alles anders zu verteilen. Wenn man im Fußball in der Führung arbeitet, dann ist es nie wenig Arbeit. Es ist immer viel und auch der Stress gehört dazu. Es sind immer 70, 80 Stunden die Woche - immer. Die Frage ist nur, wie man mit Arbeit, Stress, Druck umgeht. Da habe ich für mich Antworten gefunden und mein Leben umgestellt.

Macht Sie Rot-Weiss Essen manchmal nicht auch "kaputt"? Ja, natürlich ist das auch Stress. Es ist aber kein Existenzkampf. Wir tanzen in Essen nicht auf der Rasierklinge. In Bielefeld war es so, dass wir morgens manchmal nicht wussten, ob wir am Abend noch leben. Aber natürlich geht es im Fußball immer um Geld - auch bei Rot-Weiss Essen. Wir müssen auch zusehen, dass wir neue Sponsoren akquirieren. Um auf die Frage zurückzukommen: In Essen hat mich noch nichts fertig gemacht. Aber natürlich belastet es einen, wenn man ein halbes Jahr alles dafür tut, um trotz Corona-Krise sportlich bestens aufgestellt zu sein und dann startet man mit einem 1:1 gegen Wiedenbrück in die Saison. Bei allem Respekt für den SCW. Da bin ich sauer und genervt. Da denke ich auch: 'Das kann doch nicht wahr sein'. Aber insgesamt ist das bei RWE eine ganz andere Arbeit als bei der Arminia. Wir versuchen ja hier den Klub von der Stelle zu bekommen. Nach oben zu kommen. Hier ist viel Kreativität gefragt und das ist eher eine zukunftsgerichtete Arbeit. In Bielefeld ging es eine ganze Weile jeden Tag um die Existenz des Vereins.

In Ihrer Zeit bei der Arminia: Welche Berührungspunkte hatten Sie mit Rot-Weiss Essen? 2011 haben wir in der Grugahalle das Hallenturnier in Essen gewonnen. Da habe ich Waldemar Wrobel kennengelernt, der heute im Aufsichtsrat mitarbeitet. 2014 habe wir ein Testspiel gegen RWE bestritten und 3:1 gewonnen. Da habe ich Michael Welling kennengelernt, der mich 2017 quasi nach Essen geholt hat. Später haben wir von der Arminia Jerome Propheter nach Essen verliehen und da war ich dann mit Damian Jamro, der immer noch an der Hafenstraße tätig ist, im Kontakt. Das waren so die Berührungspunkte.

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben die Arminia und RWE? Eine Gemeinsamkeit ist mit Sicherheit die Fankultur. Beide Lager sind da eher oldschool und das ist genau mein Ding. Die Unterschiede: Obwohl Bielefeld sportlich in den letzten Jahren viel besser als Essen dasteht, ist die Wahrnehmung, Bedeutung in der Stadt der beiden Klubs eine ganz andere. RWE wird da viel mehr und intensiver wahrgenommen als Arminia in Bielefeld. Wobei es Arminia wiederum besser hinbekommt, in der Region Ostwestfalen seine Flagge zu setzen und viele Unternehmen anzuziehen. Arminia ist so etwas wie der ostwestfälische Hauptstadt-Klub. RWE ist in Essen bedeutend, aber im restlichen Ruhrgebiet sind wir nicht mehr so stark vertreten. Die Konkurrenz ist hier natürlich auch eine ganz andere als in Ostwestfalen.

Ist Bielefeld eine Art sportliches Vorbild für RWE? Warum nicht? Man kann an dem Arminia-Beispiel sehen, wie schnell es gehen kann. Als ich 2011 übernommen hatte, war Bielefeld – wie gesagt - Letzter in der 3. Liga. Und nun sind sie in der Bundesliga. Das Beispiel Bielefeld beweist mal wieder, dass Kontinuität auf bestimmten Positionen sehr wichtig ist. Sie haben ihre Mannschaft sukzessiv mit Sinn und Verstand weiterentwickelt und nicht zusammengekauft. Die handelnden Personen im Hintergrund sind im Wesentlichen auch die gleichen geblieben. Klar, das sagt jetzt jemand von einem Verein, der gefühlt jedes Jahr den Trainer wechselt. Ich weiß, dass sich das wie ein Widerspruch anhört. Wir verfolgen aber ebenfalls genau dieses Ziel: uns mit dem passenden Trainer über Jahre sukzessive weiterzuentwickeln. Wir sind zuversichtlich, mit Christian Neidhart nun so einen Mann gefunden zu haben. Er möchte das und wir möchten das auch: gemeinsam hoch kommen.

Wie groß war Ihre Freude nach dem Bielefelder Aufstieg? Ganz ehrlich: Ich habe mich wie ein Kind gefreut. Vor allem habe ich es den handelnden Personen wie Markus Rejek, Samir Arabi, Hans-Jürgen Laufer oder meinem alten Präsidenten Dr. Jörg Zillies gegönnt. Zumal ich auch weiß, was sie durchgemacht haben und jetzt haben sie diese Bestätigung bekommen. Einfach überragend! Und: Wir brauchen gar nicht drumherum zu reden: Ich habe jetzt vor der Haustür einen Bundesligisten (lacht). Das ist auch schön.schön.

Wird es in Bielefeld außer der Uhlig-Familie überhaupt jemanden geben, der Ihnen und RWE am Montag die Daumen drückt? (lacht) Ich glaube nicht. Das werden wohl nur meine Frau und mein Sohn sein. Vielleicht noch mein Nachbar, der letztens immerhin eine RWE-Fahne in seinem Garten gehisst hat. Sonst wird es rund um Bielefeld wenige rot-weisse Flecken geben. Nach einem Sieg bekomme ich wohl vorübergehendes Einreiseverbot nach Ostwestfalen (lacht).

Wie sehr trübt es Ihre Vorfreude, dass das Spiel ohne Zuschauer über die Bühne gehen wird? Natürlich trübt das die Vorfreude. Erst einmal fehlt uns die Kulisse. Es gibt ja immer die Diskussion bei RWE, ob die Fans die Mannschaft pushen oder sie unter Druck setzen. Im Pokal gibt es keine zwei Meinungen: Das hat man in den letzten Jahren gegen Bielefeld, Düsseldorf und Mönchengladbach gesehen. Da war RWE immer nah an einer Überraschung dran - auch dank der Fans. Zudem fehlt uns natürlich auch die Einnahme. Das kostet uns schon rund 250.000 Euro. Aber ich will auch nicht jammern. Wir müssen damit aufhören. Die Situation ist, wie sie ist und die müssen und werden wir annehmen. Ich bin mir sicher, dass wir auch ohne Fans eine kleine Chance haben.

Rot-Weiss Essen wird das erste Mal seit 2011/12 die zweite Runde erreichen, weil... Weil ich einfache hoffe, dass wir am Montag das sogenannte zehnte Spiel gegen Bielefeld erwischen. Heißt: Von zehn Spielen haben wir neunmal keine Chance gegen die Arminia. Aber dieses eine Mal gewinnen wir. Daran glaube ich. Auch wenn es drei Ligen Unterschied sind: Wir sind Rot-Weiss Essen, wir haben auch Profis auf dem Rasen und diese werden top motiviert sein, dass sie eine Runde weiterkommen wollen. Darum geht es schließlich im Pokal. Do or die.

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