RevierSport hat mit Rojek gesprochen, der die Fanszene der Königsblauen über Jahrzehnte geprägt hat wie kein Zweiter. Heute lebt der 65-Jährige eher zurückgezogen in seinem – natürlich 1904 erbauten – Zechenhaus in Gelsenkirchen. Ins Stadion geht er wegen einer Augenerkrankung in Folge einer Diabetes nur noch selten. Wir erwischten Rojek an seinem Urlaubsort Berchtesgaden.
Herr Rojek, zuerst die wichtigste Frage. Wie geht es Ihnen?
Danke, mir geht es soweit ganz gut. Ich habe aufgrund einer Netzhautablösung nur noch 16 Prozent Sehstärke, das ist natürlich eine erhebliche Einschränkung. Aber seit einiger Zeit hat sich der Zustand nicht verschlechtert, dafür bin ich dankbar. Wenn es so bleibt, bin ich zufrieden. Ich habe mir einen Großbildschirmfernseher angeschafft und kann so im Wohnzimmer immer noch die Spiele meines S04 sehen. Dabei fiebere ich noch genauso mit wie immer. Schalker bleibt man ja ein Leben lang. Ich laufe immer noch täglich mit meiner S04-Kappe und in Schalke-Klamotten herum. Auch im Urlaub. Nur werde ich inzwischen dafür in Berchtesgaden mitleidig angeschaut.
Ihr Buch heißt: „5:04 – Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben“. Eine Anspielung auf Ihre Weckzeit, weil die Zahlenkombination dem S04 so ähnlich ist. Stehen Sie eigentlich immer noch so früh auf?
Meistens sogar noch eher. Dann gehe ich mit dem Hund raus und schreibe anschließend an meiner Facebook-Kolumne. Denn ich habe ja immer noch zu vielem eine Meinung. Dort habe ich 5.000 Follower. Das macht Spaß.
Sie waren fast 30 Jahre lang Vorsitzender des Schalker Fan-Club Verbandes, haben den SFCV mit einst zwei Handvoll Fanclubs zu der größten Fanorganisation Deutschlands mit zeitweise bis zu 100.000 Mitgliedern aufgebaut. Ist das Buch ihr Vermächtnis? Ein Freund hat mich dazu ermuntert, meine Erlebnisse für die Nachwelt festzuhalten. Und das habe ich getan. Ich habe alles – von Anfang bis zum doch eher bitteren Ende – in meinem Ruhrpott—Deutsch in mein Handy diktiert und Siri hat dann daraus Texte gemacht, die natürlich nochmal überarbeitet werden mussten. Es ist viel Lustiges und Verrücktes dabei, aber eben auch die anderen Sachen. Ich habe ja auch viel Mist gemacht. Und dafür – aber auch für andere Dinge - ganz schön auf die Fresse bekommen.
Sie waren ja nicht nur Vorsitzender des SFCV, sondern seit 1988 auch Fanbeauftragter des S04, bis sie Felix Magath 2010 in einem Handstreich abgesetzt hat. Ihre schlimmste Erfahrung? Ja, aber ich habe ja nie eine Kündigung erhalten. Der damalige Pressesprecher Rolf Dittrich hat mich angerufen und gesagt, ich sei kein Fanbeauftragter mehr. Das war ja damals noch ein Ehrenamt. Er meinte, ich hätte Politik gegen Magath gemacht. Mit dem Aufschrei der sogenannten „Kleinen Gruppe“ quer durch den Verein hatte er dann aber nicht gerechnet.
Auch im SFCV, der sich inzwischen ganz neu aufgestellt hat, gab es ein eher unangemessenes Ende wegen angeblicher finanzieller Verfehlungen. Die Verfahren wurden aber inzwischen alle eingestellt … Am meisten tat es mir für meine Mitarbeiter leid. Ich habe nie bewusst etwas falsch gemacht. Sie hatten so einen Abschied nicht verdient.
Wie viele Menschen müssen denn in ein paar Tagen, wenn das Buch auf den Markt kommt, zittern? Auch, wenn das Ende sehr wehtat: Es ist kein Rache-Buch geworden. Allerdings habe ich die Dinge von Anfang bis zum Ende so erzählt, wie sie waren. Sachlich und klar, aber ohne Nachtreten.
Wie bewerten Sie heute die Fanszene mit etwas Distanz? Schalke kann sich glücklich schätzen, mit Thomas Kirschner weiterhin einen Fanbeauftragten zu haben, der aus der Fanszene stammt. „Kirsche“ macht einen super Job. Ich werde nie vergessen, wie er einmal als Jugendlicher stolz zu mir in den SFCV kam und mir erklärt hat, er habe den Fanclub „Ice-Tea-Boys“ gegründet. Der hieß so, weil die Jungs gerne Eistee getrunken haben. Später war er Vorsitzender der Ultras Gelsenkirchen. Den Wandel in den Kurven mit der zunehmenden Bedeutung der Ultras-Szenen und dem Verlust der Bedeutung der Fanclubs hätte ich auch nicht verhindern können – auch nicht wollen. Die Zeiten ändern sich eben. Aber manchmal würde ich mir etwas mehr Einfluss für unsere Fanclub-Mitglieder wünschen. Denn sie sind immer noch ein wichtiger Eckpfeiler der Fankultur.