Neuanfang. Gäbe es ein Schlagwort, um die kommende Saison des FC Schalke 04 so treffend wie möglich zu beschreiben, würde dieses Wort wohl ganz oben auf der Liste stehen. Bundesliga-Abstieg nach 30 Jahren, die Landung auf dem harten Boden der Tatsachen, der 2. Bundesliga. Doch auf Schalke geht es weiter. Die Enttäuschung nach dieser historisch schwachen Spielzeit 2020/21 macht langsam aber sicher Platz für Aufbruchsgedanken, Konzentration. Intern sowieso, im Fanlager wird sich der ein oder andere wohl noch etwas länger an das Szenario gewöhnen müssen. Dennoch wird hinter den S04-Kulissen bereits eifrig an den Stellschrauben für die Teilnahme an der viel zitierten "stärksten 2. Bundesliga aller Zeiten" gedreht. Mittendrin statt nur dabei: Trainer Dimitrios Grammozis. Im März hatte er seine Zelte in Gelsenkirchen aufgeschlagen, nun wagte er in einem Interview mit "transfermarkt.de" den Blick zurück und richtet den Fokus auf die Zukunft.
"Das Thema ist abgehakt", sagt der 42-Jährige mit Blick auf das wohl schockierendste Ereignis, das der Traditionsklub in den letzten Jahren, vielleicht Jahrzehnten erlebt hat. In der vermutlich für immer in den Köpfen der Beteiligten verankerten Abstiegsnacht vom 20. auf den 21. April 2021 hatten Spieler und Staff der Schalker Mannschaft ihr blaues Wunder erlebt. Unrühmliche Jagdszenen hatten sich nach der 0:1-Niederlage bei Arminia Bielefeld und dem damit feststehenden Abstieg abgespielt, Autos wurden beschädigt, Profis und Betreuer gewalttätig angegangen. Dass der Austausch mit einigen gewaltbereiten Schalker Anhängern damals aus der Kontrolle geriet, bewertet Grammozis im Nachhinein sogar als "positiv". "Die Spieler, die es besonders getroffen hat, wurden vor der Mannschaft gut aufgefangen. Es wurde gesagt: "Wir wollen bis zum Schluss den Weg zusammen als Team gehen. Das hat die Jungs noch einmal intern zusammengeschweißt", erklärt der Coach seine Sicht auf die Dinge.
Klement oder Hartel? Schalke lässt sich nicht über die Schulter schauen
Wenn die 2. Bundesliga am 23. Juli in ihre 48. Auflage startet, werden zahlreiche Spieler dieses Kaders auf Schalke der Vergangenheit angehören. Suat Serdar und Sebastian Rudy sind schon weg, weitere "Großverdiener" sollen und müssen folgen. "Der finale Kader wird vermutlich erst am letzten Tag der Transferperiode feststehen", schaut Grammozis voraus. Einiges an Bastelei am neuen Aufgebot hat S04 bereits hinter sich. Den vielen Abgängen stehen bereits sechs erfahrene Neuzugänge gegenüber. "Victor Pálsson, Danny Latza, Simon Terodde, Marcin Kaminski, Reinhold Ranftl und Thomas Ouwejan stehen voll im Saft und bringen eine gewisse Erfahrung mit, haben viele Situationen in ihrem Fußballerleben mitgemacht. Sie können der Mannschaft viele Impulse geben", ist sich der Übungsleiter sicher. Die Euphorie, die in Gelsenkirchen entstehen soll, soll in erster Linie auch von Neuzugängen kommen. Sie sind vom Ballast der letzten Monate verschont gebliebenen.
Die genannten Spieler sollen es zudem nicht gewesen sein. Vor allen Dingen für das offensive Mittelfeld fahnden Sportvorstand Peter Knäbel, Sportdirektor Rouven Schröder und Grammozis, der "voll" in die Kaderplanung mit eingebunden wird, noch nach einem neuen Mann. Namen wie Philipp Klement (VfB Stuttgart) oder Marcel Hartel (Arminia Bielefeld) will der Trainer gegenüber "transfermarkt.de" allerdings nicht kommentieren. Stattdessen verrät er: "Man merkt schon, dass Schalke für Spieler ein Magnet ist. Auch für Spieler, bei denen man vielleicht denkt: Boah, haben die echt Bock, für Schalke in der 2. Liga zu spielen?" Ausschlusskriterium für Akteure, die nicht genommen werden, sei in erster Linie fehlende Mentalität. Denn nur darum gehe es bei S04 und vor allem in der 2. Liga, weiß Grammozis.
Grammozis: Torwartfrage völlig offen
Wer den möglichst effektiven, aber auch möglichst attraktiven (Grammozis: "Ich wünsche mir natürlich beides") Fußball, mit dem sich Königsblau in der kommenden Saison behaupten will, von der Position zwischen den Pfosten aus begleiten soll, steht noch nicht final fest. "Ich glaube, es wäre ungerecht, jetzt schon Stammplätze zu verteilen. Ich möchte mir die Vorbereitung anschauen und mir von allen ein Bild machen. „Schubi“ konnte ich bislang noch gar nicht sehen. In Frankfurt hat er nicht gespielt, deswegen konnte ich ihn dort nicht eingehend begutachten. Wenn ich ein klares Bild habe, werden wir eine Entscheidung treffen", lässt der Mann an der Seitenlinie bezüglich der Torwartentscheidung zwischen Ralf Fährmann und Markus Schubert, der an die Eintracht ausgeliehen war, verlauten.
Sicher ist aber: Für Schalke zu spielen, ist mit besonderen Anforderungen verbunden. Diese setzt Grammozis bei jedem seiner Spieler voraus. "Schalke 04 ist Druck und Erwartungen, das muss man einfach wissen. Aber auch eine Chance und super coole Herausforderung. Wir haben feinfühlige Fans, die einschätzen können, ob ein Spieler alles rausgehauen hat oder nicht. Und die uns von der ersten bis zur letzten Minute pushen, wenn sie hoffentlich bald wieder ins Stadion dürfen. Ich kann es kaum erwarten", blickt der Coach voller Vorfreude auf die nächste Saison - in der auch er sicherlich nicht frei von Druck bleiben wird.