Knapp 14 Monate ist es her, da stand Salih Özcan beim 1. FC Köln symbolisch für das Scheitern. Das Scheitern eines weiteren Eigengewäches, dem eine tolle Zukunft vorhergesagt wurde. Das Scheitern der Kölner in der Bundesliga, die abermals auf dem Weg in die 2. Bundesliga waren.
Am 9. Januar 2021 ging der FC beim SC Freiburg mit 0:5 unter, auch weil Özcan folgenschwer patzte. Zentral vor dem Tor ging er fahrig in einen Zweikampf, verlor den als letzter Mann gegen Nicolas Höfler, der anschließend alleine auf das Tor zulief und das 2:0 erzielte.
Der Rest ist bekannt, Köln zitterte bis zum Schluss, rettete sich erst im Relegations-Rückspiel bei Holstein Kiel - und Özcan? Der pendelte zwischen Bank und dem Rasen - als einer von vielen statt unverzichtbar.
Zweijahresvertrag war damals kein echter Vertrauensbeweis
Trotzdem wurde sein Vertrag verlängert. Vermutlich eher aus Ermangelung als Alternativen, Köln hat die Corona-Pandemie hohe finanzielle Verluste beschert. Özcan bekam einen Zweijahresvertrag, nach den Langzeitpapieren der ehemals Verantwortlichen um Armin Veh auch nicht gerade der größte Vertrauensbeweis.
Jeder hätte sich im Sommer gewundert, wenn das Arbeitspapier länger laufen würde, das ist nun anders. Jetzt ärgern sich alle, Fans und Verantwortliche, dass der neue Vertrag nur bis zum 30. Juni 2023 läuft. Denn Özcan hat unter Trainer Steffen Baumgart, der sich für eine Verlängerung mit dem 24-Jährigen stark gemacht hat, eine wundersame Wandlung durchlaufen. Nach einem noch etwas wackligen Start ist er nicht mehr aus der ersten Elf wegzudenken. Auf mehreren Positionen weiß er zu überzeugen.
Mittlerweile hat er ein Zweikampfverhalten, eine Körpersprache und eine Konstanz, die ihn zu einem umworbenen Mann machen. Das Stadion in Köln feiert seine Art zu spielen, der DFB buhlt mittlerweile um ihn, auch der türkische Verband möchte Özcan für sich gewinnen. Hier stellt sich die Frage, entscheidet das Herz oder der Verstand. Beim Verstand müsste er sich vermutlich für die von Stefan Kuntz trainierte Türkei entscheiden, weil er im defensiven Mittelfeld beim DFB wohl noch eine ganze Zeit an Leon Goretzka oder Joshua Kimmich vorbei müsste.
Egal wie er sich entscheidet, auch der 1. FC Köln muss sich entscheiden. Ob er Özcan jetzt schon einen neuen - für derzeitige FC-Verhältnisse - unmoralischen Vertrag anbietet, ob er ihn im Sommer verkauft oder ob er das Risiko eingeht, dass der Leistungsträger 2023 ablösefrei wechselt. Eine Entwicklung, die Anfang 2021 nicht absehbar war.
Doch auch eine Entwicklung, die man sich aus Kölner Sicht nur wünschen kann, denn vor Özcan gab es schon viele Beispiele, wo diese Wandlung ausblieb. Und beim 24-Jährigen wird es auf jeden Fall eine Win-Win-Situation. Denn allein in dieser Spielzeit hat Köln für vermutlich relatives kleines Geld eine Gegenleistung bekommen, die so keiner erwarten konnte.