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Interview mit dem ehemaligen Sturmungeheuer Dieter Schatzschneider
„Damals war ich ein Arsch“

Interview mit dem ehemaligen Sturmungeheuer Dieter Schatzschneider
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Anfang der 80er galt Dieter Schatzschneider als das Stürmer-Ungeheuer der Zukunft. Doch plötzlich erlosch sein Wille. Wie kam das? Wir sprachen mit ihm über den inneren Schweinehund, selbstgestochene Tattoos und Ärger mit der Polizei. Herr Schatzschneider, Sie sind in Vahrenheide aufgewachsen, einem eher unsympathischen Stadtteil Hannovers.

„Eigentlich ist mein eigener Antrieb gar nicht so stark“, sagten Sie einmal. „Ich muss Autorität spüren. Am besten ist, wenn mir der halbe Schuh von jemandem im Arsch steckt.“

Mit mir zu arbeiten war nicht einfach. Es gab so viele Sabbler und Bla-Bla-Leute. Ich musste meinen Trainer anerkennen können als jemanden, der wirklich mehr zu sagen hat als ich.

Diethelm Ferner war in den ersten Jahren bei Hannover 96 Ihr Trainer. Wie ist er mit Ihnen umgegangen?

Er hat an mich geglaubt. Ich war kein fertiger Spieler, sondern ein Diamant, der geschliffen werden musste. Wenn die anderen schon unter der Dusche standen, hat Ferner mit mir noch Sonderschichten geschoben. Und als ich bei der Bundeswehr war, hat er mich jeden Tag um 17 Uhr abgeholt und mich durch den Wald gejagt – obwohl ich kaputt war wie ein Hund!

Haben Sie ihn dafür gehasst?

Nein, nie! Er hat immer die richtigen Worte gefunden. „Schatzschneider“, hat er zu mir gesagt, „du willst doch nach oben!“ Und wenn er das gesagt hatte, dann war der alte Ehrgeiz wieder da und ich konnte noch drei Sprünge mehr machen. Ferner hat immer an mich geglaubt. Darin war er das Gegenteil zu meinem Vater. Der hat es auch nicht böse gemeint, aber wenn er mich schlecht hatte spielen sehen, dann hat er immer gesagt; „Ich habe mit meinen Arbeitskollegen gesprochen. Wir haben für dich schon einen Platz frei am Fließband.“ Da bist du schon im Tal bist, die Leute pfeifen schon, und dann bekommst du so einen Spruch!

Dem Pessimismus Ihres Vaters zum Trotz: Sie fanden wieder aus dem Tal heraus. Anfang der 80er Jahre hatten Sie die fantastische Quote von 150 Toren in fünf Spielzeiten und sind immer noch der Rekordtorschütze der zweiten Liga. Was war Ihre Stärke?

Die gleiche Stärke, die ich in Vahrenheide auch schon hatte: Durchsetzungsvermögen. Da konnten die Verteidiger machen, was sie wollten. Ob sie sich an meinen Hals oder an meinen Rücken gehängt haben – ich habe mich durchgesetzt. Wenn ich das Tor machen wollte, habe ich es auch gemacht. Beim HSV, Ihrer ersten Station in der ersten Liga, ging Ihnen dieses Durchsetzungsvermögen jedoch plötzlich verloren.

Dafür schäme ich mich heute noch. Das war ich nicht! Natürlich war es schwierig, es war verzwickt: Ich hatte zwar viele Tore geschossen, 15 Stück, was beim HSV im ersten Jahr noch kein Stürmer geschafft hat. Aber ich hatte trotzdem null Anerkennung innerhalb der Mannschaft. Horst Hrubesch, mein Vorgänger, war sehr beliebt gewesen, seine Fußstapfen waren riesig. Also bin ich abgehauen, anstatt mich durchzusetzen. Das verzeihe ich mir bis heute nicht.

Nun war Ernst Happel auch ein anderer Typ als Diethelm Ferner, Ihr Förderer.

Happel war der beste Trainer, den ich je hatte – eine absolute Respektperson. Er hat von mir erwartet, dass ich soviel Klasse habe, Hrubesch zu ersetzen, und dass ich selber dafür sorge, dass ich die Anerkennung der Mannschaft bekomme. Aber ich habe nie verstanden, was die Mannschaft eigentlich von mir wollte (lacht)!

Sie schienen vor der Krise auch auf dem sicheren Weg in die Nationalmannschaft zu sein. Ein Länderspiel haben Sie trotzdem nie gemacht.

Damit bin ich im Reinen. Jupp Derwall hatte klar entschieden, dass Rudi Völler sein Mann ist. Und da hat er Recht gehabt! Das muss ich neidlos anerkennen. Rudi war ein ausgezeichneter Spieler und hatte es sich verdient, dass Derwall hinter ihm steht. Diese Erkenntnis habe ich aber erst später gewonnen. Damals war ich natürlich sauer (lacht)!

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