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Der EM-Blog (19): Nennt mich Charlie Brown...
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Am Ende war die Vorfreude doch wieder größer: Das Endspiel avancierte nicht zum spielerischen Juwel oder zum nervenkitzelnden Drama, zu eindeutig war die Überlegenheit der Spanier. Blogger Ralf Piorr ging trotzdem zufrieden schlafen.

Es war angerichtet. Das 3:2-T-Shirt aus dem Viertel- und Halbfinale hat gestunken, der ordnungsgemäße Platz wurde reserviert, und es waren auch die wieder da, die vorher groß ankündigt hatten, lieber zu Hause „Das Traumschiff“ gucken zu wollen als erneut das deutsche Gegurke. Nach 20 Minuten beschlichen den notorischen Nörgler M. leichte Zweifel: „Jetzt wollen die Deutschen mich komplett demütigen. Sie gewinnen und spielen auch noch gut!“ Aber es sollten die einzigen Minuten bleiben, in der Jogis Mannen dominierten. Danach spielte Spanien und spielte und spielte. Am verdienten Sieg der Iberer gab es am Ende wohl keinen Zweifel. Zu bescheiden waren die Widerstandsbemühungen von Ballack & Co. Selbst bei den Spaßfans sickerte langsam die Erkenntnis durch, dass nur der Glücksgott würde helfen können. Aber auch der wollte offensichtlich nicht mehr. Mit der Einwechselung Kuranyis wurde die Armut offensichtlich. Nur Karen, 17 Jahre jung und neben mir sitzend, kreischte euphorisch. Das hatte sie bereits vor dem Spiel getan, als Enrique Iglesias den EM-Song schmetterte. Dabei ist Kuranyi wirklich einer der wenigen Fußballer, die, während sie noch auf dem Platz stehen, bereits an ihrer eigenen Vergänglichkeit arbeiten.

Die Vergänglichkeit Kuranyis - demonstriert vom Tschutti-Sammelbild.

Nun stellen Sie sich den worst case vor: Kevin hätte getroffen, Verlängerung, Elfmeterschießen, Deutschland Europameister. Eine Flut von Kevins wären in neun Monaten standesamtlich registriert worden, ähnlich wie anno 1996 als nicht nur Bierhoff in der Wembley-Nacht das Golden Goal machte und dafür sorgte, dass „Oliver“ zum Top-Namen des beginnenden Frühlings 1997 avancierte. Das ist Ihnen erspart geblieben, Sie müssen Ihr Kind nicht Kevin nennen! Oder wie sagte der altersweise Jens Lehmann kurz nach dem Abpfiff: „Der Konjunktiv ist der Feind des Verlierers.“

Und der Chef der Verlierer heißt wieder einmal Ballack. Wenn man ein Herz hätte, könnte man fast schon Mitleid mit ihm haben, zumal er in England offensichtlich gereift ist und in Interviews mit viel Bodenhaftung daherkommt. Seine Willensstärke reichte im Finale nicht aus, um wirklich etwas „erfolgreiches“ bewegen zu können. Angesichts der vielen Mitläufer war es auch kein Wunder. Was hätte ein Torres aus der Szene nach vier Minuten gemacht, als Klose ein schlechtes

Abspiel von Ramos erläuft und dann den Ball im eins gegen eins ins Aus trudeln lässt? Ballack jedenfalls stand am Ende wieder mit leeren Händen da. Einzig der Frankenstein-Gedächtniscut über seinem linken Auge wird ihm noch bleiben. Aber es ist wenigstens schön, wenn man in den zärtlichen Armen einer Frau Trost finden kann. Wessen Arme es für den Capitano waren? Die von Angela Merkel… Verdammt, von allen Michael Ballacks der Welt ist er wirklich der Michael Ballackste.

Am Ende des Abends hat sich wieder gezeigt, dass der Weg das Ziel ist. Es waren schöne drei EM-Wochen mit spielerischen Glanzlichtern (Portugal, Niederlande, Russland und letztlich auch Spanien), vielen Toren, dramatischen Spielen (Türkei) und theatralischen Wortgefechten (Cordoba), wenn auch das Finale, auf das man so gewartet hat, letztlich zu einseitig war, um wirklich als Höhepunkt des Dramas bestehen zu können. Wenigstens aber hat mit den Iberern auch die Gerechtigkeit gewonnen. Wann kommt das schon einmal in der heutigen Welt vor?

Zufrieden mit diesem Gedanken gehe ich ins Bett. Von der Straße unter meinem Schlafzimmerfenster dröhnt diesmal kein Hupkonzert durch die Nacht. Es ist still. Das normale Leben hat uns wieder.

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