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FREECLIMBING: Spinnengleich im Pütt unter der Decke hängen
Autofahren ist gefährlicher

FREECLIMBING: Spinnengleich im Pütt unter der Decke hängen
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Entgegen der weitläufigen Meinung muss man für den Einstieg in das Freeclimbing weder besonders stark, noch groß sein. Eine stabile körperliche Fitness ist eine gute Voraussetzung, wichtig sind aber vor allem Technik und Verantwortungsgefühl. Denn Klettern ist ein Teamsport. Der Partner trägt die Verantwortung für Sicherheit und Leben des Kletternden. Ohne die Sicherung des Aktiven über ein Seil ist das Klettern über Absprungshöhe in den Anlagen des deutschen Alpenvereins, in dem die deutschen Sportkletterer überwiegend organisiert sind, nicht erlaubt.

Setzt man diese jedoch gewissenhaft ein, ist Freeclimbing weitaus weniger gefährlich als häufig angenommen. Kai Schenke, Übungsleiter für den Deutschen Alpenverein (DAV) Sektion Essen und selbstständiger Trainer im Einsatz von Management und Teamtrainings, betont, dass das Klettern „ein sehr sicherer Sport ist, solange man keinen Fehler macht.“ Gegenüber besorgten Eltern, deren Sprösslinge zu den speziellen Kinder-Kursen kommen, muss er sich häufig bemühen, das Image vom Gefahrensport zu berichtigen.

„Unter fachkundiger Aufsicht in der Trainingsgruppe wird sich ihr Kind über die Jahre weniger Verletzungen zuziehen, als beim Fuß- oder Handball.“ Der Klettersport unterscheidet sich vom Risiko nicht wesentlich von alltäglichen Dingen wie Autofahren. „Wobei ein gut ausgebildeter Kletterer, der aus unseren Breiten quer durch Deutschland bis in die Alpen fährt, um dort einen Kletterurlaub zu verleben, sich mehr Sorgen um seine Fahrt über die Autobahn machen sollte, als über eine gut geplante Klettertour.“ Vorausgesetzt, er hat eine theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen.

Gute Ausbildung ist ein Muss

Bevor man sich dazu entschließt, kann man in dieses vielseitige Hobby einfach reinschnuppern. Allerdings nur unter Betreuung, beispielsweise im Rahmen einer Probestunde. Neulinge, die sich danach zu einem Einstieg entschieden haben, sollten einen Lehrgang absolvieren. „Ein Kurs beim Klettern ist nicht zu ersetzen, außer durch einen anderen Kurs“, betont Schenke die Unerlässlichkeit einer Grundausbildung. Diese sollte laut offiziellen Empfehlungen des DAV mindestens acht Stunden dauern. Darin wird einem das sogenannte Toprope-Klettern und Sichern beigebracht.

Das Seil läuft dabei über eine Umlenkung an dem oberen Ende der Wand, die erklommen wird. Toprope ist damit die sicherste und einfachste Art des Sportkletterns. Einen verantwortungsbewussten Partner, dem man die eigene Sicherheit anvertrauen möchte, kann man so meist bereits finden. Denn Grundkurse bieten nicht nur das gemeinsame Erlernen der Technik und den Umgang mit dem Sicherungsgerät, sondern auch das gegenseitige Beschnuppern mit anderen Neulingen. Ein weiterer Vorteil: Gurt, Schuhe und Sicherungsgerät werden für die Kursteilnehmer gestellt, so kann erst später in die nicht unbedingt günstige Ausrüstung investiert werden. Auch danach können in den meisten Anlagen die benötigten Utensilien gegen ein geringes Entgelt entliehen werden.

Sitzen die „Basics“ kann es selbstständig an eine Toprope-Kletterwand gehen. Beim Sportklettern, häufig Freeclimbing genannt, ist es das Ziel, ohne Einsatz von Hilfsmitteln, außer denen, die der Sicherung des Kletterers dienen, durch das Erklimmen einer Wand das obere Ende einer Route zu erreichen. Dabei kann es schon mal von der Vertikalen in die Waagerechte gehen. Der „Klettermaxe“ hängt dann im Idealfall spinnengleich unter der Decke, die Hände und Füße in den Griffen. Das ist aber schon etwas für die Fortgeschrittenen. „Klettern ist gewissermaßen ein Handwerk“, meint Schenke: „Wie jedes andere Handwerk lernt man richtiges und sicheres Klettern nur durch eine solide Ausbildung und regelmäßiges Training.“

Die Größe und Beschaffenheit der Griffe und Tritte in der Wand variieren graduell. In Deutschland reicht die Skala bis elf. Wobei dieser Grad nur von den besten unter den Hochleistungskletterern zu bezwingen ist. Ein ungeübter Einsteiger kann dafür zu Beginn meist bereits eine Route im dritten Schwierigkeitsgrad bezwingen. Ansonsten wird einfach „bunt“ geklettert. Das heißt, jeder Griff und Tritt benutzt, der sich anbietet.

Freeclimbing beansprucht den ganzen Körper. So werden Kraft, Ausdauer, Konzentration, Koordination und die Wahrnehmung der eigenen Grenzen und Leistungen geschult. Das schafft Selbstbewusstsein, Verantwortungsgefühl und Vertrauen in sich selbst und den Partner. Aufgrund dessen wird dieser Sport vielfach therapeutisch eingesetzt, sowohl in der Physiotherapie, wie bei postoperativen Behandlungen und Rückenproblemen, als auch in der Psychotherapie bei der Behandlung von Depressionen.

Ausdauer, Konzentration, Koordination

Klettern macht aber vor allem ganz einfach Spaß. Das offizielle Bergsteigen begann 1789 mit der ersten Besteigung des Montblanc-Gipfels im Rahmen des Expeditionsalpinismus. Man bezwang die Höhen damals noch rein technisch, es wurden Trittleitern, Haken und Eisenstiege genutzt, um sich im Fels fortzubewegen. Daraus entwickelte sich langsam das Klettern als Sport. Als Geburtsort des Freikletterns kann man das Elbsandsteingebirge in der sächsischen Schweiz betrachten, in dem ab der Jahrhundertwende nach eigenen Regeln frei geklettert wurde. Nach und nach schwenkte man vom Erklimmen der Berge über die einfachsten Routen auf immer schwierigere Herausforderungen um, bis schließlich der Erste die Wände durchstieg.

Von da an wurden Technik und Kraft durch gezieltes Training stets gesteigert, mit wachsenden Fähigkeiten boten sich wieder neue Herausforderungen, der sportliche Ehrgeiz stieg. Heute ist das Klettern ein vielseitiges und beliebtes Hobby, mit rund 200.000 Anhängern in Deutschland. Wie bei anderen Sportarten gibt es zahlreiche Wettkämpfe und Meisterschaften sowie einen nationalen Wettkampfkader. Begeisterten stehen allein im Ruhrgebiet über zwanzig Hallen und Außenanlagen zur Verfügung.

Darunter auch der „Kletterpütt“ der Essener Sektion des DAV, eine der ältesten Kletterhallen im Ruhrgebiet. Die Halle in dem denkmalgeschützten Gebäude ist integraler Bestandteil der ehemaligen Zeche Helene. Auf 420 qm kann sich jung und alt an den Wänden und Decken in den Schwierigkeitsgraden drei bis neun austoben. Die 60 qm große Boulderhöhle mit unterschiedlich geneigten Flächen steht für das sogenannte „Bouldern“, das Üben von technischen Raffinessen ohne Seil und Gurt in Absprungshöhe, zur Verfügung.

Wer einfach nur zuschauen möchte, kann dies gerne tun. Im anliegenden Bistro kann man bei einem Milchkaffee durch ein großes Panorama-Fenster gemütlich die Klettermaxe in der Halle beobachten. Wen die technischen Details interessieren, kann diese auch von einer der beiden Galerien in der Halle aus verfolgen. Und der, der bereits selbst aktiv, aber bislang ohne Partner ist, kann freitagsabends zum offenen Klettertreff kommen.

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