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Rolling Bears für mehr Aufmerksamkeit für den Rollstuhl-Basketball
"Freuen uns über jeden Zuschauer"

Rolling Bears für mehr Aufmerksamkeit für den Rollstuhl-Basketball
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Sie wollen richtig Action? Sie wollen außer dem Dribbeln des Balls und dem Quietschen von Gummi auf Linoleum das angestrengte Schnaufen der Männer hören, wenn sie im Zweikampf aneinander stoßen oder den Ball hin- und herpassend über den Court hetzen? Rollstuhl-Basketball, seit 1960 offizielle Sportart der Paralympics, wird von der deutschen Öffentlichkeit nur spärlich beachtet. Berichterstattungen über Spiele der Regionalliga sind rar, die Zuschauerzahlen bleiben meist überschaubar. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Behindertensport und seine Spieler vielfach falsch eingeschätzt werden und Berührungsängste den ersten Kontakt mit Vereinen und Beteiligten verhindern.

RevierSport sprach mit Ronny Berger (Flügelspieler und Geschäftsführer), Ahmet Dogan (Playmaker), Willi Blöbaum (Playmaker) und Markus Pungercar (Center) und Trainer Tam dinh Truong von den Hot Rolling Bears über ihren Sport, ihr Bild nach Außen und den wahrscheinlichen Aufstieg in die zweite Liga.

Wer sind die Hot Rolling Bears? (RB) Die Hot Rolling Bears sind 1998 aus der BSG, der Behinderten-Sportgemeinschaft Essen, hervorgegangen. Das ist ein gemeinnütziger Verein für Behindertensport. Unser Ziel war es aber, Leistungssport zu betreiben. Dafür haben wir die Bears gegründet. Diesen müssen wir aber mit Geldern von Sponsoren und Spenden finanzieren.

Woher kommt der Name? (RB) Unser ehemaliger erster Vorsitzender, Ralf Bockstedt, hatte in den Staaten studiert, dort benannten die Mannschaften sich nach Tieren. Er fand das gut und stellte im Namen dann noch die Verbindung zu den Rollstühlen her.

Gibt es beim Rollstuhl-Basketball, außer der Tatsache, dass die Spieler im Rollstuhl sitzen, noch andere Unterschiede zum "normalen" Basketball? (AD) Eigentlich nicht. Bei uns gelten die selben Maße, wir spielen auf dem gleichen Feld und werfen auf die normalen Körbe. (RB) Allerdings ist bei uns natürlich kein Dunking möglich und der Schrittfehler wird durch die Regel ersetzt, dass ein Spieler mit dem Ball in der Hand nur zweimal an den Rädern seines Stuhls ziehen darf.

Können auch Nicht-Behinderte bei Ihnen mitmachen? (RB) Auch sogenannte Fußgänger sind bei uns willkommen, allerdings müssen sie das Spiel natürlich auch im Rollstuhl bestreiten. (TT) Jeder Sportler wird nach dem Grad seiner Behinderung eingestuft und erhält einen Punktwert. Ein Spieler mit einer Querschnittslähmung erhält einen Punkt, ein Fußgänger eine 4,5. Die fünf Spieler auf dem Feld dürfen insgesamt nur 14 Punkte ergeben. Damit wird erreicht, dass die Kräfte auf dem Court ausgewogen sind.

Die Rollstühle, die Sie benutzen, sind spezielle Sport-Rollstühle, korrekt? (TT) Da die komplett geschweißt sind, sind sie starr und dadurch leichter und besser zu lenken als normale Rollstühle. Durch die Schrägstellung der Räder ist der Spieler sehr wendig und ein Umkippen unwahrscheinlich.

Das klingt so, als wäre dieser Sport mit großen, finanziellen Aufwendungen verbunden. (TT) So ein Sport-Rollstuhl ist eine Spezialanfertigung, wird an den jeweiligen Benutzer gezielt angepasst. Mit 5.000 Euro muss man rechnen. Aber das übernimmt bislang die Krankenkasse.

Wie schwer ist es, Sponsoren für den Rollstuhl-Basketball zu finden? (RB) Wir stehen beim Kampf um die Gunst der Sponsoren in Konkurrenz zu den großen, namhaften Vereinen. Die werden auf Grund ihres Bekanntheitsgrades viel eher von großen Unternehmen gefördert. Und für kleinere Firmen, welche die örtliche Präsenz brauchen, sind wir nicht attraktiv, weil unsere Spiele nur selten in Essen stattfinden. Einige Firmen, die sich engagieren, möchten nicht genannt werden, weil sie sich vor einer Welle von Anfragen von Behinderten-Sportvereinen fürchten.

Gibt es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten, Sie zu unterstützen? (RB) Wir haben vor kurzem einen Förderkreis gegründet. Mit zehn Euro im Monat kann man so die Hot Rolling Bears subventionieren. Und natürlich freuen wir uns über jeden Zuschauer, der zu unseren Spielen kommt.

Sind Außenstehende häufig erstaunt, wenn sie hören, dass Sie Sportler sind? (WB) Manch einer mag denken, dass wir in diesen Uralt-Rollstühlen sitzen und von eifrigen Pflegern über den Platz geschoben werden. Die sind überrascht, dass Arbeiten, Autofahren und Sporttreiben auch mit einer Behinderung möglich ist. Wir laden sie dann einfach ein, zu unseren Spielen zu kommen. Wenn sie uns in Action erleben, sind sie baff und dann begeistert. Oft erschrecken auch neue Zuschauer, wenn das erste Mal jemand umgestoßen wird. Dann spürt man richtig, wie ein Teil der Menge aufspringen will, um ihn wieder in den Stuhl zu heben. Und wie sich alle wundern, wenn der innerhalb von zwei Sekunden wieder von alleine drin ist.

Was bedeutet der Begriff "behindert" für Sie? (RB) Behinderung würde bedeuten, wir könnten nicht das tun, was wir möchten. Aber das stimmt nicht. Wir können. Nur mit kleinen Einschränkungen. Deswegen fänden wir den Begriff „Einschränkung“ besser.

Bemerken Sie Berührungsängste? (TT) Ja, es ist schon schwer, die Leute erst einmal in die Halle zu bekommen. Vor allem Eltern. Die denken seltsamerweise, Behindertensport wäre ihren Kindern nicht zuzumuten. Die Kids stattdessen gehen total ungezwungen mit uns um und sind immer total begeistert. Die wollen sofort selbst fahren, sehen den Stuhl als das, was er auch für uns ist. Ein Sportgerät.

Ist der Sport so auch eine Möglichkeit der Integration, vor allem bei behinderten Jugendlichen? (WB) Bei uns steht der Sport im Vordergrund, er fördert auf jeden Fall das Abbauen von Distanzen und zeigt, dass eine Behinderung nicht gleichzustellen ist mit Hilflosigkeit. Wie organisieren Sie die Anfahrt bei Auswärtsspielen? (RB) Wir mieten einen Reisebus. Allerdings ist der nicht behindertengerecht. Große Vehikel, die auf den Transport von Rollstuhlfahrern ausgerichtet sind, sind in Deutschland sehr rar und die Unternehmen lassen sich diese Sonderausstattung entsprechend bezahlen.

Essen - Kulturhauptstadt 2010. Bemerken Sie als Essener Mannschaft etwas davon? (RB) Leider nicht. Wir werben zwar auf unserer Homepage mit dem Logo, aber auf uns ist bislang niemand zugekommen. Da müssten wir schon TUSEM Essen heißen. Dabei verwirklichen wir solide Vereinsarbeit, haben nie Schulden gemacht.

Es sieht ganz danach aus, als würden Sie in der nächsten Spielzeit in der zweiten Liga mit dabei sein. Wie ist die Stimmung im Team? (TT) Die Mannschaft hat in der Konzentration abgebaut, weil sie die Spiele viel zu leicht gewonnen hat. Wir waren von Beginn der Saison an nahezu konkurrenzlos, da lässt schnell der Druck nach. Was würde sich für Sie nach einem Aufstieg in die zweite Liga verändern? (RB) Unsere Sponsoren stehen glücklicherweise zu uns und werden nach dem Aufstieg ihr Engagement erhöhen. Wir müssen dann auch viel weiter zu Auswärtsspielen fahren, die finden dann in Berlin und Stralsund statt. Das macht kein Busunternehmen umsonst.

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