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Annegret Richter: Über Gold, Boykott und die Faszination Sprint
Erfolgsrezept: Bereitschaft zur Qual

Annegret Richter: Über Gold, Boykott und die Faszination Sprint
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Annegret Richter gehörte neben Heide Rosendahl und Ulrike Mayfarth zu den deutschen Stars der Leichtathletik-Szene. 1972 und 1976 gewann die Dortmunderin olympisches Gold, 1980 fiel auch sie dem Boykott der Spiele in Moskau zum Opfer. Im Interview mit RevierSport spricht die ehemalige Weltrekordlerin über Ihre Karriere, Diskussionen um die Spiele in Peking, Doping sowie die Voraussetzungen für eine große Karriere.

Annegret Richter, nach dem Ende Ihrer aktiven Laufbahn sind Sie dem Sport nicht ganz verloren gegangen. Seit 23 Jahren arbeite ich als Verkaufsrepräsentantin bei adidas und bin somit dem Sport indirekt verbunden.

Wie muss man sich diesen Job vorstellen? Die Händler kommen zu mir ins Musterbüro und sehen sich die neuesten Kollektionen und Materialien an. Die komplette Textilkollektion ist hier zur Ansicht und kann bestellt werden. Entstand der Kontakt schon während Ihrer Karriere? Kontakt zu adidas bestand schon während meiner sportlichen Laufbahn, sie hat sicherlich ein wenig dazu beigetragen, dass ich bei adidas arbeiten durfte. Dabei gab es zuerst andere Pläne! Eigentlich wollte ich ein Sportgeschäft eröffnen, habe hin und her überlegt, aber mich dann doch dagegen entschieden. Beim Sport wollte ich aber dennoch bleiben und da ich mich örtlich nicht verändern, sondern in Dortmund wohnen bleiben wollte, war die Stelle perfekt für mich.

Zur Person Annegret Richter >geb. am 13. Oktober 1950 in Dortmund >1971: EM-Gold mit der 4x100-Meter-Staffel >1972: Olympisches Gold mit der 4x100-Meter-Staffel >1973: Hallen-Europameisterin über 50 Meter >1976: Olympisches Gold über 100 Meter >1976: Olympisches Silber über 200 Meter, 4x100-Meter-Staffel >1976: Weltrekord über 100 Meter in 11,01 Sekunden >zu ihrer Titelsammlung gehören 31 deutsche Meisterschaften

Bald nehmen Sie Abschied! Mitte des Jahres werde ich aus dem Berufsleben ausscheiden. Es wird für mich eine Umstellung bedeuten. Meine Kollegen werde ich vermissen, es war ein sehr angenehmes Arbeiten. Interessiert hat mich der ständige Kontakt zu Menschen, aber auch die Komplexität der Branche, die von vielen Faktoren, wie der Wirtschaftslage, abhängig ist. Das war sehr spannend. Das war auch ihre internationale Karriere auf der Tartanbahn.

Wie sind Sie zur Leichtathletik gekommen? Durch meine eigene Initiative. Bei den Bundesjugendspielen habe ich schon immer ganz gut abgeschnitten, Sport hat mir immer großen Spaß gemacht. Mit 14 Jahren habe ich mich in Dortmund beim TV Brechten angemeldet und die Vielfalt der Leichtathletik kennen gelernt. Aber mir wurde schnell klar, dass meine Stärken im Sprint und Sprungbereich liegen. Ich machte mit guten Leistungen auf mich aufmerksam, da lag es nahe, dass Einladungen zu diversen Lehrgängen folgten. Dabei war es zunächst nicht Ihre Motivation, Titel oder Goldmedaillen zu sammeln, oder? Zunächst war das für mich Hobby und Spaß, ich habe nur zwei Mal die Woche trainiert. Aber nach ersten Erfolgen habe ich mir persönlich höhere Ziele gesteckt. Ich habe den Einstieg in die Nationalmannschaft über die Staffel geschafft, von da an wollte ich keinen Schritt mehr zurück. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten! 1971 haben ich mit der Staffel bei der EM in Helsinki den Titel errungen. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München wurde ich Olympiasiegerin mit der Sprintstaffel und habe über 100 Meter den fünften Platz in deutscher Rekordzeit errungen. Das hat mir genügend Motivation gegeben, in vier Jahren noch mehr erreichen zu wollen. Ich fing an, professioneller zu trainieren. Anstatt vier Mal die Woche, habe ich die Einheiten auf sechs bis sieben in der Woche gesteigert. Ich habe mit dem Bundestrainer Wolfgang Thiele trainiert, in Dortmund, Köln oder Wattenscheid.

Dabei reichte es in München schon zu Gold mit der 4x100 Meter-Staffel, war das noch nicht genug? Die Goldmedaille mit der Staffel war ein großer Erfolg, aber ich wollte mehr. Ich habe mir immer Ziele gesetzt, aber welche, die ich erreichen konnte. Das ist wichtig, denn sonst verkrampft man. Ist die Einzelmedaille, die Sie 1976 in Montreal erreicht haben, für Sie mehr wert als der Staffeltitel? Das Einzelgold war und ist für mich höherwertig. Überhaupt ist ein Olympia-Titel für einen Athleten einfach das Größte. Wie erklärt sich das? Die Olympischen Spiele finden nur alle vier Jahre statt. Weltmeisterschaften gab es zu meiner Zeit noch gar nicht, aber heute findet alle zwei Jahre eine Leichtathletik-WM statt, in anderen Sportarten sogar jedes Jahr. Das schwächt den Status im Vergleich zu Olympia natürlich ab. Was macht den Olympischen Geist noch aus? Faszinierend ist das Leben im Dorf, da kommt die ganze Welt zusammen. Alle Hautfarben, die unterschiedlichsten Typen und Mentalitäten. Nach seinem Wettkampf hat man häufig noch Zeit, Kontakte zu knüpfen. Ich kann es nicht verstehen, wenn sich Athleten abschotten und nicht im Dorf wohnen. Dort herrscht die eigentliche Atmosphäre von Olympia. Dabei haben Sie 1972 auch eine große Tragödie miterlebt, als israelische Sportler Opfer eines Anschlags wurden. Ich kannte die betroffenen Athleten nicht, aber einige meiner Teamkollegen schon. Jeder war dadurch natürlich sehr berührt und es wurde zum ersten Mal aufgezeigt, dass so etwas wirklich machbar ist. Zuvor hat doch niemand damit gerechnet, es waren friedliche Spiele, ein großes Miteinander. Mit dem Anschlag fing die Zeit an, in der der Sport für die Politik herhalten musste.

Wie geht man während eines Wettkampfs mit so einem Erlebnis um? Es gab zunächst natürlich kein anderes Thema, aber wir mussten uns weiter konzentrieren. Die 100 Meter waren gelaufen, aber die Staffel stand noch bevor. Als es hieß, die Spiele gehen weiter, habe ich für diesen Augenblick das Geschehene ausgeblendet.

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